Pfeiffer, Julius Ludwig, Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972. Die Geschichte des deutschen Tierschutzrechts von 1950 bis 1972 (= Rechtshistorische Reihe 294). Lang, Frankfurt am Main 2004. 293 S. Besprochen von André Depping.

 

Diese von Werner Schubert betreute Dissertation verfolgt den mühsamen Weg des Tierschutzrechts in Deutschland bis zum Tierschutzgesetz von 1972 und leistet damit teilweise Pionierarbeit auf einem von der Rechtsgeschichte bislang wenig beachteten Rechtsgebiet. Das Buch beginnt mit einer kurzen Darstellung der Anfänge des Tierschutzrechts in England und des Reichstierschutzgesetzes von 1933. Es verblüfft nur auf den ersten Blick, dass die Anfänge eines ethischen fundierten Tierschutzrechts gerade im menschenverachtenden Nationalsozialismus zu finden sind. Die Schaffung neuer Straftatbestände lag im Trend, die klassischen politischen Interessenvertreter der Landwirte waren entmachtet und die neuen Machthaber konnten sich mit diesem mitfühlenden Gesetz in ein gutes Licht rücken. Der Besitz deutscher Schäferhunde ließ selbst den Führer menschlich erscheinen. Das ethische Fundament des Gesetzes war allerdings brüchig – so konnte als Nebenstrafe gegen einen Tierquäler u. a. die Tötung des Tieres angeordnet werden. Im Deutschland der Nachkriegszeit und des Wirtschaftswunders spielte eine Ausweitung des Tierschutzes politisch keine Rolle. Daran änderte auch der 1. Tierschutzkongress 1957 an einem so denkwürdigen Ort wie der Paulskirche nichts. Bis auf ein in der Praxis durch seine Ausnahmeregelungen fast wirkungsloses Ausfuhrverbot von Schlachtpferden 1961 geschah in der Gesetzgebung nichts.

 

Ab der Mitte der 60er Jahre begann sich das Parlament für den Tierschutz zu interessieren. Das Abwarten der großen Strafrechtsreform und die fehlende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes bildeten jedoch noch Hindernisse. Nach deren Beseitigung kam relativ kurzfristig das Tierschutzgesetz von 1972 zustande, das erstmals ein grundsätzliches Verbot der Tötung von Wirbeltieren enthielt, neue wissenschaftliche Erkenntnisse für den Umgang mit Tieren berücksichtigte und auf neue Formen der Tierquälerei wie die Massentierhaltung reagierte. Jüngere Gesetzgebung bis zur Aufnahme des Tierschutzes im Art. 20a GG wird vom Autor ergänzend aufgezählt. Im Anhang liefert das Buch neben biographischen Daten zu den Gesetzgebungsakteuren die Texte des Reichstierschutzgesetzes (1933) und des Tierschutzgesetzes (1972) sowie einiger in dessen Vorfeld erstellter Entwürfe, die zum Vergleich anregen.

 

Der Autor erzählt detailreich und formal Gesetzgebungsgeschichte. Im Schwerpunktzeitraum arbeitet er vorwiegend mit Archivmaterial. Themenkomplexe wie Vivisektion, Kupieren und Schächten lassen sich durch den streng chronologischen Aufbau nur schwer verfolgen. Welche Interessen hinter Entwürfen und Formulierungen standen und wie der politische Kontext die Gesetzgebung beeinflusste, wird leider nur selten und undeutlich aufgedeckt. Lediglich die Widerstände in der Landwirtschaft, repräsentiert von der CDU, scheinen häufig durch. Es ist bezeichnend, dass gerade die erste sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt das Tierschutzgesetz schließlich verabschiedete. Ob der Geist von 1968 das Tierschutzgesetz gefördert hat und ob sich Jagdlobby und die auf Tierversuche angewiesenen Industriezweige in den Gesetzgebungsprozess eingebracht haben, bleibt unklar. Insgesamt liefert das Buch jedenfalls den Anreiz und eine wichtige Grundlage für weitere rechtshistorische Forschung auf dem Gebiet des Tierschutzrechts.

 

München                                                                                            André Depping