Würth, Ingrid, Regnum statt Interregnum – König Wilhelm, 1247-1256 (= Monumenta Germaniae Historica – Schriften 80). Harrassowitz, Wiesbaden 2022. LVIII, 475 S., 10 Abb., 2 Tab. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Bei der Suche nach allgemein überzeugenden Einteilungen der Entwicklung der Menschheit zumindest in Europa hat sich - nach Cassiodor - seit Christoph Cellarius‘ Historia universalis von 1702 die Dreiteilung in Altertum, Mittelalter und Neuzeit weitgehend durchgesetzt. Da auch in den langen tausend Jahren des Mittelalters zahlreiche Veränderungen eingetreten sind, hat sich eine feinere Untergliederung empfohlen, die Frühmittelalter, Hochmittelalter und Spätmittelalter voneinander scheidet. In diesem Rahmen spielen die Jahre zwischen dem Aussterben der Staufer und der Wahl des ersten Habsburgers zu dem König des Heiligen römischen Reiches seit langer Zeit eine besonders prägende Rolle.
Mit ihnen beschäftigt sich das vorliegende, von der zwischen 1997 und 2003 in Jena und Siena in mittelalterlicher Geschichte, alter Geschichte und Germanistik ausgebildeten, als wissenschaftliche Hilfskraft in Jena und als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Halle-Wittenberg tätigen, 2011 über Geißler in Thüringen im 14. und 15. Jahrhundert promovierten und von Andreas Ranft betreuten Historikerin verfasste Werk, das 2019 2019 von der Philosophischen Fakultät I der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Habilitationsschrift für die venia legendi in mittelalterlicher Geschichte und vergleichender Landesgeschichte angenommen wurde. Es gliedert sich nach dem kurzen Abbildungsverzeichnis und dem die Seiten XIII bis LVIII einnehmenden Quellen- und Literaturverzeichnis in drei Teile. Sie betreffen Regnum als Konstrukt im 13. Jahrhundert auf der Grundlage der Jahre von 1239 bis 1247, Aspekte der Herrschaft König Wilhelms und das Bild des Königs Wilhelm im Spiegel der Geschichtsschreibung und der Memoria.
In diesem Rahmen wendet sich die seit dem 1. 10. 2021 die Professur für mittelalterliche Geschichte in Leipzig vertretende Verfasserin gegen die bisher überwiegende Ansicht, dass die Herrschaft Wilhelms eine der traurigsten unserer ganzen Geschichte gewesen sei. Ihre sorgfältige Untersuchung weiterer Bereich kann ansprechend zeigen, dass Wilhelm als König in einer Weise handelte, die einen Vergleich mit seinen staufischen Vorgängern und seinem habsburgischen Nachfolger nicht zu scheuen braucht. Von beiden unterscheidet seine Herrschaft in erster Linie die kurze Dauer von acht Jahren, nicht dagegen Herrschaftspraxis, politische Zielsetzung, Durchsetzungsfähigkeit oder Autorität, so dass in ihren Augen der erste „Grafen-König“ auch über seine Heimatregion hinaus durchaus ein ehrendes Andenken verdient, weil er zwar in der allgemein als Interregnum bezeichneten Zeit lebt, aber doch regnum ausübt.
Innsbruck Gerhard Köbler