Zur Erhaltung guter Ordnung. Beiträge zur Geschichte von Recht und Justiz. Festschrift für Wolfgang Sellert, hg. v. Hausmann, Jost/Krause, Thomas. Böhlau, Köln 2000. 690 S.

 

Jede Arbeit an der Rezension einer Festschrift beginnt mit Fragen: Soll die Besprechung knapp über den Inhalt informieren und zur eigenen Lektüre anregen? Soll sie namentlich dann, wenn grundlegende Probleme des Fachs angesprochen werden, intensiver zupacken und die Diskussion befördern wollen? Was tun, wenn der Rezensent versucht ist, beiden Maximen gerecht zu werden? Wird ein Kompromiss gelingen?

 

Im Blick auf die Festschrift für Wolfgang Sellert sind solche Fragen besonders aktuell, auch wenn, den Vorlieben des Geehrten entsprechend, die meisten Beiträge Themen um Rechtsverfolgung und Gericht, um Gerichtsverfassung, -verfahren und -personal behandeln, während andere der Strafrechtsgeschichte gelten. Ob es gelingt, den 24 nach Dichte und Umfang recht unterschiedlichen Aufsätzen halbwegs gerecht zu werden, muss man dem Leser überlassen. Im übrigen kann sich die Rezension der Abfolge der Beiträge anschließen, die sich unverkennbar an historischen Epochen orientieren.

 

Den Auftakt bilden zwei Studien zum klassischen römischen Recht und zum kanonischen Recht. Okko Behrends‘ Studie (S. 11-66: Die Trichotomie „actio, petitio, persecutio“. Ihre Bedeutung für das Verhältnis zwischen philosophischer Rhetorik und klassischer Jurisprudenz und deren Theorie des prozessabwendenden Vergleichs) erläutert diesen „Dreiklang“ des klassischen Klageschutzes (S. 14) als zentrales Ergebnis der Leistungen der römischen Jurisprudenz in der klassischen Periode; sie stellt neben die dem Zivilrecht (ius) bekannten Klagearten (actio, petitio) mit der persecutio die ergänzenden Prozessmittel des Gerichtsmagistrates zur Seite. Behrends sieht in der Trichotomie ein Ergebnis des Einflusses der philosophischen Rhetorik auf die Jurisprudenz in deren klassischer Ausprägung.- Hans-Jürgen Becker (S. 67-83: Das rechtliche Gehör. Der Beitrag des kanonischen Rechts zur Entstehung einer grundlegenden Maxime des modernen Prozessrechts) verfolgt die kirchenrechtliche Tradition bei der Formung eines zentralen Grundsatzes, wonach der Richter verpflichtet sei, den Angeklagten zu hören. Becker weist nach, dass das rechtliche Gehör schon seit dem 12. Jahrhundert als unverzichtbarer Bestandteil des ordo iudiciarius verstanden wird; später wird er gegen alle Anfechtungen - von welcher Seite auch immer - verteidigt, mit der Folge, dass das gemeinrechtliche Prozessrecht der frühen Neuzeit an der Maxime festhält.

 

In die Welt des mittelalterlichen Rechts führen die beiden nächsten Beiträge. Dietlinde Munzel-Everling (S. 85-113: Das Verfahrensrecht des Kleinen Kaiserrechtes) führt in die Geschichte des Kleinen Kaiserrechts ein, jenes vermutlich im 14. Jahrhundert entstandenen Rechtsbuches, das Richard Schröder in „Frankenspiegel“ umbenannt und dadurch in seinem Anspruch und seiner Bedeutung gemindert hat. Im Mittelpunkt des Beitrages steht die zitatengestützte Zusammenstellung der wichtigsten die Gerichte, deren Personal und deren Verfahren betreffenden Sätze. Leider ist nicht erkennbar, ob die Autorin nach der ältesten, 1372 entstandenen Fuldaer Handschrift zitiert, die Bruno Hildebrand 1846 (nach Vorarbeiten von H.-E. Endemann) zitiert hat, oder ob sie sich auf die von ihr geplante, aber noch nicht erschienene Neuedition in digitaler Form stützt. Auf diese Ausgabe, die alle tradierten Textvarianten berücksichtigen will (S. 113), darf man gespannt sein: sie dürfte nicht nur Änderungen und Anregungen offenbaren, sondern auch als wertvolle Hilfe bei der Erforschung der zeitgenössischen Spruchpraxis dienen können.- Peter Jessen (S. 115-121: Nikolaus Wurm und seine Rechtsbücher) erinnert in seinem kürzeren Beitrag vor allem an die „Blume“ zum Sachsenspiegel und die „Blume“ von Magdeburg. Obgleich auch Jessen nicht umhin kommt, den Rechtsbüchern Wurms ein höheres Niveau abzusprechen, so hat er doch Recht mit seiner Forderung, sie als Zeugen der Zeit ernst zu nehmen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung geht er selbst, indem die Bezeichnung „Blume“ aus dem Geist der Zeit metaphorisch gedeutet wird. Vielleicht findet sich bald jemand, der den Wunsch, die Blume zum Sachsenspiegel neu zu edieren, realisiert; dann könnte man wohl besser beurteilen, ob Jessen Recht hat mit seiner These, es handele sich „um eine Brücke zwischen Mittelalter und Neuzeit“ (S. 119).- Ein Grundproblem der spätmittelalterlichen Rechtswelt spricht Matthias G. Fischer (S. 122-139: Über den Rechtscharakter der Fehde im Spätmittelalter) an: „Kann in Bezug auf die Fehde, hier verstanden als eigenmächtige Rechtshilfe, tatsächlich von einer allgemein anerkannten Rechtseinrichtung gesprochen werden?“ (S. 124). Fischer neigt zu einer differenzierenden Antwort: Einerseits würden zahlreiche spätmittelalterliche Quellen, nicht zuletzt Kapitel 17 der Goldenen Bulle (1356), die Rechtmäßigkeit einer Fehde allein von der Einhaltung formaler Fehderegeln abhängig machen und damit letztlich eine mittelbare Erlaubnis der Fehde aussprechen; andererseits kämen in den Kapiteln 5 und 6 des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 „zwei divergierende Rechtsordnungen zum Ausdruck“ (S. 130). Kapitel 6 bedeute mit der Formalisierung der Fehde zugleich deren Verrechtlichung, stelle mithin eine Akzeptanz des überkommenen Fehderechts dar, wenngleich nur in einer „zu einem bloßen Reserverecht“ (S. 129) degradierten Form; Kapitel 5 hingegen lasse den Fehdeweg nur bei Rechtsverweigerung zu, schließe ihn aber aus, wenn ein Urteil ergangen sei und handle es sich auch um ein abweisendes Urteil. Es bleibt die Frage, ob damit Kapitel 5 nicht überinterpretiert wird, ob es letztlich doch nichts anderes sagen will als der Reichsfrieden von 1234, der lediglich eine vorangehende Klage verlangt, mithin ein abweisendes Urteil genügen lässt. Wäre dem so, so gäbe es den von Fischer diagnostizierten Widerspruch nicht.- Heiner Lück (S. 141-160: Schauplätze des Verfahrens. Zum Verhältnis von Gerichtsherrschaft, Gerichtsort und Richtstätte im frühneuzeitlichen Kursachsen) schildert Gerichtsplätze und ihre Ausstattung, Gefängnisse und Richtplätze nach kursächsischen Quellen.

 

Vier weitere Aufsätze sind Themen gewidmet, die sich auf die höchste Gerichtsbarkeit im Deutschen Reich der früheren Neuzeit beziehen, mithin auf Reichskammergericht und Reichshofrat.- Bernhard Diestelkamp (S. 161-182: Der Oberhof Lübeck und das Reichskammergericht. Rechtszug versus Appellation) fragt nach dem Verhältnis der Rechtsprechung des Lübecker Oberhofs und der Möglichkeit der Appellation zum Reichskammergericht. Unabhängig von den Funktionsunterschieden zwischen Rechtszug und Appellation haben verschiedene Faktoren dieses Verhältnis bestimmt: so etwa das Festhalten der Hansestädte Rostock und Wismar am Rechtszug als Zeichen des Bestehens städtischer Freiheit; die Schaffung eines Ersatzgerichts für den Lübecker Oberhof im Holsteinischen Vierstädtegericht; die verzögerte Errichtung landesherrlicher Obergerichte, die appellationsfähige Urteile absetzen konnten.- J. Friedrich Battenberg (S. 183-224: Josel von Rosheim, Befehlshaber der deutschen Judenheit, und die kaiserliche Gerichtsbarkeit) geht auf die Gestalt des Josel von Rosheim (um 1478-1554) ein, auf seine politische Funktion als Sprecher („Regierer“, „Befehlshaber“, „Anwalt“) der Judenschaft im Deutschen Reich und auf seinen Beitrag zur „Verrechtlichung jüdischer Existenz, die im wesentlichen ein Werk des Humanisten Johannes Reuchlin war“ (S. 199). Dass Josel erheblichen Anteil an der Umsetzung dieser „Verrechtlichung“ in der Praxis des Reichskammergerichts hat, belegt Battenberg anhand eines vom Reichsfiskal in den Jahren 1535 und 1536 gegen Josel geführten Prozesses; hier ging es um den Streit um einen ihm, Josel, nicht zustehenden Titel, der den Anschein erwecken möchte, er maße sich Herrschaftsrechte über Christen an. Battenberg sieht es als eine lohnende Aufgabe an, auch alle anderen Reicskammergerichtsprozesse, an denen Josel beteiligt war, unter dem Gesichtspunkt der „Verrechtlichung jüdischer Existenz“ systematisch zu untersuchen.- Paul L. Nève (S. 225-243: Szenen aus den Anfangsjahren des Reichskammergerichtsprozesses [1512-1536]) beschreibt am Beispiel eines langwierigen Prozesses zwischen der Reichsstadt Rothenburg und den Grafen von Hohenlohe anfängliche Schwierigkeiten der Parteien und Prokuratoren im Umgang mit dem gemeinrechtlichen Prozessrecht, schildert die umfängliche Vernehmung von 94 Zeugen und berichtet über die persönlichen Bemerkungen des Reichskammergerichtsassessors Viglius von Aytta.- Ulrich Eisenhardt (S. 245-267: Der Reichshofrat als kombiniertes Rechtsprechungs- und Regierungsorgan) beschreibt die in der wissenschaftlichen Diskussion zutage getretenen Differenzen bei der Einschätzung der „Doppelfunktionalität“ des Reichshofrats und deren Gewichtung. Eisenhardt stellt insbesondere die These auf die Probe, wonach der Reichshofrat im 17. und 18. Jahrhundert vorwiegend als Gericht zu würdigen sei, und befasst sich zunächst mit den Aufgaben außerhalb der Rechtsprechung, die dem Reichshofrat durch die Ordnung von 1579 und spätere Gesetze zugewiesen waren. Ausführlicher werden die „iura reservata“ behandelt, unter ihnen vor allem einerseits die aus dem kaiserlichen Bücherregal abgeleiteten Befugnisse (Recht zur Verleihung von Druckprivilegien, Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse) und andererseits die Befugnisse bei der Erteilung von privilegia de non appellando. Aufgrund der Tatsache, dass Eisenhardt als einer der besten Kenner dieser beiden Materien gelten kann, liefert der Beitrag ebenso präzise wie kompakte Einsichten in den Stand der Forschung; das Eigengewicht der „verwaltenden“ Tätigkeit wird zu Recht herausgestrichen. Recht hat Eisenhardt allerdings auch insoweit, als die dringend gewünschte und von Wolfgang Sellert mitinitiierte Erschließung des überreichen Aktenmaterials des Reichshofrats abgewartet werden muss. Der Rezensent erlaubt sich noch einige Hinweise: zum einen ist zu hoffen, dass die seit längerem geplante Erschließung des Bestandes „privilegia impressoria“ in Regestenform bald zur Verfügung stehen wird; zum anderen sei festgehalten, dass die Rechtsprechung des Reichshofrats über Fragen der Rechtmäßigkeit, Reichweite und evtl. Verletzungen von Druckprivilegien in vielen hundert Prozessakten einen bislang schwer abzuschätzenden Niederschlag gefunden hat. Schließlich sei, drittens, darauf hingewiesen, dass bereits vor Jahren Günther Dickel[1] die Praxis der Panisbriefe als Tätigkeitsbereich der verwaltenden Arbeit des Reichshofrats herausgestellt hat.

 

Die fünf folgenden Beiträge sind prozess- und strafrechtlichen Problemen der frühen Neuzeit gewidmet. Andreas Bauer (S. 269-318: Joos de Damhouder und seine „Practica Gerichtlicher Handlungen in Bürgerlichen Sachen“) erläutert Damhouders Werk, das stark durch Übernahme fremder Bücher geprägt ist. Seine Arbeiten, die zum Teil in vielen Einzelheiten erläutert werden, haben nicht zuletzt durch die von ihm selbst veranlassten Holzschnitte Popularität gewonnen. Am Beispiel ausgewählter Bilder des Buches zum Zivilprozess werden diese Zusammenhänge herausgearbeitet und kommentiert.- O. Moormann van Kappen (S. 319-349: Zur Nimwegener Zivilprozessordnung von 1608) berichtet über das Nimweger lokale Recht im allgemeinen und über die POJ (= Provisionele ordonnantie op de bedieninge van justitie mitsgaders stijl en manier van procederen binnen de stadt Nijmegen in civile saken) im besonderen; ein „Sträußchen Prozessblümchen aus der POJ bepflückt“ (S. 331) rundet den Beitrag ab.- Günter Jerouschek (S. 351-375: „Mit aller Schärpffe angegriffen undt gemartert“. Überlegungen zur Folter als Institut des gemeinrechtlichen Strafverfahrens) vereint in seinem Beitrag eine ganze Reihe von interessanten Beobachtungen zur Geschichte der Folter. Nach Berichten zur Praxis des Schöppenstuhls zu Halle und der Reichsstadt Esslingen werden Carpzovs Ausführungen zur Folter einerseits als „recht karg“ (S. 362) charakterisiert, andererseits aber auf ihre Qualität als „rechtliche Hürden“ untersucht. Schließlich stößt Jerouschek zum Kern der Folterproblematik vor, nämlich ihrer Verankerung in der Beweistheorie, die ein Geständnis braucht, wenn die im Falle des Tatleugnens notwendigen zwei Zeugen nicht zur Verfügung stehen. Jerouschek erinnert an Zusammenhänge zwischen der Delegitimierung der Gottesurteile und dem Aufkommen der Folter und zitiert Hommels Wort von der „Aftergeburt der Gottesurteile“; auch andere Erscheinungen im Prozess werden als „Abhilfe“ in Betracht gezogen, namentlich jene, die mit den Stichworten „Leumund und Landschädlichkeit“ zu belegen sind. Der eigentliche Kern der Beweistheorie, der grundsätzlichen Unverzichtbarkeit des Geständnisses, kommt bei alledem nicht recht in den Blick.- Thomas Krause (S. 377-399: Bemerkungen zur Strafverteidigung im gemeinrechtlichen Inquisitionsprozess) beschäftigt sich mit den begrenzten Möglichkeiten des Verteidigers; er schildert die Spielraum im Rahmen der Spezialinquisition, die sich daran anschließende „Haupt- oder Schlussverteidigung“, die Intervention mit dem Ziel der Überprüfung des Urteils und anderes mehr. Darüber hinaus wirft Krause einen interessanten Blick auf die einschlägige zeitgenössische Literatur, die gegen Ende des Inquisitionsprozesses einen deutlichen Aufschwung zu verzeichnen hatte.- Ekkehard Kaufmann (S. 401-426: Soll man den Dieb hängen? - Urteile der Göttinger Juristenfakultät am Ende des Zeitalters der Aufklärung) schildert am Beispiel eines Diebstahlfalles, wie sich die gelehrte Rechtsprechung des gemeinen Strafrechts fortentwickelt hat. Die von der Aufklärung getragene Kritik sowie die in der Epoche der „Empfindsamkeit“ sichtbare Hinwendung zum Täter ließen Straftatbestände wie Diebstahl und Kindstötung in einem andere Licht erscheinen. Kaufmann belegt diese Entwicklung anhand von sechs Diebstahlsfällen, in denen die Göttinger Fakultät zu votieren hatte; in gründlicher Abwägung der Umstände von Tat und Täter einerseits und der Gründe einer möglichen Strafmilderung andererseits, spiegelt sich eine „Auseinandersetzung zweier Wertauffassungen bei der Bestimmung gerechter Verhältnismäßigkeit von Tat und Strafe“ (S. 423).

 

Die restlichen neun Beiträge wenden sich Themenfeldern des 19. und 20. Jahrhunderts zu. Manfred Maiwald (S. 427-453: Zur allgemeinen Verbrechenslehre in der Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts) skizziert die theoretischen Ansätze Kleinschrods und Feuerbachs und verfolgt deren Fortwirken im Kontext der klassischen Lehre von Liszt und Beling, um anschließend auf die „Zwischenzeit“ einzugehen, die durch die strafrechtliche Hegelschule (Abegg, Köstlin, Berner, Hälschner) geprägt worden ist. Im Wechselspiel von Kontinuitäten und Brüchen, Übernahmen und Neuansätzen entwickelt das 19. Jahrhundert die Grundlagen für die Fortschritte der strafrechtlichen Doktrin im nachfolgenden Säkulum.- Malte Dießelhorst (S. 455-465: Zur Verderbnis der Pferde in Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ [1810] und Gotthilf August von Maltitz Drama „Hans Kohlhaas“ [1828 ]) liefert - wie er selbst sagt - einen Beitrag germanistischen, nicht aber rechtshistorischen Charakters.- Peter Oestmann (S. 467-512: Der Beweis von Rechtsnormen im Zivilprozess - § 293 ZPO im Spiegel der wissenschaftlichen Diskussion des 19. Jahrhunderts) diskutiert die Regel, wonach ausländisches Recht, Gewohnheitsrechte und Statuten Gegenstand einer Beweisaufnahme sein können, sodann die Geschichte der Rechtsanwendungslehre seit der Rezeption und dem Usus Modernus, insbesondere ihrer Neukonzeption in der Zeit der historischen Rechtsschule (Lange, Puchta, Schellack) und die neuen Akzentverschiebungen, die sie danach durch Mittermaier, Bayer, Schmid, Planck, Endemann u. a. erfahren hat. Wie diese Diskussion die Gesetzgebung beeinflusst hat, wird nach einem Blick in die Gesetzgebungsgeschichte festgehalten.- Auch Udo Kornblum (S. 513-536: Bemerkungen zur Berufungssumme) untersucht ein Stück Prozessrechtsgeschichte, nämlich die Frage „Warum der Gesetzgeber eine Berufungssumme damals nicht für notwendig hielt und warum er sie heute für unumgänglich erachtet“ (S. 514).- Hinrich Rüping (S. 537-562: Polizeianwalt - Amtsanwalt - Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland) widmet sich ebenfalls einem Teilbereich des Prozessgeschehens, dessen Schwerpunkt allerdings auf dem Gebiet der Strafverfolgung zu suchen ist. Das Entstehen und die Funktionen der preußischen Polizeianwaltschaft als Vorbild für die Regelung der Reichsjustizgesetze; der Weg vom unterschiedlichen Zuschnitt der Amtsanwaltschaft im Kaiserreich zur „Stabilisierung der Laufbahn bis 1933“; die Besonderheiten der nationalsozialistischen Zeit und der „Neubeginn nach 1945“ sind die wichtigsten Etappen der weiteren Geschichte der Institution bis heute.- Kjell Ẵ Modéer (S. 563-588: Strindberg und seine Rechtsanwälte. Eine rechtskulturelle und rechtsgeschichtliche Skizze) betritt ein Themenfeld, für das der Jubilar besonderes Interesse hegt, nämlich die Begegnung der Welt der Dichter mit der Welt des Rechts. Anhand mehrerer Beispiele zeigt Modéer, dass Strindbergs Erfahrungen mit Rechtsanwälten durchweg mit kritischen Reaktionen verbunden waren.- Klaus-Peter Schroeder (S. 589-616: Im Dienste des Unrechts: Erwin Bumke (1874-1945) - Letzter Präsident des Reichsgerichts) beschreibt, ausgehend von der wenig rühmlichen Haltung Bumkes in der Zeit nach 1933 im Rückblick die Karriere des späteren Präsidenten. Sein Lebensweg sei „repräsentativ für eine Vielzahl hochbegabter Juristen seiner Generation“ (S. 624).- Jost Hausmann (S. 617-631: Konkrete Ordnung und Prozessrecht - Zu den Rechtsmitteln im Reichserbhofverfahren) präsentiert ein spezielles Kapitel der „Rechtserneuerung“ in nationalsozialistischer Zeit: das Reichserbhofgesetz als Beispiel der Gesetzgebung im Sinne völkischen Rechtsdenkens. Für die „konkrete Lebensordnung Erbhof“ werden Behörden und Gerichtsinstanzen geschaffen, die in Anlehnung an die Aufgaben traditioneller freiwilliger Gerichtsbarkeit für die ideologiegetreue Umsetzung zu sorgen hatten.

 

Der letzte Beitrag stammt aus der Feder von Barna Mezey (S. 633-668: Laienrichter in der ungarischen Rechtsgeschichte). Mezey entfaltet ein historisch tiefgestaffeltes Bild der Gerichtsorganisation Ungarns vom Mittelalter bis in die Neuzeit, namentlich auch des 19. und 20. Jahrhunderts: Jury, Presseschwurgericht, Geschworenengericht, Gerichtsbeisitzer, Schöffen und Volksgerichte liefern die geeigneten Stichworte.

 

Obgleich die Festschrift die unterschiedlichsten Interessen ansprechen dürfte, ist sie doch thematisch an den beiden eingangs genannten Linien ausgerichtet, die den Forschungsschwerpunkten des Jubilars entsprechen. Insoweit umschließt sie ein einigendes Band.

 

Saarbrücken                                                                                                  Elmar Wadle



[1] Das kaiserliche Reservatrecht der Panisbriefe auf Laienherrenpfründen (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte NF 25), Aalen 1985.