Damesme,
Nathalie, Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln von 1794-1814
(= Rechtsgeschichtliche Schriften. Bd. 16). Böhlau, Köln, Weimar, Wien 2003. XXI,
243 S.
Die
Verfasserin untersucht in ihrer von Dieter Strauch betreuten und im
Wintersemester 2001/2002 in Bonn verteidigten rechtsgeschichtlichen
Dissertation die Auswirkungen der Franzosenzeit auf die Kölner Schullandschaft
und die dazugehörige Verwaltungsorganisation. In Übereinstimmung mit den
französischen Schulgesetzen von 1795, 1802 und 1806 wurden im
Untersuchungszeitraum in Köln an Stelle der bis dahin bestehenden Gymnasien und
der Universität zunächst eine Zentralschule und nach deren Schließung im Jahre
1804 zwei Sekundärschulen errichtet, deren Verwaltung anfangs in den Händen
einer Professorenversammlung, später einer Kommission und schließlich eines
Büros lag. Auf diesen schlichten Sachverhalt reduziert sich der Gegenstand der
Studie, als deren Schwerpunkt D. „die Erforschung der Verwaltungsstrukturen des
höheren Kölner Schulwesens“ nennt (S. 2), womit zugleich klargestellt ist, daß
das Elementarschulwesen, die sogen. Primärschulen, bei der Untersuchung außer
Betracht bleibt.
Folgt man
den einleitenden Bemerkungen der Verfasserin, so verfügte Köln zum Zeitpunkt
der Übernahme durch die Franzosen zwar über ein traditionsreiches höheres
Schulwesen, nicht aber über Einrichtungen, die die Bezeichnung „öffentliche
Schulverwaltung“ verdient hätten. Erst die französische Gesetzgebung und Verwaltung
schufen hier einen grundlegenden Wandel. Freilich muten die Anfänge eher
dilettantisch als professionell an. Wie sonst sollte man es nennen, wenn ein
Gremium von elf Professoren unterschiedlichster Provenienz sowohl mit der
Lehrtätigkeit an der Zentralschule als auch mit deren Vermögensverwaltung
beauftragt wird. Letztere machte überhaupt den größten und schwierigsten Teil
der Schulverwaltung aus. Immerhin bestanden in Köln zu Zeiten der Gymnasien und
der Universität neben dem herkömmlichen Schulvermögen etwa 220 zu
Studienzwecken bestimmte Stiftungen, die nunmehr der Verwendung an der neu
gegründeten Schule zugeführt wurden. Freilich zeigte sich bald, daß die
Professorenversammlung als Selbstverwaltungsorgan der Schule mit der Erfassung
und Verwaltung der unübersichtlichen Einkünfte überfordert war. Die Bildung
einer fünfköpfigen Verwaltungskommission entlastete im Jahre 1800 die
Professoren der Zentralschule von dieser Aufgabe, die „ihrem Amt völlig fremd“
war, wie die französische Verwaltung in diesem Zusammenhang einräumte (S. 55).
Mit der Verwaltungskommission erhielt Köln „das erste zentrale, reine
Verwaltungsorgan des öffentlichen Schulwesens“ (S. 73). Ihr Aufgabenschwerpunkt
lag auf dem Gebiet der Finanzverwaltung, während die fortbestehende Professorenversammlung
„nur noch für alle das Unterrichtswesen als solches betreffenden Bereiche
zuständig“ war (S. 63). Wenngleich ehrenamtlich tätig, gelang es der
Verwaltungskommission im Verlauf von fünf Jahren, die schulischen Finanzen „von
einer chaotischen Ausgangslage in geregelte Bahnen zu überführen“ (S. 73), was
um so schwerer wog, als der Kommission unter Aufhebung der Rechte der
bisherigen Privatverwalter die alleinige Verwaltung der tradierten Stiftungen
übertragen worden war.
Eine neue,
höhere Stufe erreichte die öffentliche Schulverwaltung in Köln im Jahre 1806
mit der Bildung eines Verwaltungsbüros, das die Verwaltungskommission ablöste.
Zwar wurde das „Prinzip eines mehrköpfigen, ehrenamtlichen Verwaltungsorgans“
beibehalten (S. 149), doch unterschieden sich die Struktur und Tätigkeit des
Verwaltungsbüros von der seiner Vorgängerin vor allem dadurch, daß eine größere
Professionalität Einzug hielt. Dafür sorgte die Einsetzung eines hauptamtlichen
Geschäftsführers, dem die laufende Verwaltungstätigkeit oblag, und eines
Kontrollsekretärs, der die vom Geschäftsführer getätigten Ausgaben und
Einnahmen überwachte. Trotz seines Rückzugs von der täglichen aktiven
Geschäftsführung blieb das Verwaltungsbüro für alle Bereiche der schulischen
Verwaltung verantwortlich. Entsprechend der Intention des französischen
Schulgesetzes von 1802, die Schulen stärker unter staatliche Kontrolle zu
bringen, oblag dem Büro nunmehr, anders als bei der Verwaltungskommission, auch
die Aufsicht über den Schulbetrieb an den beiden Kölner Sekundärschulen, die es
in Form „starke(r) Reglementierung“ des
Unterrichts und der Erziehung ausübte (S. 199).
Anders als
die Schulgesetze von 1795 und 1802, die zu tiefgreifenden Umbrüchen in der
Kölner Schullandschaft geführt hatten, brachte das Schulgesetz von 1806, mit
dem die Université Impériale als institutioneller Ausdruck des staatlichen
Schulmonopols errichtet wurde, „für das Kölner Schulwesen keine grundlegenden
Änderungen mit sich“ (S. 223), und auch die Schulverwaltung erfuhr „keine
wesentlichen organisatorischen Änderungen“ (S. 234). Damit endete der gänzlich
unspektakuläre Prozeß, in dessen Verlauf „moderne Verwaltungsstrukturen ... in
der Kölner Schulverwaltung Einzug (hielten)“ (S. 236), die zudem von Bestand
waren. Immerhin existierte das Modell des Verwaltungsbüros unter anderem Namen,
als Verwaltungs- und Stiftungsrat, in preußischer Zeit bis in das 20.
Jahrhundert hinein fort. Der Modernisierungsschub, der gemeinhin von der
französischen Besatzung in den linksrheinischen Gebieten ausging, erscheint
objektbezogen dennoch schwach und unspezifisch.
Die
Darstellung beruht auf einschlägigen Archivalien des Historischen Archivs der
Stadt Köln und des Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchivs Düsseldorf. Die
Verfasserin bezeichnet das vorgefundene „Quellenmaterial (als) insgesamt sehr
reichhaltig und lückenlos“ (S. 2), und so spiegelt es sich in dem Buch auch
wider. D. ist offenbar der Versuchung erlegen, die Vorgänge um die Kölner
Schulverwaltung während der Franzosenzeit bis in die kleinsten Verästelungen
minutiös nachzuzeichnen, nicht immer zum Vorteil für die Stringenz der
Darstellung und die Lesbarkeit des Buches. Kurzlebige Interimslösungen und
dauerhafte Einrichtungen werden gleichermaßen detailliert abgehandelt, die finanziellen
Probleme der Schulverwaltung stellenweise unverhältnismäßig ausgebreitet. Die
Fülle von eher sekundären Details verstellt mitunter den Blick für das wirklich
Neue. Die Darstellung des ohnehin spröden Stoffes wird dadurch zusätzlich
belastet.
Aufgelockert
wird die über weite Strecken langatmige Abhandlung durch die Abschnitte, in
denen D. im Kontext der Verwaltungsproblematik das Kölner Schulsystem selbst
vorstellt. Sie vermitteln einen Einblick in den Unterrichtsbetrieb und
Schulalltag ebenso wie in Personal- und Prüfungsfragen. Unscharf bleibt
freilich die Abgrenzung der verschiedenen Schultypen von einander und von den
bis 1798 bestehenden Gymnasien. Die gesetzliche Definition, wonach „jede durch
private Träger oder die Kommunen unterhaltene Schule, in der Latein,
Französisch und die ersten Anfangsgründe in Geographie, Geschichte sowie
Mathematik unterrichtet wurden, Sekundärschule heißen“ sollte (S. 98), hilft
hierbei kaum weiter, zumal D. einräumt, daß die 1802 errichtete Kölner
Sekundärschule in mehrfacher Hinsicht „Ähnlichkeit mit den alten
reichsstädtischen Gymnasien hatte“ (S. 123). Eher verwirrend als klärend sind
die breit eingestreuten Auslassungen über eine weitere höhere Schulform, die es
in Köln überhaupt nicht gab, das sogen. Lycée, das wie die Sekundärschulen auf
das französische Schulgesetz von 1802 zurückgeht. Daß die Kölner das Fehlen
einer solchen Schule in ihrer Stadt bedauerten, wie D. mehrfach betont (S. 125ff.,
200, 208), und zumindest nach einem Äquivalent strebten, ist angesichts des
militärischen Zuschnitts dieser Schulform (vgl. S. 94) nicht nachvollziehbar,
zumal „die staatlichen Lycées sich auch im Inneren Frankreichs keiner
Beliebtheit erfreuten“ (S. 187). Ähnlich widersprüchliche Aussagen finden sich
auch an anderen Stellen. Indes schmälern diese und weitere mögliche Einwände
nicht den Erkenntnisgewinn der stadtgeschichtlichen Studie. Immerhin war die
Verfasserin im Ergebnis ihrer intensiven Quellenstudien in der Lage,
überkommene falsche Ansichten zu Einzelfragen der Kölner Schul- und
Verwaltungsgeschichte zu korrigieren und Vermutungen auszuräumen (vgl. S. 29,
49f., 52f., 78, 146, 163ff., 184, 232). Der wissenschaftliche Apparat zeugt von
vorbildlich gewissenhafter Arbeit. Fraglich ist, ob es Aufgabe der Studie sein
konnte, die komplizierte Rechtsnatur des mit der Schul- und
Verwaltungsproblematik untrennbar verbundenen Stiftungsvermögens zu klären. Es
zumindest versucht zu haben, ist ein weiteres Verdienst der Verfasserin.
Rätselhaft
bleibt, warum die im Jahre 1998 fertiggestellte Arbeit erst nach mehr als drei
Jahren angenommen worden ist. Honni soit qui mal y pense.
Halle (Saale) Lieselotte Jelowik