Adam, Thomas, Zivilgesellschaft oder starker Staat? Das Stiftungswesen in Deutschland (1815-1989). Campus, Frankfurt am Main 2018. 300 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In der frühen Geschichte des modernen Menschen ist bis zu den Hochkulturen des Altertums noch kein Staat erkennbar. Die Stiftung als die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck auf Dauer durch Handlungen von Menschen zwecks Götterkults oder Ahnenverehrung geht in Ägypten und Mesopotamien vielleicht bis etwa 3000 v. Chr. zurück. Sie ist anscheinend dem in seinem Dasein zeitlich beschränkten Einzelnen und dann auch dem entstehenden, auf Dauer gedachten Staat möglich und gewinnt mit der Entwicklung von Reichtum unter den Menschen an Gewicht, das sich durch Gesetzgebung beeinflussen lässt.
Mit dem besonderen Einzelaspekt des Stiftungswesens in Deutschland zwischen 1815 und 1989 in der Gegenüberstellung von Gesellschaft und Staat beschäftigt sich das vorliegende, 2016 in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Titel Philanthropy – Civil Society and the State in German History 1815-189 in dem Verlag Camden House erschienene Werk des nach dem beigefügten Literaturverzeichnis seit 1998 in Stiftungsfragen forschenden Verfassers, der nach seiner Promotion des Jahres 1998 in Leipzig über Arbeitermilieu und Arbeiterbewegung in Leipzig zwischen 1871 und 1933 als Professor für transnationale Geschichte an der University of Texas in Arlington tätig ist. Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einleitung über Zivilgesellschaft und Stiften in den deutschen Staaten vor 1815, Zivilgesellschaft und Demokratie sowie den Aufbau des Buches in sechs Sachkapitel. Sie betreffen das Verhältnis zwischen Emanzipation und Einflussnahme, Pflanzstätten der höheren Bildung, die Beziehung zwischen nationalem Anspruch und lokaler Verwurzelung, Reformbewegung und Sozialkontrolle, die Bürgergesellschaft und den autoritären Staat sowie den Weg zu der staatszentrierten Gesellschaft.
In diesem Rahmen widerspricht der Verfasser auf Grund seiner Erkenntnisse der Vorstellung, dass die Deutschen in ihrer Geschichte besonders staatsorientiert waren, und stellt dem die Beobachtung gegenüber, dass die Bürger des Deutschen Reiches um 1900 durch Stiftungen überdurchschnittlich viele öffentliche Museen, Bildungsanstalten und andere wissenschaftliche Einrichtungen förderten. Daraus zieht er den Schluss, dass eine Zivilgesellschaft sich nicht nur in einer Demokratie wie den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch in einer monarchischen Gesellschaft wie dem Deutschen Reich entwickeln kann. Zwar begann mit dem Übergang von der Monarchie zu der Republik 1918 ein Niedergang des Stiftungswesens in dem Deutschen Reich, in dem die Reichsregierung 1925 mit der Abwertung der das finanzielle Rückgrat des Stiftungswesens bildenden Kriegsanleihen und Staatsanleihen die Zerstörung des gewachsenen Stiftungswesens bewusst in Kauf nahm, doch bestanden in den bisherigen Bundesländern der Bundesrepublik 1990 mehr als viertausend Stiftungen, deren Mehrzahl allerdings nur ein Jahresbudget von weniger als 100000 Mark hatte und deren Zahl sich infolge staatlicher Gesetzgebung bis 2015 auf 18820 Stiftungen mit einem freilich gegenüber den öffentlichen Haushalten bescheidenen Gesamtbudget von 12,5 Milliarden Euro, die für Bildungseinrichtungen, Sozialeinrichtungen und Forschungsinstitutionen eingesetzt werden konnten, erhöhte
Innsbruck Gerhard Köbler