Schweizer, Angelika, Juristische Bemäntelung rassenideologischen Unrechts gegenüber „deutschblütig“-jüdischen Mischehen (= Rechtsgeschichtliche Studien 88). Kovač, Hamburg 2021. XLIX, 271 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Ehe der Mensch zwecks besserer Gestaltung seines Zusammenlebens mit seinen Mitmenschen das Recht entwickelte, sicherte er den Fortbestand seiner Art wohl auf natürliche, rechtsfreie Art und Weise, deren Herkunft und Wirkungskraft bislang von ihm wohl noch nicht überzeugend entschlüsselt werden konnten. Dessenungeachtet haben seine Zahl und seine Bedeutung auf der Erde bis zu der Gegenwart so sehr zugenommen, dass er anscheinend gewichtigen Einfluss auf die Zukunft ausüben kann. Demgegenüber ist die Auswirkung rechtlicher Regeln auf die Fortpflanzung der Menschen letztlich anscheinend von untergeordneter Bedeutung geblieben.

 

Mit einem einzelnen Aspekt des in diesem Zusammenhang relevanten Eherechts beschäftigt sich die Verfasserin der vorliegenden, 2015 an der Universität Augsburg angenommenen rechtsgeschichtlichen Dissertation über „deutschblütig“-jüdische Mischehen. Sie gliedert ihre Arbeit nach einer Einleitung über die thematische Relevanz und Richtung der Untersuchung sowie den Gang der Untersuchung in insgesamt zehn Abschnitte. Sie betreffen das geistige Fundament der Behandlung „deutschblütig“-jüdischer Mischehen, das Fundament der rechtlichen Behandlung, die sukzessive Umsetzung der Rassenideologie gegenüber Juden, die Beeinflussung der Bevölkerung jenseits rechtlicher Durchsetzung, die gesetzliche Ausgangslage als Ansatzpunkt ideologisch motivierter Modifikation, die rechtliche Umsetzung der Rassenideologie im Bereich der Eheschließung, die rechtliche Umsetzung der Rassenideologie im Bereich bestehender Ehen und die rechtliche Umsetzung der Rassenideologie im Bereich der Eheauflösung, die rechtliche Umsetzung der Rassenideologie nach Beendigung der Mischehe sowie einen zusammenfassenden Schluss.

 

Als tatsächliche Fallbeispiele dieser Problematik geht die Verfasserin in diesem Rahmen auf die Ehen Heinz Rühmanns mit der seit 1917 keiner Religionsgemeinschaft mehr angehörenden Maria Bernheim, Joachim Gottschalks und Meta Wolffs, Frank Wysbars und Eva Kronjankers, Fritz Hilperts und Mathilde Schragers sowie Rudolf Demans und Frida Leiders sorgfältig und umsichtig ein und kann zeigen, dass sich die Lage für Betroffene derart ausweglos darstellte, dass diese sich zu einer Ehescheidung gedrängt fühlten, wenn sie nicht gar den Weg der Selbsttötung wählten. Dass es nicht zu einer gesetzlichen Auflösung von Mischehen kam, begründet die Verfasserin einleuchtend mit Hitlers ausweichender Taktik. Insgesamt kann die Verfasserin überzeugend darstellen, dass der Mensch eine Ideologie als Medium der Welterklärung in politischem Kalkül als Steuerungssystem der Gesellschaft instrumentalisieren kann, um unter dem Deckmantel scheinbarer Rechtfertigung intendierte Zielvorstellungen von eigener Reinheit und damit verbundener Entfernung des abweichenden Anderen zu verwirklichen, wobei sie in der Chronologie der rassenideologisch begründeten Verfolgungspraxis der Mischehen während der nationalsozialistisch bestimmten Zeit des Deutschen Reiches eine sukzessive Intensivierung diagnostizieren kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler