Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis V
Abkürzungsverzeichnis VI
Vorwort VIII
Literaturhinweise X
Kurze Einführung in die altfriesische Sprachwissenschaft XV
Abkürzungsverzeichnis
A. Akkusativ, Anfang, Auflage
AA Ahlsson, Abstraktbildungen
AB Allgemeine Bußtaxen (11. Jh.?) (Richthofen 82‑97, H, E, R)
Adj. Adjektiv
Adv. Adverb
ae. altenglisch
afrz. altfranzösisch
ahd. althochdeutsch
Akk. Akkusativ
an. altnordisch
anfrk. anltniederfränkisch
as. altsächsisch
aschwed. altschwedisch
B Brokmer Manuskripte (Richthofen 151‑181)
D. Dativ, Dual
dän. dänisch
Dat. Dativ
Dri Driessen monumenta groningana veteris aevi inedita, 1822ff.
E. Ende, Etymologie
E Emsiger Manuskripte (Richthofen 2‑101, 182‑247. E 1 um 1400, E 2 2. H. 15. Jh., E 3 M. 15. Jh.)
ED Emsiger Domen (14. Jh.) (Richthofen 182‑193)
F. Femininum
F Fivelgoer Manuskripte (Richthofen 283 ff.)
frz. französisch
G. Genitiv
gallo.-rom. gallo-romanisch
Gen. Genetiv
got. gotisch
gr. griechisch
H Hunsigoer Manuskripte (H 1 14. Jh.?, H 2 14. Jh.) (Richthofen 2‑100, 328‑343, 351‑ 357)
Hh Holthausen, Wörterbuch
holl. holländisch
Hw. Hinweis
I. Interferenz
Imp. Imperfekt
Ind. Indikativ
Interj. Interjektion
Jur jurisprudentia frisica door jonkh. mr. Montanus Hettema, Leeuwarden 1834
K 17 Küren (E.11. Jh.?) (Richthofen 2‑28, H, E, R, W)
KE Kürenepilog (Richthofen 28)
kelt. keltisch
KF Küren von Fivelgo (Richthofen 283‑288)(13. Jh.)
L 24 Landrechte (Richthofen 40‑81, H,E,R,W)
L. Literatur
lang. langobardisch
lat. lateinisch
Lw. Lehnwort
Lüs. Lehnübersetzung
Lüt. Lehnübertragung
M. Maskulinum
mhd. mittelhochdeusch
mlat. mittellatein
mnd. mittelniederdeutsch
mnl. mittelniederländisch
N. Neutrum
ne. neuenglisch
nfries. neufriesisch
nnordfries. neunordfries.
nostfries. neuostfries.
Nom. Nominativ
Num. Kard. Grundzahl
Num. Ord. Ordnungszahl
O Optativ
ON Ortsname
P. Person
Pl. Plural
plattd. plattdeusch
PN Personenname
Präf. Präfix
Präp. Präposition
Pras. Präsens
Prät. Präteritum
Prät.-Präs. Präterito‑Präsens
Psf. Psalmenübersetzung, altfriesisch
Q Quellen
R Rüstringer Manuskripte (Richthofen 3‑29, 33‑97, 115‑134, 546‑544)
R. Redewendung
Rh Richthofen, Wörterbuch
s. siehe
S bei Schwartzenberg abgedrucktes Manuskript des westerlauwerischen Erieslandes (Richthofen 384‑387, 442‑458)
Sb Substantiv
Schw groot placaat en charterboek van Vriesland dorr G. F. baron thoe Schwartzenberg, Leeuwarden 1768
schwed. schwedisch
Sg. Singular
saterl. saterländisch
Son. sonstiges
st. stark
subst. substantiviert
Suff. Suffix
sw. schwach
ÜG. Übersetzungsgleichung
V. Verb
vgl. vergleiche
Vw. Verweis
W westerlauwerisches Landrecht (Richthofen 3‑29, 33‑79, 102‑107, 110‑112)
W Wenden (Richthofen 32‑38)
WE Wendenepilog (Richthofen 38)
WP Wendenprolog (Richthofen 32)
WU Willküren von Upstalsbom (14. Jh.) (Richthofen 102‑108)
Vorwort
Das Altfriesische ist neben dem Gotischen, Altnordischen, Altenglischen, Altniederdeutschen (Altsächsischen, Altniederfränkischen) und Althochdeutschen eine germanisch/germanistische Einzelsprache. Sie tritt nach Einzelwörtern vor allem des 9. Jahrhunderts im (11. bzw.) 13. Jahrhundert in schriftlicher Überlieferung hervor. Dabei betrifft die Aufzeichnung vor allem Rechtstexte. Seine Grenze zum Neufriesischen ‑ bzw. dem von einigen Forschern darüber hinaus angenommenen (zeitlich gesehenen und für die Zeit zwischen 1550 und 1800 angesetzten) Mittelfriesischen - wird bei etwa 1550 gezogen (unübersehbare Überlieferungslücke).
Der dadurch überkommene Wortschatz des Altfriesischen ist schon mehrfach lexikalisch erfasst worden. Karl Freiherr von Richthofens Wörterbuch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts verzeichnet dabei zwar auch die Belege der von ihm veröffentlichten Texte, ist aber sowohl quellenmäßig wie auch sprachwissenschaftlich nur auf dem Stande seiner Zeit und behandelt außerdem nicht jedes selbständige Wort als selbständigen Ansatz. Ferdinand Holthausens Wörterbuch des frühen 20. Jahrhundets verbessert diesen Stand durch die Aufnahme zahlreicher weiterer Wörter (ca. 1800) und durch philologische Korrekturen. Sein nach Wortstämmen geordnetes, durch zwei Nachträge ergänztes und gleichwohl möglicherweise nicht mehr als 60-75 Prozent des überlieferten Wortschatzes erfassendes Werk ist aber sehr unübersichtlich und in Einzelheiten überholt.
Aus diesem Grunde ist auf der Grundlage beider ‑ durchaus nicht vollkommener und vollständiger Wörterbücher und - in Parallele zu einem indogermanisch‑neuhochdeutschen Wörterbuch, einem germanisch‑neuhochdeutschen Wörterbuch, einem gotisch‑neuhochdeutschen Wörterbuch, einem altnordisch-neuhochdeutschen Wörterbuch, einem altenglisch-neuhochdeutschen Wörterbuch, einem altniederdeutschen-neuhochdeutschen Wörterbuch und einem althochdeutsch-neuhochdeutschen Wörterbuch auch ein altfriesisch‑neuhochdeutsches Wörterbuch mit rund 7500 Stichwörtern und Verweisen in streng alphabetischer Reihenfolge erarbeitet worden. Dabei beginnt der einzelne Artikel mit dem Lemma in einer normalisierten Hauptform und eventuellen Nebenformen, welche grundsätzlich auch als Verweise (verweisende Ansätze) auf die Hauptform aufgenommen sind. Es folgen die Angaben der (ungefähren) Anzahl (z. B. 1 für hapax legomena) der Belegstellen (und aus übergeordneten Erwägungen die Angabe der [altfriesischen] Sprache). Dem ist (grundsätzlich) eine grammatikalische Bestimmung des Wortes angefügt. Bei der anschließenden Ermittlung der Bedeutung im Neuhochdeutschen ist ein Mittelweg zwischen ganz besonderer Bedeutung im einzelnen, vermutlich öfter auch vom Zufall bestimmten Kontext und allgemeinerer, durch die überlieferten Kontexte nicht immer gesicherter etymologisch ausgerichteter Bedeutung eingeschlagen worden. Im Anschluss hieran wird eine englische Bedeutung angeführt. Darüber hinaus sind, soweit vorhanden, lateinische Übersetzungsgleichungen angefügt. Weiter werden Verweise von Grundwörtern auf Komposita und Hinweise auf nahestehende Wörter gegeben. Unter den Hinweisen finden sich auch verwandte Wörter anderer germanischer/germanistischer Sprachen (Gotisch, Altnordisch, Altenglisch, Altniederfränkisch, Altsächsisch, Althochdeutsch, Mittelniederdeutsch, Mittelniederländisch, Mittelhochdeutsch und Plattdeutsch/Neuniederdeutsch). Anschließend werden (die) Quellen des Lemmas durch summarische Siglen angegeben, wobei gelegentlich eine Jahreszahl für den ältesten Beleg angeführt wird. Im Anschluss hieran werden unter Interferenz fremdsprachliche Wörter genannt, welche formal oder inhaltlich das nationalsprachliche Wort beeinflusst haben (könnten). Dem folgt (erstmals grundsätzlich) die Etymologie des Lemmas. Danach wird unter Literatur die lexikalische Fundstelle für das Stichwort offengelegt oder ein sonstiger weiterführender Hinweis geboten. Vereinzelt folgen dem geläufige Redewendungen oder Erklärungen von Besonderheiten eines Lemmas.
Erschlossenes Material ist durch * kenntlich gemacht, wobei für erschlossene Lemmata der Asterisk am Beginn steht, für nicht belegte, erschlossene Formen des Stichworts dagegen am Ende. Klammern und Fragezeichen deuten Unsicherheiten und Vorbehalte an. Als Bausteine etymologisch erkennbare Teile von Wörtern sind durch Bindestriche abgesondert.
Die Ordnung der Lemmata ist streng alphabetisch. Lange und kurze Vokale werden dabei grundsätzlich nicht geschieden, doch folgt bei Gleichheit im übrigen das Wort mit langem Vokal dem Wort mit kurzem Vokal nach. Th steht hinter t, j hinter i.
Wie für das Indogermanische, Germanische, Gotische, Altnordische, Altenglische, Altniederdeutsche und Althochdeutsche so ist auch für das Altfriesische (erstmals) ein neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch verfasst worden, welches das Altfriesische von der neuhochdeutschen Sprache her aufschließen soll, indem es eine Antwort etwa auf die Frage ermöglicht, wie das Altfriesische den Sachverhalt bezeichnet, den das Neuhochdeutsche etwa als »Abend«, »Kopf«, »Monat«, »Schulter« oder »Wasser« benennt. Dass auch hier noch manche Frage bleibt und Verbesserungen möglich sind, versteht sich von selbst. Möge wie hier auch insgesamt die germanistische Sprachforschung weiterführend eintreten und die Grundlage für das Altfriesische überhaupt und damit für ein altfriesisch‑neuhochdeutsches wie ein neuhochdeutsch‑altfriesisches Wörterbuch verbessern ‑ wie dies etwa durch die nahezu vollständige Verzettelung des altfriesischen Wörterschatzes im Friesischen Institut in Groningen (Fries Institut, Westersingel 28‑30, Groningen) vorbereitet bzw. geschehen ist.
Die zweite Auflage überarbeitet das gesamte Werk umfassend und bringt es darüber hinaus erstmals in eine maschinenlesbare elektronische Fassung. Sie wäre ohne Dietrich Hofmann, Veronika Schönegger, Gisela Scholtissek, Brigitte Thöni und Josef Schönegger so nicht möglich gewesen. Ihnen bin ich deswegen besonders zu Dank verpflichtet.
Gießen, den 20. 04. 2002 Gerhard Köbler
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Kurze Einführung in die altfriesische Sprachwissenschaft
A. Begriff
Die Friesen werden erstmals (für das Jahr 12 v. Chr. von Cassius Dio [vor 230 n. Chr.] als Phreisioi bzw.) durch Plinius (Secundus den Älteren 23-77 n. Chr.) im 1. Jh. n. Chr. für das Gebiet zwischen Rhein und Ems (bzw. dem heutigen Amsterdam und dem heutigen Groningen) erwähnt (Frisii, germ. *Frisiaz, Pl. Frisioz, später auch Frisiones, germ. *Frision, daneben durch die Bataver getrennt die südlich der Maas ansässigen, in unklarem Zusammenhang stehenden Frisiavones). Die Etymologie des Namens der Friesen (eigentlich Frisien) ist umstritten. Teilweise wird sie mit einem Adjektiv *fris‑ »kraus, lockig« verbunden, doch wird auch nichtgermanische Herkunft für möglich gehalten. Als einzelne Friesen nennt Tacitus Verritus, Cruptorix und Malorix. Inschriften führen Bassus als Friesen und Hilarus als Frisiavonen auf. Plinius belegt als Ortsnamen Burcana, Austeravia, Actavia und Glaesaria.
Zwischen dem 3./4. und dem Ende des 7. Jh. werden die Friesen nicht erwähnt. Danach sind Könige und Führer mit den Namen Aldgils (677), Redbad (689) und Bubo (734) bezeugt. 689 verliert Redbad den westlichen Teil des friesischen Siedlungsgebiets an die Franken. Karl der Große gliedert auch die östlichen Bereiche in das fränkische Reich ein. Zugleich werden die Friesen christianisiert.
Aus dieser frühen Zeit sind außer den Namen nur wenige Wörter in der vielleicht um 800 aufgezeichneten Lex Frisionum,[1] den Traditiones Fuldenses und einigen (20) Runeninschriften (500-800) überliefert. Sie bilden den bescheidenen Bestand des Urfriesischen. Dieses wurde zwischen Sincfal (Schelde) und Fli/Vlie (Westfriesland = heutige niederländische Provinz Noord‑Holland), Fli/Vlie und Lauwers (= Laubach) (Mittelfriesland = heutige niederländische Provinz Friesland und nördlicher Teil der Provinz Groningen ‑ bzw. Ems und Jadebusen) sowie zwischen Lauwers (= Laubach) und Weser (im zweiten nachchristlichen Jahrhundert noch den Chauken zugeordnetes, danach aber friesisch geprägtes Ostfriesland mit den karolingischen Gauen Hugmerki, Hunsingo, Fivelgo, Federgo, Emsingo, Nordendi, Östringen, Wangerland und Rüstringen) gesprochen.
Diesem Urfriesischen schließt sich vom 9. Jh. bis zum Ausgang des Mittelalters (1550) das Altfriesische an. Dieses dehnt sich einerseits seit dem 9. Jh. nach Helgoland, Amrum, Föhr, Sylt und Westschleswig (Nordfriesland) aus. Zentrale friesische Landschaften des Spätmittelalters sind Emsingerland, Brokmerland, Norderland, Harlingerland, Reiderland, Mormerland, Östringen, Wangerland und Rüstringen Andererseits geht das Friesentum im bisherigen Westfriesland unter, seitdem dieses 1289 unter die Herrschaft der Grafen von Holland kommt. In Mittelfriesland verliert das Gebiet zwischen Lauwers/Laubach und Ems, die sog. Groninger Ommelande, vom 14. Jh. an seinen friesischen Charakter. Westlich von Lauwers/Laubach bleibt das Friesische als Volkssprache auch nach dem Übergang der Provinz (mit rund 75000 Einwohnern) an den den bestallten Gubernator und Potestat Albrecht von Sachsen-Meißen (1498) und nach dessen Verkauf (1515) an das Haus Habsburg (1524, 1579/1580 Beitritt zur Utrechter Union, Staatsstreich der Provinzialstaaten gegen Habsburg/Spanien) erhalten.[2] In Ostfriesland wird nach der Belehnung Ulrik Cirksenas mit der Grafschaft Ostfriesland (1464) die Amtssprache niederdeutsch.
Aus dem neu gewonnenen Nordfriesland fehlen von wenigen Wörtern abgesehen friesische Sprachquellen vor 1500. Dagegen finden sich aus Mittelfriesland, das jetzt im Gegensatz zu Ostfriesland auch als Westfriesland bezeichnet wird und ‑ zwischen Lauwers und Fli/Vlie ‑ aus Westergõ, Astergõ, Suthergõ, Terschelling und Ameland besteht, und Ostfriesland, das sich ‑ zwischen Lauwers und Weser ‑ aus Hugmerki, Hunesgõ, Fivelgõ, Aldeombecht, Reideralænd, Emesgõ, Federgõ, Norderalænd, Brækmonnalænd, Herlingalænd, —stringalænd, Wangeralænd, Riustringalænd, Wurtsetenalænd, Wurdenalænd, Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spikeroog, Wangerooge und Sagelterlænd, zusammensetzt, verschiedene Quellen des (11.? oder) 13. bis 16. Jahrhunderts.
Besonders wichtig sind 17 altfriesische Rechtshandschriften (A, Dr, Fs, J, U, P, Ro westlauwerssch).
A Codex Aysma (Oxford, Bodleian Library Ms. Junius 78), aus vier um 1500 von verschiedenen Schreibern geschriebenen Teilen bestehende, kaum von Anfang an als Einheit angestrebte Papierhandschrift, die jedenfalls Franciscus Junius (1591-1677) bereits vorliegt, enthält Excerpta Legum, Hoe dae Friesen Roem wonnen, Foerdgunghe des riuchtis, Waterrecht, Gesta Fresonum und anderes, (Buma/Gerbenzon/Tragter-Schubert 1993)
B1 Erste Brokmerhandschrift (Oldenburg, Niedersächsisches Staatsarchiv 24, 1, 3, früher Handschrift Wicht), nach 1276 geschriebene Pergamenthandschrift des späten 13. Jahrhunderts, Blätter 1-65 Brocmonna Bref eines einzigen Schreibers, Blatt 66 Victorbur Bußregister eines andern Schreibers in Latein, (Buma 1949, Buma/Ebel 1965)
B2 Zweite Brokmerhandschrift (Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek XXII, 1423 früher Handschrift Oelrichs), aus 28 Pergamentblättern bestehend, Blätter 1-22a Brocmonna Bref des Schreibers Osborn, 1345 fertiggestellt, Blätter 22bff. drei lateinische Verträge mit Brokmerland und Emsingo sowie kleinere Stücke unterschiedlicher Schreiber am Ende, (Buma 1949, Buma/Ebel 1965)
D bzw. Dr Inkunabel Alter Druck (a Leeuwarden, Reichsarchiv Friesland Archiv Schwartzenberg 3945a, b Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland 1074 R, c Leeuwarden Provinzialbibliothek von Friesland A III 31 früher Fries Genootschap 2, d Utrecht, Universitätsbibliothek J. oct. 1112, e Den Haag, Königliche Bibliothek incun. 140-C-36, f Paris, Nationalbibliothek MS. néerlandais 45 = P, g London, Britisches Museum I A 48951, h Oxford, Bodleian Library MS. Marshall 60, i Oxford, Bodleian Library MS. Junius 109 = U), entstanden anonym um 1485 in oder bei Friesland westlich der Lauwers, Freeska Londriucht, enthält Haet is riocht?/Was ist Recht?, Älteres Schulzenrecht, Karl der Große und Redbad, Magnussage und Magnusküren, 17 Küren, Prolog zu Küren und Landrechten, 24 Landrechte, Acht Dome, Wenden zur 17. Küre, Westerlauwerssches Sendrecht, Jüngeres Schulzenrecht, Rudolfsbuch, Upstalbomer Willküren und einige kleinere Stücke, (moderner Druck fehlt)
E1 Erste Emsinger Handschrift (Groningen, Universitätsbibliothek Hs. PEIP 13), Pergamenthandschrift eines unbekannten Schreibers des späten 14. Jahrhunderts auf Grund mehrerer Vorlagen (u. a. vor 1276?), enthält Fia eth, Prolog zu Küren und Landrechten, 17 Küren, 24 Landrechte, kleinere Stücke, Allgemeine Bußtaxen, Emsinger Bußtaxen, kleinere Stücke, Wenden zur 16. Küre, Wenden zur 17. Küre, Überküren, kleinere Stücke, (Sipma 1943, Buma/Ebel 1967, 16-99)
E2 Zweite Emsinger Handschrift (Groningen, Universitätsbibliothek Hs. PEIP 14) Pergamenthandschrift überwiegend eines Schreibers von etwa 1450, enthält Fia eth, Emsinger Bußtaxen, kleinere Stücke, Emsinger Pfennigschuldbuch, kleinere mittelniederdeutsche bzw. lateinische Stücke, (Fokkema 1953, Buma/Ebel 1967, 102-165)
E3 Dritte Emsinger Handschrift (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 1), Pergamenthandschrift eines Schreibers von etwa 1450, enthält Emsinger Bußtaxen, kleinere Stücke, Emsinger Pfennigschuldbuch, jünger als E1 und wahrscheinlich E2, (Fokkema 1959, Buma/Ebel 1967, 168-261)
F Fivelgoer Handschrift (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 4), aus zwei Sammelhandschriften desselben Schreibers (Vorlage des ersten Teils von vielleicht 1427-1431, Papier des zweiten Teils kurz nach 1440) zusammengesetzt, enthält Haet is riocht?/Was ist Recht?, Prolog zu Küren und Landrechten, 17 Küren, 24 Landrechte, Magnussage und Magnusküren, Westerlauwerssches Sendrecht, Acht Dome, kleinere Stücke, Allgemeine Bußtaxen, kleinere Texte, Wenden zur 16. Küre, Überküren, kleinere Stücke, Hunsingoer Küren, kleinere Stücke, (Sjölin 1970-1975, Buma/Ebel 1972)
Fs Codex Furmerius (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 1183), Papiersammelhandschrift des Bernardus Furmerius von etwa 1600 aus verschiedenen Quellen des Gebiets zwischen Fli/Vlie und Ems in Kenntnis des Alten Drucks, enthält neben vielen kleineren Stücken die Hunsingoer Küren von 1252, Haet is riocht?/Was ist Recht? und die Upstalbomer Willküren von 1323, (Gerbenzon u. a. 1963)
H1 Erste Hunsingoer Handschrift (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 2), Pergamenthandschrift des frühen 14. Jahrhunderts; enthält 17 Küren, Wenden zur 17. Küre, 24 (26!) Landrechte, Allgemeine Bußtaxen, kleinere Stücke, Prolog zu Küren und Landrechten, 17 Küren, 24 (25!) Landrechte, Wenden zur 16. Küre, Überküren, Allgemeine Bußtaxen, kleinere Stücke, Hunsingoer Küren von 1252, ostlauwerssch?, (Hoekstra 1950, Buma/Ebel 1969)
H2 Zweite Hunsingoer Handschrift (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 3), Pergamenthandschrift des frühen 14. Jahrhunderts, enthält in etwas anderer Reihenfolge dieselben Texte wie die erste Hunsingoer Handschrift, (Hoekstra 1950, Buma/Ebel 1969)
J Jus Municipale Frisionum (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 5), Papierhandschrift von etwa 1530, vielleicht in Kloster Thabor bei Sneek geschrieben, möglicherweise auf Grund einer Vorlage von 1464, mit 44 meist auch im Alten Druck enthaltenen Texten, am Ende in Mittelniederländisch das Stadtrecht von Sneek von 1456, (Buma/Ebel/Tragter-Schubert 1977)
P Codex Parisiensis (Paris, Nationalbibliothek MS. néerlandais 45), aus vier später zusammengebundenen Teilen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts zusammengesetzt, im vierten Teil der Alte Druck, handschriftliche Ergänzungen verschiedener Schreiber (westlauwerssch, 1495-1508) am Ende, (Gerbenzon 1954)
R1 Erste Rüstringer Handschrift (Oldenburg, Niedersächsisches Staatsarchiv 24, 1, Ab. 1), Pergamenthandschrift von etwa 1300, Fassung des Asegabuchs aus verschiedenen Quellen, geistlich geprägt, enthält Prolog zu Küren und Landrechten, 17 Küren, 24 Landrechte, Allgemeine Bußtaxen, Wenden zur 17. Küre, kleinere Stücke, (Buma 1961, Buma/Ebel 1963)
R2 Zweite Rüstringer Handschrift (Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek XXII, 1431), Abschrift des späten 18. Jahrhunderts einer verlorenen Handschrift von 1327, enthält Ergänzungen zum Asegabuch, (Buma 1954, Buma/Ebel 1963, 122ff.)
Ro Codex Roorda (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. R 6), nach Karel van Riorda (gestorben 1670) benannte Handschrift von etwa 1495 auf der Grundlage einer Quelle von 1480/1481, enthält Haet is riocht?/Was ist Recht?, älteres Schulzenrecht, Jurisprudentia Frisica, Upstalbomer Willküren und kleinere Stücke, (moderne Ausgabe fehlt)
U Codex Unia (Oxford, Bodleian Library MS. Junius 49, Oxford, Bodleian Library MS. Junius 109 (Kollationen), Leeuwarden, Reichsarchiv von Friesland Schwartzenberg 3945a (Kollationen)), Auszüge des Junius von etwa 1650 aus einer verlorenen Handschrift von 1475-1477, enthält kleinere Stücke und Ergänzungen, (moderne Ausgabe vorbereitet von Boutkan Dirk)
Besonders wichtig innerhalb der (17) altfriesischen Handschriften sind 21 Texte.
Siebzehn Küren und 24 Landrechte (angeblich von Karl dem Großen herrührend, 9.-12. Jh. bzw. 11. Jh. und 13. Jh., ursprünglich westlauwerssch, um 1225 ostlauwerssch, (R1, E1, F, H1, H2, J, U, D)
Älteres Schulzenrecht (Skeltanariucht), westlauwerssch (Westergo), (11. Jh. bzw. 1100-1250?), (U, J, Dr, Ro)
Allgemeine Bußtaxen (11. Jh.?), ostlauwerssch (am besten in F), (R1, E1, F, H1, H2)
Westlauwerssches Sendrecht (11. Jh.? bzw. 9.-11. Jh.), westlauwerssch (Diözese Utrecht), (J, U, D, F, Fs)
Magnussage und Magnusküren (Mitte 13. Jh. auf älterer Grundlage) (7 Küren, 17 Küren, 24 Landrechte, 36 Sendrechte angeblich von Karl dem Großen und Papst Leo), (J, U, D, F)
Überküren (Urkeran) (spätes 12./frühes 13. Jh.?), ostlauwerssch, (E1, F, H1, H2)
Wenden (Einreden, exceptiones) zur 17. Küre (11./12. Jh. bzw. spätes 11. Jh.), (R1, E1, F, H1, H2, J, U, D)
Wenden (Einreden, exceptiones) zur 16. Küre (12. Jh.), ostlauwerssch, (E1, F, H1, H2)
Acht >>Dome<< (12. Jh.? bzw. 12./13. Jh.), (J, U, D, F)
Jüngeres Schulzenrecht (Skeltanariucht) (12. Jh.? bzw. 13. Jh.), westlauwerssch, (J, U, D)
Rudolfsbuch (1. H. 13. Jh.? bzw. 1230?), geistlich geprägt, unterschiedliche Quellen, (J, U, D, Fs, F, A, Ro)
Reimchronik Fon Alra Fresena Fridome (13. Jh.), (H1, H2) (Richthofen, Karl. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, 351-357
Prolog zu Küren und Landrechten (kurz vor 1250?), (R1 2mal, E1, H1, H2, F, J, U, D)
Hunsingoer Küren (1252), ältester datierter, einer Landschaft zugeordneter Text, (H1, H2, F, Fs)
Brokmerbrief (Brokmonna Bref) (1250/nach 1276-um 1300), Brokmerland, (B1, B2)
Emsinger Pfennigschuldbuch (1300 bzw. 13. /14. Jh.), (E2, E3)
Was ist Recht?/Haet is riocht? (12./14. Jh. bzw. 13./14. Jh.), geistlich geprägt (Summa Coloniensis von 1169), (D, Fs, A)
Upstalbomer Willküren (1323), westlauwerssch, römischrechtliche und kirchenrechtliche Teile, (Fs, Ro, D, U)
Processus iudicii bzw. Foerdgunghe des riuchtis (14. Jh. bzw. spätes 14. Jh.), Übersetzung der Summa antequam des 13. Jh.s, (A 2mal, U, Ro)
Autentica-Recht (Thet Autentica Riocht) (1400), moral-theologischer Traktat, (U, A, Ro)
Excerpta Legum (15. Jh.), kanonistisch, systematische Fassung Jurisprudentia Frisica von etwa 1480 (A, P, Ro)
Daneben sind in den 17 Handschriften einzelne religiöse Texte überliefert, einzelne Chroniken (z. B. Gesta Fresonum, Hoe dae Fresen toe fridom koemen, Hoe dae Friesen Roem wonnen), Eide, Bußtaxen westlich der Lauwers, Klerikerstatuten (Wymbritseradeel 1404) sowie außerhalb der 17 Handschriften Psalmglossen zu Psalm 17,27-28 (11./12. Jh. bzw. 1200 Überlieferung, Groningen, Universitätsbibliothek Hs. 404), Baseler Traureden (Bernard von Roordahuizum Hildesheim 1445, Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität F VII 12 f. 147-148), Thet Freske Riim (kurz vor 1490) und mittelniederländische Übersetzung (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. 1443/Hs. Gabbema 9056 D), kleinere Chroniken (Leeuwarden, Provinzialbibliothek von Friesland Hs. 362), Vriessche Aenteyckeninge (Leeuwarden, Reichsarchiv Friesland Archiv Schwartzenberg 3992), Summa agrorum in Slochtra, Siebtes Landrecht. Schließlich sind Schriftstücke von Sneek (1490-1517) und rund (1300 Stücke bzw.) 1100 ganz überwiegend westlauwerssche Urkunden der Jahre (1329 bzw.) 1370-1547 bzw. 1573 überliefert (schätzungsweise 40 Prozent der altfriesischen Überlieferung, davon 800 Originale) sowie Akten und mittelniederländische Übersetzungen altfriesischer Rechtstexte überliefert.
Die wichtigsten altfriesischen Texte und die entsprechenden Handschriften, die ‑ mit Ausnahme des Brokmerbriefes ‑ im Gegensatz zu ihrer Benennung keine geographische Zuordnung ihrer Texte sichern, sind in jeweils ungefährer chronologischer Ordnung folgende:
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n. 1276 |
1300 |
1345 |
*1327 |
(14.Jh.?) ?) Jh.?) |
(14. Jh.) |
(1400) |
(1450) |
(1450) |
(n. 1448) |
(*1464) |
(*1477) |
(1480) |
(1485) |
(1500) |
(1500) |
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(Asegabuch) |
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(Kopie 18. Jh.) |
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(Ms. Scaliger) |
(Ius Amasanum) |
(Codex Emmen) |
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(Kopie 15301550) |
(Kopie 17. Jh.) |
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(Kopien um 1600) |
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1. Brokmer Hs. |
1. Rüstringer Hs. |
2. Brokmer Hs. |
2. Rüstringer Hs. |
1. Hunsingoer Hs. |
2. Hunsingoer Hs. |
1. Emsinger Hs. |
Fivelgoer Hs. |
3. Emsinger Hs. |
2. Emsinger Hs. |
Ius municipale Frisionum |
Codex Unia |
codex Roordaa |
Alter Druck |
Codex Aysma |
Codex Parisiensis |
Codex Furmerius |
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= |
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B 1 |
R 1 |
B 2 |
R 2 |
H 1 |
H 2 |
E 1 |
F |
E 3 |
E 2 |
I |
U |
Ro |
D |
A |
P |
Fs |
17 Küren (11.Jh.), 24 Landrechte (E.13.Jh.) |
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Älteres Schulzenrecht (11. Jh.?) |
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x |
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Allgemeine Bußtaxen (11. Jh.?) |
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Westerlauwerssches Sendrecht (11. Jh.?) |
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x |
Magnussage und Magnusküren (13. Jh.) |
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Überküren (E. 12./A. 13. Jh.) |
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Wenden zur 17. Küre (11./12. Jh.?) |
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Wenden zur 16. Küre (12. Jh.?) |
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Acht »Dome« (12. Jh.?, 13. Jh.?) |
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x |
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Jüngeres Schulzenr. (12. Jh.?, 13. Jh.?) |
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x |
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Rudolfsbuch (13. Jh., 1230?, kanonist.) |
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x |
Reimchronik (13. Jh.) |
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Prolog zu Küren und Landrechten (1250) |
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Hunsingoer Küren (1252) |
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Brokmerbrief (1250/1276-1345) |
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Emsinger Pfennigschuldbuch (1300) |
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Was ist Recht? (12./14. Jh., kanonist.) |
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Upstalbomer Willküren (1323) |
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Processus iudicii (14. Jh., kanonist.) |
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x |
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Autentica-Recht (1400, kanonist.) |
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x |
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Excerpta Legum (15. Jh., kanonist.) |
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Baseler Traureden (1445) |
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Thet Freske Riim (v. 1490) |
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Schriftstücke vom Sneek (1490-1517) |
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Ca. 1300 Urkunden (1370-1547) |
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Altostfries. Psalmenübersetzung (1200?) |
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x = (+) |
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Innerhalb des Altfriesischen wird vielfach zwischen altwestfriesisch und altostfriesisch unterschieden. Als altostfriesisch bezeichnet man die Sprache der ältesten altfriesischen Handschriften, die man im ostlauwersschen/osterlauwersschen Friesland lokalisieren zu können meint. Im Gegensatz hierzu heißt die Sprache der jüngeren Handschriften, die, da das Friesische östlich der Lauwers im Laufe des 15. Jahrhunderts verdrängt wird, aus dem Gebiet westlich der Lauwers (westlauwerssch/westerlauwerssch) stammen, altwestfriesisch. Möglicherweise beruhen die vielen Unterschiede zwischen beiden Handschriftengruppen aber eher auf zeitlichen als auf örtlichen Verschiedenheiten. Zu der älteren (östlichen?) Gruppe gehören dabei die Brokmer, Hunsingoer, Rüstringer, Emsinger und Fivelgoer Handschriften und gewisse Texte des Codex Unia. Die zwischen beiden Gruppen zu Tage tretenden Unterschiede (z. B. land, lond, bei Holthausen vereinigt zu lånd) bewirken, dass ein einheitliches Altfriesisch in gewissem Umfang eine konstruierte Abstraktion darstellt.
Am nächsten verwandt ist das Altfriesische mit dem Altsächsischen und dem Altenglischen. Von beiden unterscheidet es sich aber vor allem durch die Brechung von germ. i zu iu (z. B. riucht »Recht«), durch die Vereinfachung von rr nach kurzem Vokal zu r und langem Vokal (z. B. stÐra »Stern«) und durch die Endung ‑ar im Nom. Akk. Pl. der maskulinen a (= e/o)-Stämme (z. B. degar »Tage«). Innerhalb des »Germanischen« gehört es mit dem Altsächsischen, Altenglischen, Altniederfränkischen und Althochdeutschen zum »Westgermanischen«, das dem Ostgermanischen und Nordgermanischen gegenübergestellt wird.
Nach dem Mittelalter verschwindet das Friesische (um 1550) aus dem schriftlichen Gebrauch. Erst im 17. Jahrhundert erfolgt eine Neubeginn (Mittelfriesisch bzw. Neufriesisch). In ihm ist die friesische Rechtschreibung stark geändert (Gysbert Japicx 1603-1666, Johannes Hilarides 1649-1725, Rasmus Rask 1787-1832, Montanus de Haan Hettema 1796-1873, Harmen Sytstra 1817-1862, Joast Halbertsma, 1879 Selskip foar Fryske Tall en Skriftekennisse).
B. Akzent
Der Wortakzent liegt als Folge der Festlegung im Germanischen auf der ersten Silbe. Entscheidend ist dabei grundsätzlich der Wortstamm bzw. die Wurzel, während Präfixe nur ausnahmsweise berücksichtigt werden. Die Festlegung des Akzents auf der ersten Silbe hat mehrfach Auswirkungen auf die Laute der Folgesilben.
C. Vokale
I. Kurze Vokale
a afries. ekker Acker (germ. *akraz Acker)
a afries. achta acht (germ. *ahtau acht)
a afries. feder Vater (germ. *fader Vater)
Germanisch a bleibt erhalten vor r, l, h und Konsonant, sofern nicht ein i‑Umlaut eingetreten ist (z. B. swart schwarz, hals Hals, achta acht), durch vorhergehendes w in offener Silbe, sofern nicht ein i‑Umlaut eingetreten ist oder ein folgender Nasal, Verdunkelung zu o bewirkt hat (z. B. fara fahren). Germanisch a wird ‑ »altostfriesisch« ‑ zu o, (a) vor Nasalen ohne folgenden Spiranten, wenn nicht ein i‑Umlaut eingetreten ist (z. B. mon, (mån) Mann), zu ô vor n und Spirans (z. B. æther andere), zu e durch i, j der Folgesilbe (z. B. here Heer) sowie im übrigen in geschlossener Silbe (z. B. germ. *bladam Blatt, afries. bled Blatt) außer vor Nasalen und l, ch und Konsonant. Vgl. weiter germ. *naht(i) (Nacht), afries. nacht germ. *fallan (fallen) afries. falla.
e afries. helpa helfen (germ. *helpan helfen)
Germanisch e bleibt grundsätzlich erhalten. E tritt aber neu auf für a und u (z. B. germ. *bladam Blatt, afries. bled Blatt, germ. *satjan setzen, afries. setta setzen, germ. *kussjan küssen, afries. kessa küssen, germ. *fu(nh)sti Faust, afries. fest Faust).
i afries. fisk Fisch (germ. *fiskaz Fisch)
Germanisch i bleibt vielfach erhalten. Es kann aber mit e wechseln (z. B. frist, ferst Frist). Durch w, u der Folgesilbe wird es zu iu umgelautet (z. B. siunga singen), vor ht, hs zu iu gebrochen (z. B. riucht Recht), vor Nasal und Spiranten gedehnt. Neu erscheint i für e (germ. *etan essen, afries. ita essen).
Altfriesisch o erscheint für germanisch u (germ. *hultam Holz, afries. holt Holz) ‑ sowie im Altostfriesischen für germanisch a und Nasal (afries mon, man (mån) Mann) .
u afries. sunu Sohn (germ. *sunuz Sohn)
Germanisch u bleibt in der Regel erhalten. Vor a, e, o der folgenden Silbe erscheint o. Vor Nasal und Spiranten wird u zu ð (z. B. mðth Mund). Durch i, j der Folgesilbe wird u zu e ungelautet (z. B. germ. *slutilaz Schlüssel, afries. sletel Schlüssel).
Kurze Vokale werden vor mb, nd gedehnt.
II. Lange Vokale
Altfriesisch õ entspricht germanisch ai, au und in einzelnen Fällen a.
õ afries. âga haben (germ. aigan haben)
afries. âge Auge (germ. augæ Auge)
afries. õ Wasser (germ. ahwæ Wasser)
afries. siõ sehen (germ. sehwan sehen)
Ð afries. dÐd Tat (germ. *dÐdiz Tat)
Vor kürzenden Konsonantenverbindungen wird Ð gekürzt, vor Nasalen zu æ umgebildet (z. B. mæna Mond, germ. *mÐnan Mond). Umgekehrt erscheint Ð für æ (germ. *bætjan bessern, afries. bÐta büßen, bessern), ð (germ. *bðljæn Beule, afries. bÐle Beule) und einige andere Fälle (germ. *sterran Stern, afries. stÐra Stern, germ. *braida breit, afries. brêd breit, germ. *daupjan tauchen, afries. depa taufen).
e2 afries. hÐr, hÆr hier (germ. *her hier)
E2 ist teils Ð. teils Æ.
Æ afries. mÆn mein (germ. *mÆnaz mein)
æ afries. bræther Bruder (germ. *bræthar Bruder)
Germanisch æ ist grundsätzlich bewahrt. Vor kürzenden Doppelkonsonanten wird es zu o gekürzt, durch i, j in der Folgesilbe zu Ð umgelautet (z. B. afries. grÐta grüßen), vor dunklem Vokal (a) und in einigen Fällen im Auslaut zu ð umgebildet (z. B. afries. kð Kuh). Neu erscheint æ für an(th) (z. B. germ. tanthuz Zahn, afries. tæth Zahn) und õ(n).
ð afries. hðs Haus (germ. *hðsam Haus)
Vor kürzenden Konsonantenverbindungen wird ð zu u gekürzt,durch i, j der Folgesilbe zu Ð, evtl. e. umgelautet (z. B. hÐre Heuer). Neu erscheint ð für un(th)‑, ug‑, urb‑.
Lange Vokale werden vor Konsonantengruppen gekürzt.
III. Diphthonge
ai afries. gõd Mangel (germ. *gaidwa Mangel)
Germanisch ai erscheint als õ in offener Silbe bei dunklem Vokal oder w in der Folgesilbe, als Ð in geschlossener Silbe vor einfachem Konsonant sowie vor i, j der Folgesilbe (z. B. stÐn Stein, germ. *stainaz Stein).
au afries. õka mehren (germ. *aukan mehren)
Germanisch au erscheint als õ, durch i‑Umlaut wird au zu Ð (z. B. hÐra hören), durch kürzende Konsonantenverbindungen zu a, durch w zu auw, ouw.
eu afries. thiõd Volk (germ. *theudæ Volk)
afries. diðpa tief (germ. *deupaz tief)
Afries. ia tritt bei a, e, o der Folgesilbe, afries. iu vor i, j und w auf.
Afries. ei erscheint für germ. ‑ag, ‑eg, ‑ugi, ‑aig, ‑aug, ‑awi.
IV. Die indogermanischen silbischen Liquide und Nasale werden im Altfriesischen vom Germanischen als Verbindung zwischen Vokal und Konsonant übernommen.
V. Die vollen Endsilbenvokale des Germanischen sind im Altfriesischen im allgemeinen geschwunden oder zu e geschwächt (z. B. afries. horn Horn, germ. *hurnam Horn, afries. here Heer, germ. *harjaz Heer).
Mittelvokale ohne Nebenton sind geschwunden.
VI. Ablaut
Das Altfriesische übernimmt aus dem Germanischen und Indogermanischen den Ablaut. Am deutlichsten sichtbar ist er bei den starken Verben mit den (vier) Stammformen für (1.) Infinitiv und Präsens, (2.) für Singular Indikativ Präteritum, (3.) für Plural Indikativ Präteritum und (4.) für das Partizip Praeteriti.
D. Konsonanten
Das Altfriesische übernimmt die germanischen Konsonanten.
I. Indogermanische stimmlose Verschlusslaute (Tenues) ‑ germanische stimmlose Reibelaute
f afries. feder Vater (germ *fader Vater)
Außerdem erscheint f für germ. b im Auslaut und vor stimmlosen Konsonanten (z. B. wÆf Weib) sowie für romanisch v im Anlaut und Silbenauslaut. In stimmhafter Umgebung wird germanisch f zu v. f steht am Wortanfang, am Wortende und am Silbenausgang vor einem Konsonanten.
th afries. thrÐ, thrÆ drei (germ. *threjiz, threiz drei)
lth wird zu ld (z. B. afries. gold Gold, germ. *gultham Gold).
h afries. hõch hoch (germ. *hauhaz hoch)
In Einzelfällen ist anlautendes h geschwunden, vor allem in den Verbindungen hw, hr, hl, hn. Im Inlaut schwindet h zwischen Vokalen (afries. sia sehen). H und s werden ‑ wie auch k und s ‑ zu x (z. B. afries. sex sechs). Im Auslaut, geminiert und vor t wird h zu ch (z. B. afries. thiach Oberschenkel).
II. Indogermanische stimmhafte behauchte Verschlusslaute (Mediae aspiratae) ‑ germanische stimmhafte Reibelaute
b afries. bera tragen (germ. *heran tragen)
Inlautend wird b zu v (z. B. afries. ieva geben), v erscheint auch für f in stimmhafter Umgebung.
d afries. dore Tür (germ. *dura Tür)
In der Umgebung stimmloser Laute wird d zu t. Umgekehrt erscheint nach l d für germanisch th und treten ds, dz für g vor i, Æ und j auf.
g afries. greta grüßen (germ. *grotian grüßen)
Vor i, Æ, j wird g zu ds, dz (z. B. afries. lidza liegen). b und g werden im Auslaut verhärtet (z. B. afries. lif Leben). g wird im Anlaut zu j (z. B. afries. jest Gast), wird wie k assibiliert und kann vokalisiert werden (z. B. afries. dei Tag).
III. Indogermanische stimmhafte Verschlusslaute ‑ germanische stimmlose Verschlusslaute
p afries. helpa helfen (germ. *helpan helfen)
t afries. trÐ Baum (germ. *t(e)rewa Baum)
t erscheint auch für anlautendes stimmloses th.
k afries. kald kalt (germ. *kaldaz kalt)
In den Lautverbindungen kkw, nkw, ngw ist das w aufgegeben. Die Verbindung ks wird ‑ wie hs ‑ als x geschrieben. In verschiedenen Verbindungen wird k zu ts oder z assibiliert (z. B. afries. tserl, zerl Kerl, germ. *keralaz Mann, afries. tsiurke, ziurke Kirche). Vor t wird k zu ch.
IV. S
s afries. sunu Sohn (germ. *sunuz Sohn)
s erscheint außer für germanisch s auch für z, dz, tz. ks und hs werden als x geschrieben. In stimmhafter Nachbarschaft wird das stimmlose s zu stimmhaftem z bzw. r.
V. Indogermanische Sonorlaute (Nasale und Liquide)
m afries. goma Mann (germ. *gumæn Mann)
m kann neu für n, nw, b auftreten.
n afries. ni(e) neu (germ. *neujaz neu)
Vor Spiranten (f, th, s) ist m, n unter Dehnung des vorausgehenden Vokales ausgefallen. Auslautendes n ist in nebentoniger Silbe nach a, e, i geschwunden.
r afries. rõd rot (germ. *raudaz rot)
r erscheint auch für germanisch z. Auslautendes r (germ. z) ist oft geschwunden. Außerdem findet sich r statt germanisch d vor n und l.
l afries. ledza legen (germ. *lagjan legen)
l kann neu für n auftreten.
VI. Halbvokale j und w
Der germanische Halbvokal w erscheint als w, uu, uw, v und u. Inlautendes w nach Konsonanten ist ausgefallen.
Germanisch j ist im Anlaut erhalten, im Inlaut nach Konsonanten geschwunden. Neu erscheint j für g vor e und i.
afries. word Wort (germ. *wurdam Wort)
afries. nare Haft (germ. *narwa eng)
afries. jung jung (germ. *jungaz jung)
afries. here Heer (germ. *harjaz Heer)
VII. Grammatischer Wechsel
Die stimmlosen Spiranten sind in stimmhafter Nachbarschaft folgendermaßen stimmhaft. (Der grammatische Wechsel wird aber durch Analogiebildung vielfach ausgeglichen.)
f ‑ v (afries. *heffa hæf hæuen)
th - d (afries. wertha warth wurdon)
s ‑ r (afries. kiasa kõs keron)
h ‑ g (afries. slõ slæch slægon)
VIII. Übersichten
Germanisch |
Altfriesisch |
Altfriesisch |
Germanisch |
|
|
|
|
a |
a, (o), e, õ |
a |
a, (au) |
|
|
õ |
ai, au, (a) |
ai |
õ, Ð |
|
|
an |
æ |
|
|
au |
õ, Ð, (a) |
|
|
b |
b, f, v |
|
|
|
|
ch |
h, g, (k) |
d |
d, (t) |
d |
d, (th) |
|
|
ds, dz |
g |
e |
e, i, Ð |
e |
e, a, i, u, (Ð), (ð) |
Ð |
Ð, (e), æ), Æ |
Ð |
Ð, (e), æ, ð, ai, au |
|
|
ei |
ag, eg, ugi, aig, aug, awi |
eu |
ia, iu |
|
|
f |
f, v |
f |
f, b, (v) |
g |
g, i, j, ds, dz, ch |
g |
g, (v) |
h |
h, ch |
h |
h |
(hl, hn, hr, hw |
l, n, r, w |
|
|
hs |
x |
|
|
i |
i, e, iu, Æ |
i |
i, e, g |
Æ |
Æ |
Æ |
Æ, (i), Ð |
|
|
ia |
eu |
|
|
iu |
i, eu |
j |
j |
j |
j, g |
k |
k, (ts), z, (ch) |
k |
k |
ks |
x |
|
|
kw |
(q=kw) |
(kw=g) |
kw |
l |
l |
l |
l, (hl) |
m |
m |
m |
m |
n |
n |
n |
(hn) |
æ |
æ, Ð, o, ð |
æ |
æ, (o), Ð, õn, an |
p |
p |
p |
p |
|
|
(q=kw) |
kw |
r |
r |
r |
r, (z), (hr) |
s |
s |
s |
s, (z) |
t |
t |
t |
t, th, (d) |
th |
th, (d), (t) |
th |
th |
|
|
ts |
(k) |
u |
u, e, o, ð |
u |
u, w |
ð |
ð, Ð, u, (e) |
ð |
ð, (u), æ |
|
|
v |
f, b, w |
w |
w, v, u |
w |
w, (hw) |
|
|
x |
hs, ks |
z |
®, (s) |
z |
(k) |
E. Substantiv
Das Altfriesische besitzt wie das Germanische beim Substantiv ‑ wie beim Adjektiv und Pronomen ‑ die drei Genera Maskulinum, Femininum und Neutrum. Es kennt die Numeri Singular und Plural und Dual und die Kasus Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ. Es unterscheidet starke und schwache Deklination.
I. a‑Stämme (männlich z. B. dei Tag, sächlich z. B. word Wort)
Sg. N. M. (‑), -e dei, dÆ (germ. dagaz) word
Sg. G. M (‑es) deis, dÆs (germ. dagez(o)) - wordes
Sg. D. M. (‑e) dei, dÆ (germ dagai) worde
Sg. A. M. -e dei, dÆ (germ dagam) word
Pl. N. M. (‑ar) degar (germ. dagoz) word
Pl. G. M. (‑a, ‑ana) degana (germ. dagen) worda
Pl. D. M. (‑um) degum (germ. dagamiz) wordum
Pl. A. M. (‑ar) degar (germ. daganz) word
Die ja‑Stämme (männlich, sächlich) weisen grundsätzlich dieselben Formen auf, erhalten aber teilweise das j als ‑e, ‑i im Nominativ und Akkusativ Singular noch (z. B. afries. here Heer).
II. æ‑Stämme (weiblich z. B. ieve Gabe)
Sg. N. F. (‑e) ieve (germ. gebo)
Sg. G. F. (‑e) ieve (germ. geboz)
Sg. D. F. (‑e) ieve (germ. gebai, gebo)
Sg. A. F. (‑e) ieve (germ. gebom)
Pl. N. F. (‑a) ieva (germ. geboz)
Pl. G. F. (‑a) ieva (germ. gebo(no))
Pl. D. F. (‑um) ievum (germ. gebomiz)
Pl. A. F. (‑a) ieva (germ. geboz)
Die jæ‑Stämme weisen grundsätzlich dieselben Formen auf (z. B. afries. helle Hölle). Die wæ‑Stämme haben das ‑w nur sehr selten bewahrt. Wie æ‑Stämme werden die femininen Abstrakta auf Æ dekliniert (z. B. afries. dÐpe Taufe).
III. i‑Stämme (männlich z. B. jest Gast, bite Biss, weiblich z. B. dÐd Tat, gelegentlich sächlich).
Sg. N. M. (‑e) bite (germ. gastiz) F. dÐd(e)
Sg. G. M. (‑es) bites (germ. gastiso) dÐde
Sg. D. M. (‑e) bite (germ. gastai) dÐde
Sg. A. M. (‑e) bite (germ. gastin) dÐd(e)
Pl. N. M. (‑e) bite (germ. gastijiz) F. dÐda
Pl. G. M. (‑a) bita (germ. gastion?) dÐda
Pl. D. M. (‑um) bitum (germ. gastimiz) dÐdum
Pl. A. M. (‑e) bite (germ. gastinz) dÐda
Die Maskulina sind von den a‑Stämmen, die Feminina von den æ‑Stämmen beeinflusst.
IV. u‑Stämme (männlich z.B. afries. sunuz Sohn, weiblich, sächlich).
Sg. N. M. (‑u) sunu(‑o,‑a,‑e) (germ. sunuz)
Sg. G. M. (‑a) suna (germ. sunauz)
Sg. D. M. (‑a) suna (germ. sunawi)
Sg. A. M. (‑u) sunu (germ. sunun)
Pl. N. M. (‑ar, a) sunar (germ. suniwez)
Pl. G. M. (‑a) suna (germ. suniwe‑)
Pl. D. M. (‑um) sunum (germ. sunumiz)
Pl. A. M. (‑ar) sunar (germ. sununz)
Die Feminina sind durch die æ‑Stämme beeinflusst.
Konsonantische Stämme
V. n‑Stämme (männlich z. B. afries. goma Mann, weiblich [kaum von der starken Deklination sicher abzutrennen] z. B. afries. tunge Zunge, sächlich [nur] afries. õge Auge, afries. õre Ohr).
Sg. N. M. (‑a) goma (germ. guman) N. õge
Sg. N. M. (‑a) goma (germ. guminez) õga
Sg. D. M. (‑a) goma (germ. gumini) õga
Sg. A. M. (‑a) goma (germ. gumanun) õge
Pl. N. M. (‑a) goma (germ. gumanez) õgon, ‑en
Pl. G. M. (‑ena) gomena (germ. gumanan) õgena
Pl. D. M. (‑um) gomum (germ. gumanmiz) õgum
Pl. A. M. (‑a) goma (germ. gumanunz) õgon
Sg. N. F. (‑e) tunge (germ. tungo)
Sg. G. F. (‑a) tunga (germ. tungonez)
Sg. D. F. (‑a) tunga (germ. tungoni)
Sg. A. F. (‑a) tunga (germ. tungonon)
Pl. N. F. (‑a) tunga (germ. tungonez)
Pl. G. F. (‑ena) tungena (germ. tungonon)
Pl. D. F. (‑um) tungum (germ. tungonmiz)
Pl. A. F. (‑a) tunga (germ. tungonunz?)
VI. r‑Stämme (z. B. afries. bræther)
Sg. N. bræther (germ. brothar)
Sg. G. bræther (‑is) (germ. brothriz)
Sg. D. bræther (‑e) (germ. brothri)
Sg. A. bræther (germ. brotharun)
Pl. N. bræther (‑a)
Pl. G. bræthera
Pl. D. brætherum (‑on)
Pl. A. bræther (‑a)
VII. nd‑Stämme (z. B. afries. friond Freund)
Sg. N. friond (germ. frijonds)
Sg. G. friondes (germ. ? )
Sg. D. frionde (germ. frijondi)
Sg. A. friond (germ. frijondun)
Pl. N. friond
Pl. G. frionda
Pl. D. friondum
Pl. A. friond
VII. s‑Stämme sind nur fragmentarisch erhalten (z. B. afries. hrither Rind).
F. Pronomen
I. Personalpronomen
1. Pers. Sg. N. ik (germ. *ek, *ik)
1. Pers. Sg. G. *mÆn
1. Pers. Sg. D. mÆ (germ. *mez)
1. Pers. Sg. A. mÆ (germ. *mek)
1. Pers. D. N. *wit (germ. *wit)
1. Pers. D. G. *unker
1. Pers. D. D. *unk (germ. *unk)
1. Pers. D. A. *unk (germ. *unk)
1. Pers. Pl. N. wÆ (germ. *wejiz,wiz)
1. Pers. Pl. G. ðser
1. Pers. Pl. D. ðs (germ. *uns)
1. Pers. Pl. A. ðs (germ. *uns)
2. Pers. Sg. N. thð (germ. *thu)
2. Pers. Sg. G. thÆn
2. Pers. Sg. D. thÆ (germ. *thez)
2. Pers. Sg. A. thÆ (germ. *thek)
2. Pers. D. N. *iit (germ. *jut)
2. Pers. D. G. *iunker
2. Pers. D. D. *ink (germ. *ink)
2. Pers. D. A. *ink (germ. *ink)
2. Pers. Pl. N. i, ji (germ. *iuz)
2. Pers. Pl. G. jðwer
2. Pers. Pl. D. jð, jo (germ. *uiz)
2. Pers. Pl. A. jð, jo (germ. *uiz)
3. Pers. Sg. N. hÆ (germ. *hez, hiz) F. hið, hio N. hit, het
3. Pers. Sg. G. (sÆn) hire (sin)
3. Pers. Sg. D. him hire him
3. Pers. Sg. A. hine hia hit, het
3. Pers. Pl. N. hiõ hiõ hiõ
3. Pers. Pl. G. hira, hiõra hira hira
3. Pers. Pl. D. him him him
3. Pers. Pl. A. hiõ hiõ hiõ
II. Reflexivpronomen Als Reflexivpronomen wird das geschlechtliche Pronomen gebraucht.
III. Possessivpronomen
1. Pers. Sg. N. mÆn (germ. *mÆnaz)
2. Pers. Sg. N. thÆn (germ. *thÆnaz)
3. Pers. Sg. N. sÆn (germ. *sÆnaz)
1. Pers. Sg. N. ðser (germ. *unsera)
2. Pers. Pl. N. iuwer (germ. *izwera)
IV. Demonstrativpronomen und Artikel
1. thi der
Sg. N. M. thi, di der F. thiu, dio die N. thet das
Sg. G. M. thes, des thÐra, thÐr thes, des
Sg. D. M. thõm, thõ thÐre, thÐr thõm, thõ
Sg. A. M. thene thõ, dõ thÐt
Pl. N. M. thõ, dõ thõ, dõ thõ, dõ
Pl. G. M. thÐra, dÐra thÐra, dÐra thÐra, dÐra
Pl. D. M. thõm, dõm thõm, dõm thõm, dõm
Pl. A. M. thõ, dõ thõ, dõ thõ, dõ
2. thisse dieser
Sg. N. M. thisse, this dieser F. thius, dius diese N. thit dieses
Sg. G. M. thisses F. thisser N. thisses
Sg. D. M. thissem F. thisser, disse N. thissem
Sg. A. M. thissen F. thisse, disse N. thit
Pl. N. M. thisse, disse F. thisse N. thisse
Pl. G. M. thisser, desser F. thisser N. thisser
Pl. D. M. thissem, dissem F. thissem N. thissem
Pl. A. M. thisse, disse F. thisse N. thisse
V. Relativpronomen Als Relativpronomen werden das Demonstrativpronomen thi »der« und die Relativpartikel ther, der und the verwandt.
VI. Interrogativpronomen
1. hwõ wer
N. M. hwõ wer F. hwõ wer N. hwet was
G. M. hwammes, hwams F. hwammes, hwams N. hwes
D. M. hwõm F. hwõm
A. M. hwane, hwene F. hwane, hwene N. hwet
2. hwelik welcher u. a.
hwelik welcher
hweder, hwoder wer von beiden
nõ‑hweder keiner von beiden
sullik, sulk solch
hwer wo
VII. Indefinitpronomen
elk jeder
ammon jemand
nammon niemand
iahwedar jeder
æther andere
all all
sum ein
VIII. Pronominaladjektive
self selbst
S. im übrigen die verschiedenen Pronomina.
G. Adjektiv
Das Altfriesische unterscheidet wie das Germanische starke (unbestimmte) und schwache (bestimmte) Formen des Adjektivs. Die starken Formen des Adjektives entsprechen den Formen der a‑, æ‑Stämme der Substantive, einzelne Formen denen der Pronomina.
I. Starke Formen
Sg. N. M. gæd gut F. gæd N. gæd
Sg. F. M. gædes F. gæder(e) N. gædes
Sg. D. M. gæda F. gæder(e) N. gæde
Sg. A. M. gæden F. gæde N. gæd
Pl. N. M. gæde F. gæde N. gæde
Pl. F. M. gædera F. gædera N. gædera
Pl. D. M. (gædum), gæde F. gæde N. gæde
Pl. A. M. gæde F. gæde N. gæde
II. Schwache Formen
Die schwachen Formen entsprechen den Formen der n‑Stämme der Substantive. Allerdings sind einzelne starke Formen aufgenommen worden (z. B. Genitiv Plural).
III. Steigerung
Das Adjektiv bildet den Komparativ auf ‑ra, ‑era, -ira, -ora, den Superlativ auf -sta, ‑esta, -ista, -osta, -usta. Unregelmäßig gesteigert werden gæd (betera, best), lÆtik, littik (lessera, lessa; lÐrest, lÐst), evel (werra, werst) und grõt (mõra, mõst).
H. Adverb
Adverbien werden meist durch ‑e (germ. ‑æn) gebildet (z. B. afries. riuchte rechtmäßig). Ursprüngliche Adverbien sind beispielsweise:
õ (immer), aldus (so), al(l) (ganz), eft (dann, nachher), forth (fort), hÐr (hier), les (weniger), mõ(r) (mehr), min (weniger), nð (nun, jetzt), than (dann), thana (von da), thanne (dann), ther (da), ðt (heraus).
I. Numerale
I. Grundzahlen
afries. Ðn, (Ðn) ein (germ. *ainaz) (deklinabel, stark)
afries. twen(e), (twer, twina) zwei (germ. *twa(i)) (deklinabel)
afries. thrÐ, (thria, thriu) drei (germ. *threjiz)
afries. fiðwer vier (germ. *fedwær(e)z)
afries. fÆf fünf (germ. *femfi)
afries. sex sechs (germ. *seks)
afries. sigun, soven sieben (germ. *sebun)
afries. achta acht (germ. *ahtau)
afries. nigun, niugun neun (germ. *newun‑)
afries. tiõn zehn (germ. *tehun‑)
afries. andlova, ellova elf (germ. *aina‑libi)
afries. twelef zwölf (germ. *twa‑libi)
Die Zahlen 13 bis 19 werden durch Zusammensetzung mit tÆne, tÐne, gebildet, die Zahlen von 20 ‑ 90 durch Zusammensetzung mit ‑tich, tech. Hundert heißt hundred, hunderd, tausend thðsend.
II. Ordnungszahlen
afries. forma, formest,
ferist, ferost,
Ðrist, Ðrost erste
afries. æther zweite
afries. thredda dritte
afries. fiõrda vierte
afries. fÆfta fünfte
afries. sexta sechste
afries. sigunda siebte
afries. achtunda achte
afries. nigunda neunte
afries. tiõnda zehnte
afries. and‑lofta elfte
afries. twe‑lefta zwölfte
Die Ordnungszahlen 13 bis 19 werden durch Grundzahl und ‑tÆnda gebildet, die Ordnungszahlen der Zehner durch Grundzahl und ‑esta, ‑osta (z. B. afries. fiðwer‑tÆn‑da vierzehnte, twin‑tig‑osta zwanzigste).
K. Präpositionen und Präfixe
Wichtige Präpositionen sind:
a (in, auf, zu, an), an (in, an, auf, zu, gegen, durch), and (an, in, auf), bi (bei, von), bova (oben), efter (nach, hinter), en (in, auf), Ðr (vor), et (zu, bei, an auf), fara (vor), fon (von, durch), fora (vor, für), iÐn (gegen), in (in), nei (nach), of (von, weg), on (auf, an, in), æne (ohne), over (über), sunder (ohne), thruch (durch), ti (zu), to (zu), umbe (um), ðt (aus), with (gegen), wither (gegen).
Die meisten Präpositionen fungieren auch als Präfixe. Weitere Präfixe sind etwa gi‑ (e‑), un‑, ur‑, ðr‑.
L. Konjunktionen
ak (auch, und), aldõr (wenn), alsõ (so), and (und), as (als, wie, wenn), er (bevor, ehe), hæ (wenn), hwande (denn, weil), hwanne (wann), hweder (ob), Æef (wenn), of (wenn, oder), sõ (so), thach (doch), thet (dass, damit).
M. Verb
Das Altfriesische unterscheidet wie das Germanische vor allem zwischen Präsens und Präteritum. An Modi kennt es Indikativ, Optativ und Imperativ, an Numeri Singular und Plural. Pro Numerus finden sich drei Personen. Zum Verb gehören außerdem der Infinitiv Präsens und die Partizipien Präsens und Präteritum.
Innerhalb der Verben ist zwischen starker und schwacher Konjugation zu unterscheiden. Die starken Verben bilden das Präteritum durch Ablaut, die schwachen durch ein dentales Element Außer dem Vokalwechsel sind bei den starken Verben noch Reste von konsonantischen Unterschieden des Präsens‑ und Präteritumstammes erhalten.
I. Starkes Verb
Die starken Verben zerfallen in sechs Klassen und eine siebte reduplizierende Klasse.
1. Klasse: Æ, Ð, i, i
afries. stÆga stÐg stigen stigen steigen
2. Klasse: iõ, õ, e, e bzw. u‑a‑e‑e
afries. biõda bõd beden beden bieten
afries. tiõ tõch tegen tein ziehen
afries. sluta slat sleten sleten schließen
3. Klasse: e, a, u, u, (o) bzw. i, a, u, u
afries. wertha warth wurden worden werden
afries. helpa halp hulpen hulpen helfen
4. Klasse: e, e, e, e bzw. e, a, e, e
afries. bera bar beren bern tragen
afries. (nima) (nam) (namon) (nimen) nehmen
5. Klasse: e, e, e, e
afries. jeva jef jÐven jeven geben
afries. siõ sach segen sÐn sehen
6. Klasse: a, o, o, a
afries. fara fær færen faren fahren
7. Klasse: a, e, e, a bzw. e, e, e, e
afries. halda held helden halden halten
afries. leta let leten leten lassen
Reste alter Reduplikation sind im Altfriesischen nicht vorhanden. Die Mehrzahl der reduplizierenden Verben hat eine Analogiebildung nach den Partizipien Präteritum oder nach den starken Verben erfahren oder ist in die Klasse der schwachen Verben übergetreten. Zu den (ehemals) reduplizierenden Verben werden gerechnet: fõ fangen, huõ hangen, gunga gehen, banna bannen, falla fallen, walla wallen, blõ blasen, miõ mähen, siõ säen, hÐta heißen, lÐta lassen, halda halden, walda walten, slÐpa schlafen, hlõpa laufen, hræpa rufen, rÐda raten, stÐta stoßen, flæka verfluchen, hõwa hauen, õka mehren, wÐpa weinen.
