Reformation und Recht – Ein Beitrag zur Kontroverse um die Kulturwirkungen der Reformation, hg. v. Strohm, Christoph. Mohr Siebeck, Tübingen 2017. VIII. 219 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Das wohl 1400 als reformacie aus dem Lateinischen reformatio aufgenommene Wort Reformation bedeutet die Zurückbildung eines gegenwärtigen schlechten Zustands bzw. einer gegenwärtigen Form in einen ursprünglichen einwandfreien Zustand bzw. eine ursprüngliche Form bzw. die Veränderung eines tatsächlichen unvollkommenen Zustands zu einem besseren oder guten Zustand. In der christlichen Kirche ist Reformation die vergleichbaren Bestrebungen John Wiclifs (1330-1384) in Oxford und Jan Hus‘ (1361-1415) in Prag folgende, von Martin Luther (1483-1546) an dem 31. 10. 1517 durch Anschlag von 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg in Gang gesetzte, unter erfolgreicher Nutzung des jungen Buchdrucks schnell verbreitete und in dem Laufe des 16. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossene Erneuerungsbewegung, welche die Erlösung des sündigen Menschen statt auf käufliche gute Werke auf die Gnade Gottes zurückführt. Sie bewirkt nach der politischen Kompromissformel cuius regio, eius religio in dem Heiligen römischen Reich die noch in der Gegenwart fortdauernde Spaltung in einen vorwiegend katholischen Süden und einen hauptsächlich evangelischen Norden.

 

Mit ihrem Einfluss auf die Kulturwirkungen beschäftigt sich der vorliegende, von dem in Memmingen 1958 geborenen, in München, Neuendettelsau und Heidelberg in evangelischer Theologie und Geschichte ausgebildeten, 1987 mit einer Dissertation über theologische Ethik im Kampf gegen den Nationalsozialismus promovierten, 1985 mit einer Schrift über Ethik im frühen Calvinismus habilitierten, 1996 nach Bochum berufenen und 2006 nach Heidelberg zurückberufenen Kirchenhistoriker herausgegebene schlanke Sammelband. Er enthält sieben der acht Vorträge, die auf einem von dem wissenschaftlichen Beirat der Lutherdekade in Berlin an dem 26./27. Februar 2016 veranstalteten Symposium dargeboten wurden. Es geht ihm nach dem kurzen Vorwort um die große Frage, in welcher Weise die Etablierung und Akzeptanz von Recht mit religiösen bzw. weltanschaulichen Grundentscheidungen verbunden sind oder gar davon abhängen.

 

Zu diesem Zweck untersuchen die Studien einzelne Aspekte des Einflusses der Reformation auf die Rechtsentwicklung der frühen Neuzeit. Dabei bietet Cornel A. Zwierlein einen Überblick über die neuere, allen drei Hauptkonfessionen gleichermaßen modernisierende Wirkung zusprechende neuere Konfessionalisierungsforschung, ordnet Michael Stolleis die Reformation in größere Zusammenhänge der Staatsentwicklung und Rechtsentwicklung ein, betont Heiner Lück  die Beiträge Wittenberger Juristen, hebt Wim Decock den engen Zusammenhang zwischen Recht und Moral bei katholischen Juristen der frühen Neuzeit hervor, zeigt Christoph Strohm die positiven Folgen konfessionellen Wettbewerbs für die Entwicklung des Rechts, weist Heinrich de Wall auf den Wechsel von Klerikern und Klerikerjuristen  zu „weltlichen“ Juristen hin und legt Axel Freiherr von Campenhausen Impulsthesen für die Abschlussdiskussion vor. Auf diese Weise ist in der Nähe des Reformationsjubiläums ein zwar nicht erschöpfender, aber doch schmucker und anregender Band über die Wirkungen der Reformation auf das Recht zustande gekommen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler