Nossek, Vincent, Das Konzept „Grundbuch“. Der Streit um das Grundregister in Deutschland, Frankreich und England zwischen 1652 und 1900 (= Rechtsordnung und Wirtschaftsgeschichte 20). Mohr Siebeck, Tübingen 2019. XXII, 450 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die dem Menschen von Anfang an vorgegebene Natur kennt aus der Sicht des Menschen insofern unterschiedliche Gegebenheiten, als manche von ihnen wie Berge, Seen oder Pflanzen einen grundsätzlich festen Standort haben und damit unbeweglich sind, während andere wie etwa Wolken, Tiere oder Geräte ohne Zerstörung leicht sich von einem Ort zu einem anderen Ort bewegen oder bewegt werden können und damit unbeweglich sind. Das von dem Menschen zu unbekannter Zeit allmählich entwickelte Recht kann diesen Unterschied berücksichtigen oder vernachlässigen. In diesem Sinne hat das römische Recht zwar zeitweise zwischen res mancipi und res nec mancipi, aber nicht durchgehend zwischen unbeweglichen Sachen und beweglichen Sachen unterschieden und dementsprechend niemals ein besonderes Grundstücksrecht mit einem Grundbuch entwickelt, während das deutsche Recht ausgehend von Schreinskarten in Köln um 1135 allmählich aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus zu einem besonderen Grundbuch für die Beurkundungen von Rechtsverhältnissen an Grundstücken gelangt ist.

 

Mit einem besonderen Aspekt dieser Entwicklung beschäftigt sich die vorliegende gewichtige, von Mathias Schmoeckel betreute, in dem Sommersemester 2018 von der Universität Bonn angenommene Dissertation des mehr als sieben Jahre als stolzer Mitarbeiter des Instituts seines Betreuers tätigen Verfassers, der die Grundregister in Deutschland, Frankreich und England von 1652 bis 1900 vergleicht. Gegliedert ist die interessante Studie nach einer Einleitung mit Hinführung, Glossar, Forschungsstand, Fragestellung, Thesen Methode und Gang der Untersuchung in zwei Sachkapitel. Diese betreffen Länderberichte über das englische Grundregisterrecht, Frankreich und das preußisch-deutsche Grundbuchrecht einerseits und eine vergleichende, chronologisch geordnete Darstellung andererseits.

 

An dem Ende seiner gelungenen Darstellung versucht der Verfasser die Frage zu beantworten, warum das Grundregister in Deutschland, Frankreich und England an dem 1. Januar 1900 unterschiedlich ausgestaltet war, obwohl die Motivation des Gesetzgebers in allen drei Ländern gleichermaßen die Förderung von Realkredit und Immobilienmarkt bei gleichzeitigem Schutz von Eigentümern und auch Dritten war. Dabei weist er zutreffend darauf hin, dass nach der zunehmenden Marktgängigkeit und der gesteigerten Wertschöpfung von Grundstücken die konkrete Umsetzung der allgemeinen Grundregisterprinzipien von der Gewichtung der Zielsetzungen durch den jeweiligen Gesetzgeber abhing. Als Grund für die trotz mancher Gemeinsamkeiten von der Lösung Deutschlands abweichenden Regelung in England und Frankreich benennt er überzeugend nicht eine allgemeine geistige Überlegenheit eines Konzepts, sondern politische, dogmatische und finanzielle Überlegungen einzelner beteiligter und betroffener Kreise.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler