Köbler/EsdersMierau20010905 Nr. 10416 ZRG 119
(2002) 21
Esders,
Stefan/Mierau, Heike Johanna, Der althochdeutsche Klerikereid.
Bischöfliche Diözesangewalt, kirchliches Benefizialwesen
und volkssprachliche Rechtspraxis im frühmittelalterlichen Baiern (= Monumenta Germaniae Historica,
Studien und Texte 28). Hahn, Hannover 2000. L, 317 S.
Der 38 Wörter zählende, 1836 wieder aufgefundene
althochdeutsche Klerikereid ist in zwei Handschriften
überliefert. Davon ist die Handschrift clm 6241
wahrscheinlich im zweiten oder dritten Drittel des 10. Jahrhunderts in Freising
entstanden: Die Handschrift clm 27246 stammt
ebenfalls aus dem Freising des 10. Jahrhunderts.
Die Verfasser tragen vorsichtig Argumente dafür
zusammen, dass die Verbindung von oboedientia, stabilitas und canones (althochdeutsch kahorich,
statig, aphter
canone) bereits unter Karl dem Großen im
Frankenreich verbreitet worden sein dürfte. Sie machen wahrscheinlich, dass
dabei westliche Gebiete und östliche Gebiete keine unterschiedliche Entwicklung
erfuhren. Sie legen deshalb eine Entstehung des Eides zu Beginn des 9.
Jahrhunderts nahe.
Ziel ihrer Untersuchung ist die Ermittlung eines einleuchtenden Grundes für den von ihnen als einzigartig angesehenen Text. In diesem Zusammenhang gehen sie überzeugend von einem naheliegenden Bezug zur Rechtspraxis aus. Deshalb analysieren sie den Text zunächst in Hinblick auf seinen Rechtsinhalt und seine möglichen Quellen. Danach werten sie die Freisinger Traditionen unter der Fragestellung aus, welche Aussagen sie über das Verhältnis zwischen Klerus und Bischof erlauben.
Dass die Freisinger Bischöfe ein starkes Interesse
an der Gewinnung zusätzlicher Güter hatten, entspricht allgemeinen Tendenzen.
Dass sie bei einer Auftragung weltlicher Güter an das Hochstift und ein
anschließenden leihweisen Rückgabe Gefahr liefen, in
einen Rechtsstreit mit anderen Interessenten verwickelt zu werden, leuchtet
ebenfalls ein. Deshalb kann man die Verwendung des Althochdeutschen als ein
Mittel verstehen, die Öffentlichkeit mit dem Geschehen vertraut zu machen, um
sie bei Bedarf als Zeugen beiziehen zu können.
Die dazu erforderliche Beweisführung erfolgt auf
breiter, ausgewogener Grundlage. Zu bedenken ist lediglich, dass die
geschilderte Interessenlage nicht allein in Freising bestanden haben kann und
dass auch das Lehnswesen als solches für die frühe Zeit zuletzt durchaus
Zweifeln ausgesetzt wurde. Insgesamt ist die durch Register der Personennamen,
Ortsnamen und Sachen bestens erschlossene Arbeit der Verfasser aber eine sehr
interessante, gedankenreiche Studie, die den Wert interdisziplinärer
Beschäftigung eindrucksvoll dokumentiert.
Innsbruck Gerhard
Köbler