Finke, Moritz, Werk und Veränderung. Verwertungsrechte an veränderten Gestaltungen im Urheberrecht (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 175). Mohr Siebeck, Tübingen 2022. 261 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Wie aktuell diese Arbeit zum Werkbegriff rechtspraktisch sein könnte, verrät der Titel nur indirekt. Es geht nämlich um qualifizierte Nutzungen an urheberrechtlichen Veränderungen wie Karikaturen, Parodien, Mashups, Memes, Fan-Artikel, Bearbeitungen von Musik und Theaterstücken. Der Verfasser legt einen ontologischen Werkbegriff zugrunde.
Untersucht wird primär das Verhältnis der §§ 15ff. und § 23 I 1 UrhG. Es soll eine „streng am Normtext begründete Auslegung der Verwertungsrechte an veränderten Gestaltungen entstehen“ (S. 3). Wie sich eine penibel entfaltete Dogmatik letztlich auf Einordnung neuer künstlerischer Formgestaltungen auswirkt, steht dann nicht im Vordergrund der engeren Interessen der Studie. Das primäre Normenverständnis wird in Beziehung gesetzt zur InfoSocRL und VVRL. Kein Zufall, sondern symptomatisch, dass sich die theoretische Basis u. a. an Hans Kelsens Normverständnis orientiert. Methodisch sollen nur Argumente, die auf den Normtext als solchen zurückführen, zulässig sein. Historische Auslegungsmethoden verfallen dem Verdikt als unzulässige Zirkelschlüsse.
Damit einher geht ein explizit „statisches“ Normverständnis. § 23 I 1 Var. 2 UrhG wird als lex specialis gesehen. Die deutschen Normen sind, so das nicht unerwartete Endergebnis, mit den genannten Richtlinien der Europäischen Union vereinbar.
Der Ablauf der normativ hoch ausgreifenden Untersuchung konzentriert sich demnach vornehmlich auf den theoretischen Begriff der Verwertung veränderter Gestaltungen, diskutiert dynamische und statische Lesarten der Normbefunde, die Bedeutung des Werkbegriffs (§§ 2, 12, 13, 106, 121, 123 UrhG) und bewertet ihn im Gesetz kritisch als „uneinheitlich“ (S. 94f.).
Bearbeitungen und andere Umgestaltungen werden auf diesen sehr apodiktisch festgelegten Linien, auch in Abgrenzung von der „Gesamteindrucks“-Doktrin des Bundesgerichtshofs als veränderte Gestaltungen gesehen. Nicht unerwartet bleibt als fast schlichtes Ergebnis der als unabweisbar vorgetragenen Dogmatik, dass somit ein Recht des vorschaffenden Urhebers an „seinen veränderten Gestaltungen statuiert“ werde (S. 128). Dass der „Veränderer“ zudem eigene Rechte erwirbt, liegt im Übrigen folgerichtig fast auf der Hand.
In dem sehr eingehend begründeten Votum wird die Vereinbarkeit mit den genannten zwei Richtlinien der Europäischen Union begründet.
Man hätte erwarten können, dass gerade auch im Hinblick auf die spezifischen praktischen Anwendungsfälle der dynamischen künstlerischen Praxis bis hin zu Hommages, Fan-Artikeln und anderen neueren, zunehmend bedeutsamen Formen wie Memes etc. den Problemen der sog. freien Benutzung mehr Gewicht und Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Immerhin wird sehr am Ende im Kontext der Abstands- und Verblassenslehre ein knapper Blick auf den neuen § 51a UrhG (Parodien, Karikaturen, Pastiche) eher beiläufig in schmalen Fußnotenbemmerkungen vergönnt.
Gerade die sehr praktische, ja zentrale Frage nach den Schranken in UrhG und InfoSocRL für innovative Variationen veränderter Gestaltungen – bis hin zum weiterhin hoch umstrittenen Sampling, zu traditionellen und modernen künstlerischen Collagen - und der Notwendigkeit, ihren unübersehbar wichtigen Entwicklungen sowie den zwingenden sozialen Nutzungsbeschränkungen in einem modernen, am Verbreitungs- und Beteiligungsgedanken und an verfassungsrechtlicher Kunstfreiheit orientierten Urheberrecht zu entsprechen, wäre Anlass für einen womöglich erweiterten Gegenstand der Arbeit angebracht gewesen. Denn die Schrankenfrage für „transformative use“ muss über die strikt dogmatisch-normative Begriffsbestimmung des „Werkes“ hinaus rechtspraktisch, rechtsvergleichend und rechtspolitisch beantwortet werden. Zwanzig Jahre musikalische Sampling-Judikatur boten mit statischen oder dynamischen, jedenfalls so divergierenden wie diskussionswürdigen Lesarten ein vielfarbiges Tableau von Argumenten pro oder contra künstlerischer Entwicklungsdynamik – und dies eher abseits von dogmatischen closed shops.
Ob mit der geistreichen Weiterentwicklung ontologischer Begrifflichkeiten und der Überbau-Statik in sich ruhender Systemschärfe angesichts innovativer Kunst- und Produktentwicklungen für eine zukunftsfähige Gestaltung des Urheberrechts außer hochfliegender komplexer Dogmatik viel gewonnen sein wird? Zweifel sind angebracht.
Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen