Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht - Petrinische Glosse, hg. v. Kaufmann, Frank–Michael. 3 Teilbände (= Monumenta Germaniae Historica, Fontes iuris Germanici antiqui, Nova series Band 11) Harrassowitz, Wiesbaden 2021. LXXXV, 376, VIII, 379-844, VIII, 845 - 1260 S., 16 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das lateinische Wort glossa ist bei Varro (116-27 v. Chr.) als Übernahme des griechischen Wortes mit den Bedeutungen Zunge, Sprache belegt. Inhaltlich ist ihm allmählich die Bedeutung Erklärung zugewachsen, weil es in jeder Sprache Wörter gibt, die nicht jedem Menschen in gleicher Weise verständlich sind und deswegen den weniger Kundigen von Kundigeren auf Grund ihres umfangreicheren Wissens erklärt werden können. In diesem Rahmen entwickeln sich in Oberitalien wohl spätestens seit dem 12. Jahrhundert besondere Glossatoren, welche die spätantiken, von dem oströmischen Kaiser Justinian auf der Grundlage der römischen Jurisprudenz und der kaiserlichen Gesetze neu gefassten Rechtstexte ihren Zeitgenossen verständlicher zu machen suchen.

 

Nachdem der wohl ungelehrte Eike von Repgow vielleicht zwischen 1221 und 1224 das Gewohnheitsrecht seiner ostfälischen Heimat wohl zuerst in lateinischer Sprache aufgezeichnet und dann auf Bitten Hoyer von Falkensteins in das Mittelniederdeutsche übertragen hatte, entstand auch ein allgemeineres Interesse an gelehrten Erklärungen dieses Textes mit Hilfe weiterer Literatur und Wissenschaft. Die Ergebnisse dieser Tätigkeit fanden zwar bereits früh eine gewisse Aufmerksamkeit, standen aber lange Zeit hinter dem Rechtsbuch zurück. Erst in der jüngsten Vergangenheit gelang Frank-Michael Kaufmann in dem Rahmen des Vorhabens Monumenta Germaniae Historica (Sachsenspiegelglossen) der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig die von Emil Steffenhagen bereits 1877 und 1882 angestrebte,  inzwischen mit öffentlichen Mitteln geförderte Edition, die 2002 mit der Buch’schen Glosse zu dem Landrecht des Sachsenspiegels begann und über die kürzere Glosse zu dem Lehnrecht (2006) und die längere Glosse zu dem Lehnrecht (2013) und das Glossar zu der Buch’schen Glosse (2015) bis zu der jetzt in drei Bänden vorgelegten, dem Gedenken an Peter Landau und Rolf Lieberwirth gewidmeten Petrinischen Glosse zu dem Landrecht des Sachsenspiegels reicht und zumindest in abgewandelter Form noch die Lehnrechtsglosse des Nikolaus Wurm einschließen und damit 15 Bände umfassen soll.

 

Der in Leipzig 1995 mit Studien zu Sidonius Apollinaris promovierte, durch seine Editionen für die Sachsenspiegelforschung eine bestmögliche Grundlage der Glossen schaffende Herausgeber verbindet die Petrinische Glosse mit Petrus de Posena und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er legt der Edition für den Sachsenspiegel die Handschrift B1 und für die Petrinische Glosse die Handschrift B2 zu Grunde und zieht als Variantenhandschriften H, P und W heran (Synopse Teilband 3, 1060-1153). Als Zitate aus dem gelehrten Recht ermittelt er etwa 7400 Stellen aus Bibel, Digesten, Codex, Authentiken, Novellen, Glossen des Accursius, dem kanonischen Recht, den Libri feudorum und weiteren Quellen (Quellenregister Teilband 3, 1194-1260, wobei vier Stellen für ihn unauflösbar bleiben).

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler