Reutter, Wolfgang Paul, „Objektiv Wirkliches“ in Friedrich Carl von Savignys Rechtsdenken, Rechtsquellen und Methodenlehre (= Savignyana 10 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 263). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. XIX, 478 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Friedrich Carl von Savigny, der wohl berühmteste deutsche Jurist, starb im Alter von 82 Jahren in Berlin am 25. Oktober 1861. Zur 150. Wiederkehr seines Todestags wird seiner vielfältig rühmend gedacht. Deswegen fügt es sich trefflich, dass rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt der Verfasser eine überarbeitete Fassung seiner von Andreas Hoyer vertrauensvoll unterstützten, im Sommersemester 2009 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation im Druck vorlegen konnte, die der Herausgeber in Ermangelung eines anderen Interessenten wenigstens in wenigen Zeilen der Allgemeinheit vorstellen muss.
Gegliedert ist die selbständige beeindruckende Untersuchung klar in drei Teile, die von den Grundlagen des Rechtsdenkens bei Savigny ausgehen, wobei der Verfasser zwischen rechtsontologischen, rechtsepistemologischen sowie rechtsdogmatischen und rechtsmethodologischen Bereichen unterscheidet. Es folgt die Rechtsquellenlehre Savignys, bei welcher der Verfasser der allgemeinen Bedeutung des Begriffs der Rechtsquelle die besondere Bedeutung bei Savigny gegenüberstellt. Im dritten Teil untersucht der Verfasser die Methodenlehre Savignys und gelangt von der allgemeinen Bedeutung des Begriffs der juristischen Methode über die besondere Bedeutung des Begriffs der juristischen Methode bei Savigny zur besonderen Bedeutung des Begriffs der historischen Methode bei Savigny.
Im Ergebnis stellt der Verfasser - unabhängig von, aber in Übereinstimmung mit Joachim Rückert - ein umfassendes einheitliches Bild eines in objektiven Wirklichkeiten denkenden Savigny fest. Alles Recht ist danach bei Savigny als eine „objektive Idee“ bereits gegeben. Tatsächlich wirkmächtig wurde dieser vom Verfasser in Gegensatz zu Kant und in eine Reihe mit Fichte, Hölderlin, Schelling und Hegel gestellte Savigny allerdings ebenso wenig wie ein objektiv-idealistisches Rechtsdenken überhaupt.
Wirkmächtig wurden nur einzelne Aspekte seines Rechtsdenkens, als welche der Verfasser Historismus, Begriffsdenken, die umfangreichen Arbeiten zum römischen Recht und zum internationalen Privatrecht, die Berücksichtigung der Gewohnheit als Rechtsquelle oder die Arten der Auslegung nennt. Der Verfasser bedauert dies, hofft aber abschließend, dass der von ihm ermittelte Savigny sich in Zukunft weiter ausbilden wird. Insbesondere Savignys Gedanke einer supranationalen geschichtlichen Rechtswissenschaft könne auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Rechtswesen und einer einheitlichen europäischen Rechtskultur Wichtiges leisten.
Innsbruck Gerhard Köbler