Präsens Indikativ
Sg. 1. Pers. *tia (2) *helpu (3) neme (4) sie (5) *sla (6)) fa (7)
Sg. 2. Pers. tiuchst *hilpist nimmst siuchst slaist fest
Sg. 3. Pers. tiucht *hilpith nimith siucht slait(h) feth
Pl. 1. Pers. tiõt(h) helpath nemat(h) siat(h) slõt(h) fõth
Pl. 2. Pers. tiõt(h) helpath nemat(h) siat(h) slõt(h) fõth
Pl. 3. Pers. tiõt(h) helpath nemat(h) siat(h) slõt(h) fõth
Präsens Optativ
Sg. tÐ helpe neme sie slÐ fÐ
Pl. tÐ helpe(n) neme(n) sie slÐ fÐ
Präsens Imperativ
Sg. 2. tiuch help nium siuch slõ *fõ
Pl. 1. ‑ helpen nehmen - - fõth
Pl. 2. tiõt(h) helpath nemat(h) siat slõth fõth
Infinitiv Präsens
tiõ helpa nema siõ slõ fõ
Partizip Präsens
tiõnd helpand nemand siõnd slõnd fõnd
Präteritum Indikativ
Sg. 1. tõch halp nam sach slæch feng
Sg. 2. tõchst halpst namest sachst slõchst fengst
Sg. 3. tõch halp nam sach slõch feng
Pl. 1. tegen hulpun næmon segen slægen fengen
Pl. 2. tegen hulpun næmon segen slægen fengen
Pl. 3. tegen hulpun næmon segen slægen fengen
Präteritum Optativ
tege hulpe næme sÐge slæge fenge
Partizip Praeteriti
(e)tein (e)hulpen (e)nimen s(i)Ðn (e)slain (e)fangen
II. Schwaches Verb
Von den vier Klassen der germanischen schwachen Verben hat das Altfriesische nur noch zwei. Die vierte Klasse ist aufgegeben. Die Verben der dritten Klasse sind in der ersten und zweiten Klasse aufgegangen. Die erste Klasse ist die sog. jo‑Klasse, bei der aber das j schon vielfach geschwunden ist (z.B. afries. nera nähren, sÐka suchen). Die zweite Klasse (an‑Verben) ist altfriesisch durch ‑ia (*-æja) gekennzeichnet (z. B. afries. klagia klagen, kõpia kaufen).
Präsens Indikativ
Sg. 1. nere (1a) sÐke (1b) klagie (2a) kõpie (2b) hebbe
Sg. 2. ner(e)st sÐk(e)st klagast kõpast *hefst
Sg. 3. ner(e)th sÐkth klagath kõpath heft(h)
Pl. 1. nerath sÐkath klagiath kõpiath hebbat(h)
Pl. 2. nerath sÐkath klagiath kõpiath hebbat(h)
Pl. 3. nerath sÐkath klagiath kõpiath hebbat(h)
Präsens Optativ
Sg. u. Pl. nere sÐke klagie kõpie
Präsens Imperativ
Sg. 2. nere sÐk klaga kõpa
Pl. 1. ‑ ‑ - -
Pl. 2. nerath sÐkath klagiath kõpiath
Präsens Infinitiv
nera sÐka klagia kõpia hebba
Partizip Präsens
nerand sÐkand klagand kõp(i)and hebband
Präteritum Indikativ
Sg. 1. nerede socht(e) klagade kõpade hÐde
Sg. 2. neredest sochtest klagadest kõpadest hÐdest
Sg. 3. nerede socht(e) klagade kõpade hÐde
Pl. 1. neredon sochten klagadon kõpadon hedon
Pl. 2. neredon sochten klagadon kõpadon hedon
Pl. 3. neredon sochten klagadon kõpadon hedon
Präteritum Optativ
ner(e)de sochte klagade kõpade
Partizip Perfekt
ner(e)d socht klagad kõpad hÐved
III. Präteritopräsentia
Die Präteritopräsentia sind Perfektstämme, die nach dem Verlust der ursprünglichen resultativen Zustandsbedeutung präsentiale Bedeutung angenommen haben (z. B. ich habe gesehen = ich weiß, ich bin in Schulden geraten = ich soll). Bei ihnen tritt das Präteritum mit seinem Hochstufenablautvokal an die Stelle des Präsens. Als Präteritum wird nach Art der schwachen Verben eine neue Form geschaffen. Im Altfriesischen sind neun Präteritopräsentia belegt.
wÐt er weiß (wÆta wissen)
õch er hat (õga haben)
dõch(t) er taugt (duga taugen)
kan er kann (kunna können)
thor er darf (thurva dürfen)
dur er wagt (dura wagen)
skal er soll (skela sollen)
mei er mag (muga mögen)
mæt er muss (mæta müssen)
IV. Athematische Verben sein, wollen, tun, gehen, stehen
»sein« »wollen» »tun« »gehen« »stehen«
Präsens Indikativ
Sg. 1. bim wille duõ, duÐ
Sg. 2. - wilt *dest stanst
Sg. 3. is, ist wili det(h) gÐt(h) stant(h) stath
Pl. 1. send willat(h) duõt(h) *gõth stændath, stath
Pl. 2. send willat(h) duõt(h) *gõth stændath, stath
Pl. 3. send willat(h) duõt(h) *gõth stændath, stath
Präsens Optativ
sÐ, (sie) wille duÐ stande
Präsens Imperativ
Sg. wesa
Pl. wesset
Präsens Infinitiv
wesa willa duõ gõn stõn
Präsens Partizip
wesand duõnd stondand
Präteritum Indikativ
Sg. 1. was welde dÐde stæt(h)
Sg. 2. - welde dÐde
Sg. 3. was welde dÐde geng
Pl. 1. wÐron weldon dÐden gengen stæden
Pl. 2. wÐron weldon dÐden
Pl. 3. wÐron weldon dÐden
Präteritum Optativ
wÐre welde dÐde(n) stæde
Partizip Perfekt
wesen dÐn gangen, gen (e)stenden, sten
Gõn übernimmt einen Teil seiner Formen von dem reduplizierenden Verb gunga, stõn von stonda.
N. Wortbildung
Wörter als Zeichen für Vorstellungen nehmen an Sprachentwicklungen bezüglich der äußeren Form (Bildung [oder auch Aufnahme] neuer Wörter für alte oder neue Vorstellungen) und bezüglich der inneren Bedeutung (Bildung neuer Bedeutungen äußerlich fortbestehender Wortformen) teil. Sie können dabei im Laufe einer Epoche geschaffen werden, geändert werden oder aufgegeben werden. Die Schaffung neuer Wörter kann auf zweierlei Art erfolgen: ohne Verwendung von bereits vorhandenem Wortgut spontan (»Urschöpfung«, wie sie für die Stämme oder Wurzeln und auch die sogenannten Wurzelnomina anzunehmen ist) oder ‑ häufiger ‑ aus bereits vorhandenem Wortgut durch Zusammensetzung zweier selbständiger Elemente (Komposition) oder Ableitung zu einem Stamm bzw. einer Wurzel mittels formantischer Elemente (Suffixe).
I. Zusammensetzung
Bei der Zusammensetzung ist vor allem zwischen nominaler und verbaler Komposition zu unterscheiden Außerdem trennt man zwischen der (älteren) echten Komposition, die als Vorderglied einen ‑ in den meisten Fällen unveränderten ‑ reinen Nominalstamm) verwendet und der (jüngeren) unechten Komposition, die eine aus mehreren Wörtern bestehende syntaktische Verbindung in ihrer benutzten ‑ flektierten ‑ Form wiedergibt (z. B. afries. god‑es‑hðs).
Die nominale Komposition ist nach dem logischen Verhältnis ihrer Bestandteile Kopulativkompositionen (im Altfriesischen selten, z. B. fiorten) zweier verschiedener, gleichgeordneter Begriffe, Determinativkomposition eines Hintergliedes durch das Vorderglied (z. B. afries. god‑es‑hðs) oder exozentrische Komposition, bei der die Bedeutung der Zusammensetzung außerhalb der Bedeutung der Glieder liegt (im Altfriesischen selten, z. B. evenkne, berfot).
Die verbale Komposition ist ganz überwiegend Präfixkomposition und grundsätzlich unechte Komposition. Nach dem logischen Verhältnis ihrer Bestandteile ist sie Determinativkomposition. Die verbalen Präfixe, die meist frei vom Verb trennbar bleiben, sind grundsätzlich unbetont.
II. Ableitung
Bei der Ableitung ist zwischen nominaler Stammbildung und verbaler Stammbildung zu unterscheiden. Stets werden dabei in einem analogischen Vorgang formantische Elemente, die vielfach keine selbständige Eigenbedeutung mehr erkennen lassen, an Wortstämme angehängt (Suffixe), mit welchen zusammen sie, solange sie produktiv sind, neue Wörter von bestimmten formalen oder semantischen Eigenschaften zu bilden vermögen. Ableitungen, denen ein Nomen zugrundeliegt, heißen denominal, Ableitungen, denen ein Verb zugrundeliegt, deverbativ.
Wie weit einzelne Elemente zur Wurzel zu rechnen sind, ist vielfach fraglich, insbesondere bei den sog. Wurzelerweiterungen.
Die meisten Suffixe der germanischen Sprachen sind aus dem Indogermanischen ererbt, wobei von einer ständigen Erweiterung und Verbindung ursprünglich eher einfacher Suffixe auszugehen ist.
Dem Suffix folgt vielfach noch ein flexivisches Element (Flexionsendung). Es gibt aber in Parallele zu den suffixlosen Wurzelnomina auch Wörter, denen zwar ein Suffix zukommt, nicht aber auch ein flexivisches Element (z. B. afries. feder Vater).
Als Suffixe konnten im Indogermanischen grundsätzlich alle Vokale und alle Konsonanten sowohl allein wie auch in verschiedenen Verbindungen verwandt werden. Die rein vokalischen Suffixe (‑o‑, ‑a‑, ‑i‑, ‑u‑) verlieren aber wegen der Festlegung des Akzentes im Germanischen auf die erste Silbe eines Wortes rasch an Bedeutung. Demgegenüber bleiben die mindestens auch konsonantischen Suffixe länger produktiv.
