Deutsches
Internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert – Materialien,
Übersetzungen, Anmerkungen, hg. v. Bar Christian von/Dopffel, H[elmut] Peter
unter Mitwirkung v. Hilling, Hans Jürgen, zweiter Band (=
Materialien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 42). Mohr
(Siebeck), Tübingen 2001. XXV, 758 S.
Mit diesem zweiten Band bringen Christian von Bar und
Hans Peter Dopffel ihre monumentale Edition und Übersetzung von
rechtswissenschaftlichen Quellen zur Geschichte des deutschen internationalen
Privatrechts des 16. und 17. Jahrhunderts zum Abschluß. Über den ersten Band
dieses Werkes wurde bereits in dieser Zeitschrift ausführlich berichtet (vgl.
F. Ranieri, ZRG Germ.Abt. 115 (1998), S. 795-797). Das Vorhaben hat übrigens
bereits eine beträchtliche Resonanz erfahren: hier sei etwa auf die
ausführlichen und umfassenden Stellungnahmen von Hans Stoll, in: RabelsZ, Bd.64
(2000), S.382-389 und Egon Lorenz, in: IPRax 1997, S.204ff., hingewiesen. Im
Zentrum des editorischen Inhalts dieses zweiten Bandes stehen einige Autoren
wie Samuel Stryk, Heinrich v. Cocceji und Johann Nikolaus Hert, deren Einfluß
zwar bis in das 18. Jahrhundert reicht, aber die doch noch eindeutig zu der Generation
von Juristen gehören, die unmittelbar nach dem 30jährigen Krieg gewirkt hat.
Nach Ansicht der Herausgeber endet mit diesen Autoren die Blütezeit der
deutschen Statutentheorie und beginnt die Epoche des niederländischen
Einflusses. Wie im Vorwort zum ersten Band bereits angekündigt wurde, sind in
diesem zweiten Band mit Autoren wie Matthias Coler und Ernst Cothmann auch noch
Werke des 16. Jahrhunderts in die Edition miteinbezogen worden, deren Einfluß
offenbar bis ins 17. Jahrhundert besonders wirksam war. Mit Benedict Carpzov
und Wolfgang Adam Lauterbach stehen in diesem Band aber primär Autoren des
deutschen Usus modernus pandectarum im Zentrum, welche für die
praktische und theoretische Entwicklung der Statutentheorie eine wesentliche
Rolle in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einnehmen. Nach einer kurzen,
aber durchaus gut dokumentierten „Einführung“ von Hans Peter Dopffel (S. 1-13)
folgt die eigentliche Edition. Auch in diesem zweiten Band werden die Texte in
ihrem lateinischen Original auf der linken Seite und in einer sehr sorgfältigen
deutschen Übersetzung auf der rechten Seite präsentiert. Die Hinweise auf die
römischen Quellen und auf die zitierten gemeinrechtlichen Autoren werden nach
der modernen Zitierweise der Digesten und der sonstigen Quellen des römischen
gemeinen Rechts aufgeschlüsselt, so daß man ohne nennenswerte Schwierigkeiten
die jeweiligen Fundstellen nachschlagen kann. Ediert werden in dieser
Reihenfolge von Matthias Coler (um 1530-1587) ein Teil des dritten Kapitels seiner
„Practica universalis de processibus executivis“ (S. 14-53). Es folgt
die Edition von einigen „Responsa juris“ aus der Sammlung Ernst
Cothmanns (1557-1627) (S. 58-137). Es schließen sich dann 14 Aktenrelationen
und „conclusiones“ an, entnommen aus der Sammlung Matthias Berlichs
(1586-1638); sie betreffen im Kern die sächsische Gerichtspraxis des 17.
Jahrhunderts (S. 142-191). Hier folgt dann eine große Auswahl von Texten
Benedict Carpzovs (1595-1666). Sie sind (S. 196-255) meistens aus der
Carpzov’schen „Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica“ entnommen. Aus
diesem Werk werden etliche Abschnitte, vor allem zu der sächsischen Constitutio
XIV, zu der Constitutio XV sowie zu den Constitutiones XXXVI und XXXVIII
übersetzt. Von Wolfgang Adam Lauterbach (1618-1678) wird die Tübinger „Disputatio
inauguralis, de Domicilio“ (respondente Theodoro Hasenloff im Jahre
1663) auf S. 260-383 vollständig ediert. Aus der Disputation „De jure
principis extra territorium“ Samuel Stryks (1640-1710) (respondente
Otto Heinrich von Friesen, gehalten an der Universität Frankfurt an der Oder im
Jahre 1676) wird in Übersetzung (S. 388-441) ebenfalls ein wesentlicher Teil
präsentiert. Anschließend wird auf S. 446-581 die disputatio „De fundata in
territorio, et plurium locorum concurrente potestate“ Heinrich Freiherr von
Coccejis (1644-1719) ediert. Um einen Teil einer Gießener Disputation (die dissertatio
de collisione legum, Theodor Thomas respondente aus dem Jahre 1688)
handelt es sich schließlich auch bei dem letzten Text von Johann Nikolaus Hert
(1651-1710), der an das Ende der Edition gestellt wurde (S. 588-685).
Wie im ersten Band, werden die Übersetzungen auch hier
durch zahlreiche Anmerkungen erschlossen, in denen Hinweise zu Werken und
Zitaten gegeben werden. Die einschlägigen bibliographischen Angaben zu den in
die Edition aufgenommenen Texten sind stets im Kopf der jeweiligen Abschnitte
gegeben. Die lateinischen Vorlagen wurden prinzipiell buchstabengetreu
übernommen, also auch unter Übernahme von schon in der Vorlage enthaltenen
Druckfehlern und sonstigen Ungenauigkeiten transkribiert. Druckfehler im
Original wurden kenntlich gemacht. Allerdings sind zum besseren Verständnis die
typographische Gestaltung und die Quellenzitate umgestellt worden. Text und
Zitate wurden sorgfältig getrennt. Vor allem die Zitate aus dem Corpus Juris
Civilis wurden nach moderner Zitierweise entschlüsselt und nachgewiesen. Auch
was die literaturgeschichtliche Erschließung des Materials betrifft, zeigt
dieser Band - ebenso wie der erste – eine meisterhafte Professionalität. Bei
jedem der hier ausgewählten Autoren werden die ausgesuchten Texte durch eine
kurze biographische Einführung zum Autor mit entsprechenden Fundstellen zum
rechtshistorischen Schrifttum dazu eingeleitet. Am Ende des zweiten Bandes,
ebenso wie schon im ersten, wird (S. 686-758) ein Autorenverzeichnis
beigegeben, das von Hans Jürgen Hilling angefertigt wurde. Durch Heranziehung
einer beeindruckenden Anzahl biographischer Nachschlagewerke zur deutschen
Rechtsgeschichte des Spätmittelalters und der Neuzeit wurden hier alphabetisch
sämtliche in den Texten zitierten Autoren mit entsprechenden kurzen
biographischen Angaben und Wiedergabe der zitierten Werke aufgelistet. Die
rechtshistorische Erschließungsdichte des Materials ist dadurch vorzüglich.
Wenn dem Rezensenten eine kleine Ergänzung erlaubt ist, so sei hier zusätzlich
hinsichtlich der juristischen Dissertationen an deutschen Universitäten des 17.
und 18. Jahrhundert darauf hingewiesen, daß das dort von ihm (S. 627) zitierte
Werk „Juristische Dissertationen an deutschen Universitäten im 17. und 18.
Jahrhundert“., Frankfurt am Main 1986, inzwischen ganz überholt wurde von dem
„Biographischen Repertorium der Juristen im Alten Reich (16.-18. Jahrhundert)“,
Buchstaben A-E, hrsg. von F. Ranieri und K. Härter, Ius Commune - CD-ROM,
Informationssysteme zur Rechtsgeschichte I, Frankfurt (: Klostermann) 1997.
Das zusammengetragene Material ist auch in diesem
zweiten Band imponierend. Zusammen mit den edierten Texten im ersten Band haben
wir nunmehr eine Dokumentation zu der gemeinrechtlichen Wissenschaft in Bezug
auf die Statutentheorie, die als grundlegender Meilenstein für die Geschichte
des internationalen Privatrechts angesehen werden kann. Daß die Vorarbeiten zum
ersten Band rund sieben Jahre in Anspruch genommen haben und daß weitere fünf
Jahre für die Verabschiedung dieses zweiten Bandes erforderlich wurden, glaubt
man in Anbetracht des Umfangs der präsentierten Texte und der Qualität ihrer
editorischen Erschließung gern. In der Rezension zum ersten Band in dieser
Zeitschrift (S. 796) hatte der Rezensent den Wunsch geäußert, bald eine
Erschließung des ganzen Materials in einem allumfassenden Register zu sehen.
Auch die beiden Herausgaber räumen freimütig ein (Vorwort, S. VI), „daß ein Quellenwerk
wie dieses eigentlich mit ausführlichem Register versehen sein sollte,
namentlich auch zwecks Erschließung des reichen Materials für
dogmengeschichtliche Forschungen ohne speziellen Bezug zum Internationalen
Privatrecht“. Der Umfang und die Zeit waren allerdings diesem Wunsch ein
Hindernis. Es ist in der Tat mehr als verständlich, daß eine systematische
Erschließung nach Quellen, zitierten Autoren und vor allem nach dogmatischen
Themen das Erscheinen des zweiten Bandes auf unabsehbare Zeit verzögert und
wahrscheinlich zunächst unmöglich gemacht hätte. Insoweit ist es ohne weiteres
zu begrüßen, daß die beiden Herausgeber mit der Verabschiedung dieses zweiten
Bandes zunächst das Erscheinen des gesamten Werkes und die Vollendung dieses
beeindruckenden Projekts sichergestellt haben. Der Wunsch nach einem Register
bleibt dennoch: ein solches Register zu zwei Bänden hätte übrigens ohne
weiteres den Rahmen dieses Bandes sicherlich gesprengt. In Anbetracht des
Reichtums der nunmehr vorliegenden und editorisch übersetzten und erschlossenen
Texte stellt eine registermäßige Erschließung der Quellen, der Themen, der
zitierten Autoren ein Projekt für sich dar. Es bleibt zu hoffen, daß Mittel und
Wege gefunden werden können, um dieses neue ergänzende Projekt anzugehen.
Eine gewisse Erschließung des Materials bietet –
anders als der erste Band – der zweite schon: Bei jedem der ausgesuchten
Autoren wird den Texten eine kurze Biographie vorangestellt. In dieser
einführenden Präsentation werden auch die Texte präzise und kurz zusammengefaßt
und präsentiert. Das gilt sowohl für die jeweiligen Abschnitte der edierten
Dissertationen und Kommentare als auch für die präsentierten Quaestiones
und Aktenrelationen. Auf diese Weise gewinnt man schon einen gewissen Überblick
über das edierte Material. Ebenso wie der erste Band erschließt auch dieser
zweite Band die deutsche gemeinrechtliche Literatur zu der Statutentheorie.
Diese Literatur war bereits aus dem älteren Schrifttum bekannt: In der
Geschichte des internationalen Privatrechts wird die klassische
gemeinrechtliche Statutentheorie bekanntlich durch den berühmten Aufsatz Carl
Georg von Wächters (1797-1880), Über die Collision der Privatrechtsgesetze
verschiedener Staaten, in: Archiv für die civilistische Praxis, Bd. 24 (1841),
S. 230-311, und 25 (1842), S. 1-60; 161-200 und 361-419, endgültig
verabschiedet. Wächter setzte sich dort kritisch mit der früheren
gemeinrechtlichen Statutentheorie auseinander und zitiert dabei eine große Zahl
von Autoren und Schriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die meisten der von
ihm herangezogenen Quellen sind in dem hier vorzustellen Werk nunmehr erfaßt
und berücksichtigt (zur gemeinrechtlichen Statutentheorie siehe knapp die
Einführung P. Dopffels (S. 1-13) sowie Hans Stoll in der zitierten Rezension,
insbesondere S. 383-388; grundlegend F. Gamillscheg, Der Einfluß Dumoulins auf
die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955 sowie später Merzyn, Der Beitrag
Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; G. Hermann, Johan
Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Hilling, Das
kollisionsrechtliche Werk Heinrich Freiherr v. Coccejis (1644-1719), Diss.
Osnabrück 2001; für eine umfassende bibliographische Dokumentation siehe
zuletzt G. Kegel und K. Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl., München
2000, S. 152-158, insb. S. 158. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem
dogmengeschichtlichen Schrifttum zur Statutentheorie wird allerdings in den
Vorbemerkungen von vornherein nicht angestrebt). Bemerkenswert ist, daß, anders
als im 16. Jahrhundert, als die gemeinrechtlichen Autoren die Probleme der
Statutenkollision vor allem in einer eminent praktischen Ausrichtung - etwa in
Gutachten zu konkreten Streitfällen - erörtert haben, im 17. Jh. die
theoretischen Abhandlungen zu überwiegen scheinen. Diese strukturelle
Veränderung spiegelt sich in diesem Band: Bezeichnend ist hier das Auftauchen
zahlreicher Universitätsdisputationen zu solchen Themen.
Durch ihre editorische und übersetzende Tätigkeit
haben Christian von Bar und H. Peter Dopffel große Verdienste um die Geschichte
des deutschen und europäischen internationalen Privatrechts erworben. Sie haben
zugleich ein Editionswerk vorgelegt, das auch für die Geschichte der
gemeinrechtlichen Wissenschaft des 16. und 17. Jahrhunderts ein Meilenstein
werden dürfte. Selbst Privatrechtler, die keine professionellen
Rechtshistoriker sind, sind nunmehr in der Lage, eine Fülle gemeinrechtlicher
Texte praktischen und theoretischen Inhalts heranzuziehen. Auch in dieser
Hinsicht stellt das Werk deshalb einen wichtigen Beitrag für die
Aufrechterhaltung der Gegenwartsbedeutung der Rechtsgeschichte dar.
Saarbrücken Filippo
Ranieri