Kelly, Robert L., Warum es NORMAL IST, dass die WELT UNTERGEHT. Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Theiss, Darmstadt 2020. 224 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Welt ist für den Menschen ein Wunder, das wegen der Kürze des menschlichen Lebens für den Menschen keinen sichtbaren Anfang und auch kein sichtbares Ende hat, sondern trotz ständiger vielfältiger Veränderungen einfach da ist. Der moderne, denkende Mensch hat zwar mit Hilfe seines ihn auszeichnenden Verstands inzwischen ermittelt, dass das Universum einen ziemlich genau zu bestimmenden Beginn hat, doch ist selbst ihm bisher der Grund hierfür verborgen geblieben.  Er kann auch vorhersagen, dass sich die Sonne und ihr Planet Erde in voraussehbarer, aber in Verhältnis zu der Länge des einzelnen Lebens eigentlich ewiger Zeit so nahekommen werden, dass die Erde verglühen wird, doch sind auch hierfür der innere Grund und der genaue Zeitpunkt unbekannt.

 

Dessenungeachtet sucht der in Connecticut 1957 geborene, schon früh von dem Westen angezogene, 1978 an der Cornell University zu einem Bachelor in Anthropologie, 1980 in New Mexico zu einem Master graduierte, 1985 in Michigan mit einer Dissertation über Mobilität und Sesshaftigkeit von Jägern und Sammlern promovierte und danach in Maine, Kentucky und Wyoming tätige Verfasser der vorliegenden Studie einen Grund dafür, weswegen es normal ist, dass die Welt untergeht. Er gliedert seine 2016 in Oakland/California erschienene und dem optimistischen Vater gewidmete, von Cornelius Hartz aus dem Englischen übertragene kurze Geschichte von gestern und morgen in sieben Kapitel. Diese betreffen das Ende der Welt, wie wir sie kennen, das Denken der Archäologen, die Technologie der Stöcke und Steine, die Kultur von Schmuck und Symbolen, die Landwirtschaft mit Brot und Bier sowie die Staaten mit ihren Königen und Ketten.

 

Daraus erschließt er überzeugend, dass die Geschichte der Menschheit voll von Neuanfängen und nichts für immer ist. Er sieht darin aber keine wirkliche Gefahr, sondern eine einmalige Möglichkeit. Weil er wie Tutanchamun und seine Grabeshüter das Gestern gesehen hat und das Morgen kennt, kann er vorhersagen, was nach dem Kapitalismus kommt, wie der Mensch künftige globale Konflikte löst und ob der Nationalstaat überleben wird – möge die künftige Entwicklung all diese archäologisch fundierten Blicke mit dem Ziel von Brücken statt Mauern einlösen, obgleich dem Menschen die Zukunft während seiner gesamten Vergangenheit stets unbekannt war und vieles anders gekommen ist, als der Mensch jeweils gedacht hat.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler