Aßmann, Jaron, Zwischen Weltanschauung und Wissenschaft – Staats- und verwaltungsrechtliche Promotionen an der Berliner Fakultät von 1933 bis 1945 bei Reinhard Höhn, Carl Schmitt und Hans Peters (= Rechtsgeschichtliche Studien 86). Kovač, Hamburg 2020. XXXI, 727 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das Recht steht zu allen Zeiten in Verbindung mit Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Geistesgeschichte, so dass deren Grundzüge grundsätzlich immer auch Auswirkungen auf rechtliche Ausführungen haben können. Sie sind besonders deutlich, je entschiedener sich Zeitabschnitte in ihren Ausprägungen unterscheiden. Von daher kann Weltanschauung stets Wissenschaft beeinflussen, so rein Wissenschaft eigentlich sein und nur von dem Streben nach vorurteilsfreier Erkenntnis geleitet sein sollte.
Die vorliegende gewichtige, sehr interessante Studie ist die von Rainer Schröder angeregte und bis zu seinem überraschenden frühen Tode an dem 17. Januar 2016 und danach von Volker Neumann betreute, in dem Wintersemester 2017/2018 von der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin angenommene, von der Friedrich-Ebert-Stiftung großzügig geförderte Dissertation des mit Eberswalde besonders verbunden Verfassers. Sie gliedert sich nach einer ansprechenden Einleitung in sechs Teile. Sie betreffen das Promotionsverfahren mit den Betreuern Heinrich Triepel, Martin Wolff, Conrad Bornhak, Rudolf Smend, Erich Kaufmann, Hermann Dersch, Friedrich Glum, Wolfgang Siebert, Rüdiger Schleicher, Hans Peters (1896-1966), Carl Schmitt (1888-1985) und Reinhard Höhn (1904-2000), die Untersuchung der knapp siebzig Dissertationen nach Themen, Methoden, Sprache (Werner Dräger, Ivan Sipkov, Helmut Meeske, Hedwig Reimer, Sava Klickovic, Herbert Schneider, Hans Dietrich Kuhne, Konrad Sanden, Peter Hussmann, Alexander Lane, Horst Beuster, Gerd Autzen, Horst Wolters, Wolfgang Frenzel, Herbert Gerecht, Leo Münz, Franz-Johannes Schmidt-Dumont, Hans von Welczeck, Edwin Rieckmann, Hans Schmidt, Hans-Joachim Aumann, Rolf Stiller, Foochu Sheih, Arnold Sembritzki, Rüdiger von Bodungen, Horst Kube, Walter Lehder, Rudi Keßler, Rudolf Lange, Heinrich Gremmels, Helmut Lindemann, Eugen Ruckhäberle, Arnold Heining, Wilhelm Jürgel, Klaus Küster, Robert Dunlop, Arno Vobé, Siegfried Abramczyk, Eugen Schmid, Hans Moysich, Werner Schulze-Thulin, Friedrich Karl, Horst Zimmermann, Hans Joachim von Stechow, Josef Kölble, Arthur Seifert, Kurt Mertens, Justus Beyer, Helmut Giesebrecht, Heinz Rutkowsky, Peter Paul Wrede, Walter Tetzlaff, Werner Stollmann, Wilhelm Tensfeldt, Ernst Froböse, Martin Wehlandt, Sidney Jacoby, Max Merten, Leo Laufkötter, Hermann Kayser, Herbert Zilz, Eike Dornbach, Heinrich Mager, Günther Förster, Heinz Ludwig von Berswordt-Wallrabe, Alfred Leuchtmann, Heinz Goerke, Hein Niemann), die zusammenfassende Auswertung und eine Schlussbetrachtung.
In seinem vielfältigen überzeugenden Ergebnis kann der Verfasser feststellen, dass nach einer Übergangszeit auf dem zwölfjährigen Weg von Reimers in dem Juli 1933 vorgelegter Untersuchung über die Krisengesetzgebung der Weimarer Republik bis zu der Studie Foochu Sheihs von Mitte April 1945 ab Werner Drägers in dem Juli 1934 fertiggestellter Dissertation mit dem Titel Primat des Volkes gemeinschaftsgeneigte und führergeneigte Vorstellungen an Bedeutung gewannen, bis ab 1939 nationalsozialistische Gesichtspunkte überwogen, auch wenn sich selbst in dem Staatsrecht und Verwaltungsrecht kein gänzlich gleichgeschaltetes Forschungsspektrum aufspüren lässt. Ab 1936 wurden die staatsrechtlichen und Verwaltungsrechtlichen Promotionen fast ausschließlich von Höhn (35 Doktoranden), Peters und Schmitt betreut. Höhn beeinflusste seine Doktoranden erheblich.
Die Doktoranden waren in der Mehrzahl wenig belastete Nationalsozialisten, stützten aber auch als Mitläufer das Regime. Nach dessen Untergang beteiligten sich die überlebenden Doktoranden an dem Wiederaufbau. Insgesamt gelangt der Verfasser an dem Ende seiner gründlichen, durch ein Quellen- und Literaturverzeichnis, eine Übersicht über die Promotionen und ein von Abramczyk bis Zimmermann reichendes Personenregister benutzerfreundlich abgestützten Untersuchung zu der Einsicht, dass nach Ausweis seines Materials die letztlich von Menschen geformte Rechtswissenschaft dem Nationalsozialismus und der von ihm geprägten Politik wenig entgegenzusetzen hatte, was vermutlich auch für die rechtswissenschaftlichen Dissertationen anderer juristischer Fakultäten des Deutschen Reiches gelten dürfte.
Innsbruck Gerhard Köbler