HafnerStribrny20000919 Nr. 1093 ZRG 118 (2001)

 

 

Stribrny, Wolfgang, Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848). Geschichte einer Personalunion (= Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 14). Duncker & Humblot, Berlin 1998. 308 S.

Die Geschichte der Personalunion zwischen dem Königreich Preußen und dem Fürstentum von Neuenburg (Neuchâtel) ist ein weitgehend unbeleuchtetes Kapitel in der historischen Entwicklung Mitteleuropas zwischen dem spanischen Erbfolgekrieg und dem Ende der großen Monarchien nach dem ersten Weltkrieg.

Die vorliegend anzuzeigende Studie befasst sich mit der fast 150-jährigen Geschichte der geographisch auseinanderliegenden Herrschaftsgebiete. Insgesamt sechs preußische Monarchen hatten beinahe anderthalb Jahrhunderte lang dieses an der Grenze zu Frankreich liegende Fürstentum regiert.

Der Aufbau der Studie orientiert sich an den Regierungsdaten der jeweiligen Monarchen beginnend mit Friedrich I. und endend bei der Herrschaft Friedrich Wilhelms IV. Die Aspekte, die der Autor dabei besonders hervorhebt, sind die Stellung Neuenburgs in der preußischen Politik und das Verhältnis zur Schweiz. Der Autor geht dabei auch auf die wesentlichsten Ereignisse der gemeinsamen preußisch-neuenburgischen Geschichte ein.

So befasst sich der Autor zunächst mit der Entstehung der Personalunion während des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1713): Das Fürstentum war nach dem Tod der keine direkten Erben hinterlassenden Fürstin von Neuenburg, Marie d’Orléans, verwaist. Der Wunschkandidat Ludwigs des XIV. von Frankreich, Prinz François Louis de Conti, vermochte sich wider Erwarten seines Monarchen nicht durchzusetzen. Stattdessen wählten die Stände des Fürstentums Friedrich I., den König von Preußen, zum neuen Herrscher über Neuenburg. Diese Wahl war wohl nicht zuletzt auch der klugen Diplomatie des preußischen Gesandten, des Fürsten von Metternich (1657-1727), zu verdanken und begründete die Herrschaft der Könige von Preußen über das Fürstentum, das zugleich Bündnispartner der schweizerischen Eidgenossenschaft war.

Unter der Herrschaft Friedrichs des Grossen (1712-1786) kam es zu ernsthaften Querelen zwischen dem König und seinen Neuenburger Untertanen. Eine große Krise ergab sich in den Jahren 1768/69 aufgrund der preußischen Steuerpolitik, zumal Preußen am Ende des siebenjährigen Krieges dringend auf eine Verbesserung der Einnahmen aus dem vom Kriege verschonten Fürstentum angewiesen war. Die Krise gipfelte in der Ermordung des königlichen Repräsentanten in Neuenburg und endete mit dem Einmarsch von Schweizer Truppen, die im Dienste des preußischen Königs die Ordnung im Lande wiederherstellten.

Das Ende des napoleonischen Kaiserreiches brachte für Neuenburg nicht nur die Restauration der alten Verhältnisse, sondern auch den Beitritt zum schweizerischen Staatenbund. Die Jahre zwischen der Rückkehr unter die Herrschaft des preußischen Königshauses und der Eingliederung in den 1848 gegründeten schweizerischen Bundesstaat waren durch die revolutionären Umbrüche in Europa (vor allem 1830 und 1848) gekennzeichnet. So kam es im Jahr 1831 zwischen Royalisten und Aufständischen zu Auseinandersetzungen, die durch den Einmarsch eidgenössischer Bundestruppen befriedet wurden. Danach folgten in der ersten Hälfte der dreissiger Jahre des 19. Jahrhunderts noch mehrmals Konflikte zwischen Gegnern und Befürwortern der königlichen Herrschaft über Neuenburg; dies trotz zahlreicher preußischer Reformen wie etwa der Gründung einer vom König finanzierten Hochschule im Jahre 1838. Dann beruhigten sich die revolutionären Umtriebe bis zum schweizerischen Sonderbundskrieg 1847/48.

Die Jahre bis zum Sonderbundskrieg waren geprägt von einer Abwendung der Einwohner von ihrem Souverän und der gleichzeitigen Hinwendung zur Schweiz. Im Anschluss an die französische Märzrevolution kam es zu einem erfolgreichen republikanischen Umsturz. Dieser bedeutete de facto das Ende der Herrschaft König Friedrich Wilhelms IV. über Neuenburg. Am 30. April 1848 wurde durch eine Volksabstimmung die republikanische Verfassung angenommen. Danach bestand die Personalunion nur noch rechtlich, nicht mehr faktisch.

Im Jahre 1856 wurde alsdann eine royalistische Konterrevolution blutig niedergeschlagen. Dies führte zu einem Zerwürfnis zwischen Preußen und der die republikanische Neuenburger Regierung unterstützenden Schweiz. Die Krise, die sogar von beidseitigen Kriegsvorbereitungen begleitet war, wurde schließlich durch den offiziellen Verzicht des Königs auf sein Fürstentum am 26. März 1857 und eine Amnestie für die Konterrevolutionäre durch die Schweiz gelöst.

Das vorliegende Werk liefert eine gute Beschreibung der historischen Episode preußischer Herrschaft über Neuenburg. Es sich handelt sich um ein gelungene Studie, die Licht ins Dunkel eines wenig bekannten Kapitels royalistischer Geschichte eines Schweizer Kantons bringt.

Basel                                                                                                                         Felix Hafner