1. Nominale Stammbildung
a) Wurzelnomina: selten, meist elementare Begriffe des menschlichen Lebens und seiner Umwelt z. B. afries. fæt Fuß, mðs Maus
b) Vokalsuffix
idg. ‑o‑ : Nomina agentis und Nomina actionis
idg. ‑a‑ : Nomina actionis: afries. jeve Gabe
idg. ‑i‑ : Nomina actionis
idg. ‑u‑ : selten: afries. fiõ Vieh
idg. -Øo‑, ‑Øõ‑ : Adjektive, Nomina agentis, Verbalabstrakta:
afries. kenn Geschlecht
idg. ‑Æ‑ : selten
idg. ‑Øu‑ : selten
idg. ‑øo‑ : Adjektive: afries. grÐ grau
idg. ‑øØo‑ : selten
c) Liquidasuffix
idg. ‑r‑ : selten, Verwandtschaftsnamen
idg. ‑ro‑, ‑ra‑ : Adjektive, Substantive: afries. ekker Acker
idg. ‑ru‑ : selten: afries. hunger Hunger
idg. ‑ri‑ : selten: afries. diære teuer
idg. ‑ero‑ : Adjektive zu Lokaladverbien und Pronomina:
afries. ðser unser
germ. ‑arja‑ : Nomina actionis: afries. jager Jäger
idg. ‑lo‑, ‑lõ‑ : Adjektive, Deminutive: afries. lepel Löffel
idg. ‑li‑ : selten
idg. ‑lu‑ : selten
idg. ‑slo‑ : Abstrakt‑ und Konkretbezeichnungen
d) Nasalsuffix
idg. ‑en‑ : grundsätzlich individualisierend: afries. hana Hahn
idg. ‑Øen‑ : Erweiterungen zu idg. ‑io‑, ‑iõ
germ. ‑in‑ : feminine Eigenschaftsabstrakta, Konkretbezeichnungen:
afries. meni‑e Menge
idg. ‑no‑, ‑nõ‑ : Nomina actionis, Adjektive: afries. mên falsch
idg. ‑ino‑ : Adjektive der Abstammung: afries. geld‑en golden
idg. ‑sno‑, snõ‑ : feminine Konkretbezeichnungen
idg. ‑¥no‑ : selten
idg. ‑ni‑ : selten: afries. têken Zeichen
afries. ‑ene‑ : hôd‑ene Obhut
idg. ‑sni‑ : Abstraktbildungen, selten
idg. ‑nu‑ : selten: afries. sunu Sohn
idg. ‑nÆ‑, nØõ‑ : Feminina, Abstrakta, Konkreta
idg. ‑nØo‑ : selten
idg. ‑mo‑, ‑mõ‑ : selten, Adjektive und Substantive: afries. erm Arm,
afries. -ma
idg. ‑mmo‑ : superlativische Raumadjektive: afries. forma erste
idg. ‑mi‑ : selten: afries. wirm Wurm
idg. ‑mon‑ : Nomina actionis: afries. nama Name
idg. ‑s‑men‑ : afries. besma
e) s‑Suffix
idg. ‑es‑, ‑os‑, ‑is‑, ‑us‑ : Nomina actionis
idg. ‑esiõ‑ : Abstrakt‑ und Konkretbezeichnungen
idg. ‑so‑, sõ‑ : Abstrakt‑ und Konkretbezeichnungen: afries. gêr Speer
idg. ‑Øes‑ : Komparativsuffix
f) Labialsuffix
idg. ‑bho‑, ‑bhõ‑ : selten
g) Dentalsuffix
idg. ‑t‑
idg. ‑to‑, ‑tõ‑ : Verbaladjektive, Abstraktbezeichnungen, Superlativsuffix:
afries. kind Kind, afries. ‑ithe nhd. ‑de, afries. ‑tha, ‑ta
idg. ‑tØo‑ : Verbaladjektive, Kollektivbegriffe, Deminutive:
afries. hamethe Hemd
idg. ‑ti‑ : Verbalabstrakta, Nomina actionis, Nomina agentis:
afries. jest Gast
idg. ‑tu‑ : Verbalabstrakta: afries. fretho Friede, afries. ‑nissi nhd. ‑nis,
afries. ‑ath
idg. ‑tøo‑, tøõ‑ : Verbaladjektive, Abstraktbegriffe
idg. ‑sto‑, ‑stõ‑, ‑sti‑, ‑stu‑ : afries. fest Faust
idg. ‑nt‑ : Verbaladjektive: afries. fÆand Feind
idg. ‑d‑ : Tierbezeichnungen, Konkreta, Abstrakta, Nomina actionis
idg. ‑dh‑ : afries. side Sitte
idg. ‑ter‑ : Verwandtschaftsnamen: afries. mæder Mutter
idg. ‑tero‑, ‑toro‑ : afries. hweder wer von beiden
idg. ‑tel‑ : Nomina agentis: afries. friðdelf Geliebter
idg. ‑tro‑, ‑trõ‑ : Nomina actionis, Instrumentalbezeichnungen:
afries. wunder Wunder
germ. ‑stra‑ : afries. laster Verletzung
idg. ‑tlo‑, ‑tlõ‑ : Abstrakta, Instrumentalbezeichnung: afries. bædel Habe,
afries. ‑elsa (?)
h) Gutturalsuffix
idg. ‑ko‑, ‑¨o‑ : Adjektive
germ. ‑ahta‑, ‑uhta‑, ‑ihta‑ : Adjektive
idg. ‑sko‑, ‑skõ‑ : Adjektive
idg. ‑isko‑ : Adjektive der Art oder Herkunft: afries. mann‑isk‑ menschlich
idg. ‑enko‑, ‑nko‑ : Personal‑ und Sachbezeichnungen: afries. ken‑ing König,
buw‑unge Erbauung
idg. ‑g‑ : afries. havek Habicht
i) Kompositionssuffixe (aus ursprünglich selbständigen Wörtern)
germ. dæma‑ : ein persönlicher Zustand oder eine soziale Stellung
(nhd. ‑tum): afries. êgen‑dæm Eigentum, Unfreiheit
germ. ‑haidu‑ : Art, Stand, Würde (nhd. ‑heit): afries. fri‑hêd Freiheit
germ. ‑skapi‑, ‑skafti‑ : Beschaffenheit, Art, Weise (nhd. ‑schaft):
afries. fÆ‑and‑skip Feindschaft
germ. ‑laika‑ : Spiel: afries. fiucht‑lêk Fechtspiel
germ. ‑stabi‑ : Stab: afries. *staf Stab
germ. ‑daga‑ : Tag: afries. hið‑dega heute
germ. ‑lika‑ : Leib, Körper: afries. hwe‑lik jeder
germ. ‑sama‑ : derselbe
germ. ‑kunda‑ : kommend
germ. ‑hafta‑ : behaftet
germ. ‑festa‑ : fest
2. Verbale Stammbildung
a) Wurzelverben: selten: afries. duõ tun
b) Praesensreduplikation: selten
c) idg. ‑e‑/‑o‑ Themavokal: Praesens der starken Verben
d) idg. ‑a‑: germ. zweite Klasse der schwachen Verben: afries. fiskia fischen
e) idg. ‑eie‑, ‑eio‑: starke und schwache Verben: afries. swera schwören, habba haben
f) Nasalinfix, Nasalsuffix: afries. standa stehen
g) ‑s‑ Suffix
h) ‑sk‑ Suffix: selten
i) ‑te‑, ‑to‑ Erweiterung: afries. fiuchta fechten
k) ‑st‑ Erweiterung: afries. bersta bersten
l) idg. ‑dh‑ Erweiterung: afries. walda walten
m) idg. ‑d‑ Erweiterung
n) idg. ‑g‑ Erweiterung
o) ‑l‑ Suffix
p) ‑r‑ Suffix
O. Fremdsprachliche Einflüsse auf den Wortschatz Mit den verschiedenen Möglichkeiten fremdsprachlichen Einflusses auf den Wortschatz hat sich vor allem Werner Betz am Beispiel des Althochdeutschen befasst. Er ist dabei zu folgender Systematik gelangt:
Fremdsprachlicher Einfluss
bezüglich der Form bezüglich des Inhaltes
(Fremdwort oder (Lehnprägung)
Lehnwort)
Lehnbildung
Lehnformung
Fremd- Lehn- Lehnüber- Lehnüber- Lehnschöpf- Lehnbe-
wort wort setzung z. B. tragung z. B. ung z. B. deutung
z. B. i. e. S. lat. con-scien- lat. paenin- frz. cognac z. B. lat.
blue z. B. tia dt. Ge- sula dt. dt. Wein- deus dt.
jeans Bischof wiss-en Halbinsel brand Gott
Dabei sind Fremd‑ und Lehnwörter Übernahmen der Formen (Lautgestalten) fremder Sprachen. Fremdwort ist das aus einer fremden Sprache unter Bewahrung seiner Lautgestalt übernommene Wort (nhd. blue jeans), Lehnwort das aus einer fremden Sprache unter Abänderung der Lautgestalt übernommene Wort (nhd. Bischof), wobei die Grenze zwischen Bewahrung und Abänderung der Lautgestalt nicht in jedem Fall eindeutig gezogen werden kann.
Lehnprägungen sind Wiedergaben fremdsprachlicher Inhalte mit eigensprachlichen Mitteln. Lehnbildung ist die Nachbildung des fremden Wortes mit eigensprachlichem Material. Dabei bildet die Lehnübersetzung das ‑ mehrgliedrige ‑ fremde Wort Glied für Glied nach (lat. conscientia Gewissen). Die Lehnübertragung folgt teilweise dem ‑ mehrgliedrigen ‑ Vorbild und teilweise nicht (lat. paeninsula Halbinsel). Die Lehnschöpfung verdankt dem Vorbild nur den gedanklichen Anstoß (frz. cognac Weinbrand). Die Lehnbedeutung ist die Erweiterung bzw. Veränderung der Bedeutung eines ererbten eigensprachlichen Wortes unter dem Einfluss eines fremdsprachlichen Wortes (z. B. nhd. Gott, Geist, Seele).
Innerhalb dieser verschiedenen Möglichkeiten des fremdsprachlichen Einflusses sind Fremdwort und Lehnwort relativ einfach zu erkennen, Lehnprägungen dagegen oft nur mühsam und unsicher zu ermitteln. Im einzelnen können hierbei folgende Merkmale auf fremdsprachlichen Einfluss deuten: Bauentsprechung zwischen fremdsprachlichem und eigensprachlichem Wort, späte Produktivitätszeit eines Wortbildungselements, fremdsprachliche Regelmäßigkeit einer Wortbildung, Komplexität einer Wortbildung, geringe Belegzahl, (insbesondere hapax legomenon), spätes Auftreten, Fehlen in anderen germanischen/germanistischen Sprachen oder anderen eigensprachlichen Sprachstufen, miteinander konkurrierende Interpretamente für ein einziges Lemma, Textcharakter (z. B. Interlinearversion, Glosse) oder kulturelle Beeinflussung. Je mehr dieser Merkmale in einem Fall gegeben sind, desto sicherer kann der fremdsprachliche Einfluss vermutet werden. Dieser ist im Text dadurch berücksichtigt, dass der Etymologie ein entsprechender Hinweis auf die vermutete fremdsprachliche Vorlage vorangestellt wird.
[1] Nach Baesecke nur dur-slegi, for-resni, *sipda und Eigennamen.
[2] Heute wird Friesisch gesprochen in der holländischen Provinz Friesland um Leeuwarden, auf den Inseln Terschelling und Schiermonnikoog, (ca. 300000 bzw. 400000 Menschen), im auf einem Sandrücken zwischen unzugänglichen Mooren gelegenen, um 1100 nach Sturmfluten von Friesen vielleicht aus Harlingerland/Wangerooge besiedelten Saterland (Grafschaft Sögel, comitia Sygeltra) südwestlich von Oldenburg zwischen Ems und Weser (ca. 3000 bzw. 1500-2500 Menschen in den drei Dörfern Strücklingen, Ramsloh und Scharrel), im südwestlichen Teil der Halbinsel Jütland sowie in Amrum, Föhr, Sylt, Hooge und Helgoland (ca. 16000 Menschen).