Wesel, Uwe, Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland – Von der Besatzungszeit bis zur Gegenwart. Beck, München 2019. X, 276 S., Graf. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 80. IT
Uwe Wesel beginnt das kurze Vorwort des neuesten seiner vielen interessanten Werke mit den kennzeichnenden Sätzen: „Es ist ja schon manches geschrieben worden zur Rechtsgeschichte der Bundesrepublik. Aber da sind auch Gebiete, für die das noch nicht geschehen ist. Mit anderen Worten, es gibt noch keine Rechtsgeschichte der Bundesrepublik.
Hier ist sie nun. So etwas nennt man Zeitgeschichte. Die hat ihre Probleme.
Zum Beispiel die Autoren selbst. Dazu nur ein kleiner Hinweis. Als die Bundesrepublik gegründet wurde, stand ich vier Jahre vor dem Abitur.“
Dementsprechend hat der in Hamburg an dem 2. Februar 1933 geborene Verfasser die gesamte Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bewusst erlebt. Er ist also von der Zeit her vollständiger Zeitzeuge. Mag sich auch sein Weltbild in Einzelheiten immer wieder gewandelt haben.
Gegliedert ist das neue Werk in vier Teile. Sie betreffen die vier Jahre Besatzungszeit 1945-1949, die siebzehn Jahre der Zeit von Adenauer und Erhard 1949-1966, die vierundzwanzig Jahre von der ersten großen Koalition bis zu der Herstellung deutscher Einheit 1966-1990 und die neunundzwanzig Jahre von der Herstellung deutscher Einheit bis heute und damit insgesamt 70 Jahre oder bekanntlich nach bisheriger Erwartung das durchschnittliche Leben eines Menschen. Untergliedert sind diese vier Teile in dreizehn, achtundzwanzig, fünfundzwanzig und zwanzig und damit insgesamt sechsundachtzig Randnummern oder Kapitel.
Jeder Teil und damit auch die Besatzungszeit, die nicht wirklich Teil der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ist, sondern nur eine für das Verständnis hilfreiche Vorgeschichte, beginnt mit einem Kapitel Geschichte und Wirtschaft. Damit scheinen Geschichte und Wirtschaft so getrennt, als hätte die Wirtschaft keine Geschichte. Gemeint ist dabei aber nur, dass einerseits allgemeine politische Geschichte und andererseits Wirtschaftsgeschichte als Grundlagen für die Rechtsgeschichte jeweils in ihren wesentlichen geschichtlichen Entwicklungen vorweg skizziert werden sollen.
Für die Besatzungszeit werden nach dieser Grundlegung das Besatzungsregime, die völkerrechtliche Lage Deutschlands oder des in dem zweiten Weltkrieg von den Alliierten besiegten und besetzten Deutschen Reiches, die Stunde der Verwaltung und Gründung von Ländern, Besatzungsrecht, Aufhebung nationalsozialistischen Rechtes, weiter geltendes Recht, die Entnazifizierung, der Wiederaufbau der Justiz, der große Nürnberger Prozess gegen die 21 angeklagten Hauptkriegsverbrecher Dönitz, Frank, Frick, Fritzsche, Funk, Göring, Heß, Jodl, Kaltenbrunner, Keitel, Neurath, Papen, Raeder, Ribbentropp (!), Rosenberg, Sauckel, Schacht, Schirach, Seyß-Inquart, Speer, Streicher, von denen Frank, Frick, Göring, Jodl, Kaltenbrunner, Keitel, Ribbentrop, Rosenberg, Sauckel, Seyß-Inquart und Streicher zu dem Tode an dem Galgen verurteilt wurden, die Nürnberger Folgeprozesse mit dem Juristenprozess, die Militärgerichtsprozesse in den Besatzungszonen, die Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts durch deutsche Gericht, eine Denunziation 1943 und ein Standgerichtsurteil von 1945. Damit erhalten einzelne Verfahren bereits beachtliches Gewicht. Die einzelnen Rechtsgebiete treten demgegenüber in der zersplitterten Übergangssituation noch deutlich zurück.
In dem zweiten Teil werden zunächst die Entstehung des Grundgesetzes, das Besatzungsstatut und der Aufbau der Bundesgerichtsbarkeit mit dem Bundesverfassungsgericht in dem Mittelpunkt dargestellt. Danach werden öffentliches Recht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, allgemeines Privatrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht und soziales Mietrecht, Wirtschaftsrecht, Strafrecht und Europarecht in nicht wirklich vollkommen systematischer Reihenfolge erfasst. Sehr detailliert und sachkundig werden ausgewählte grundlegende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts analysiert.
In gleicher Weise geht der Verfasser auch in dem dritten Teil vor, in dem das Umweltrecht neu erscheint. Allerdings gewinnt das Bundesverfassungsgericht (BVErfGE 36,1, BVerfGE 8,51ff.) weiter an Gewicht. Besonders kritisch wird auf die ungesühnte Nazijustiz und die gescheiterte Juristenausbildung hingewiesen.
In dem vierten Teil wird die Digitalisierung und damit der Datenschutz allgemein bedeutsam. Die hervorgehobenen Entscheidungen stammen nur noch von dem Bundesverfassungsgericht (Soldaten sind Mörder, Kruzifix, die Bürgschaft der Tochter, Lebenspartnerschaftsgesetz, Werner Großmann, Markus Wolf, Maastricht und Lissabon). Die politischen Veränderungen in den europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union werden sehr ausführlich und verständlich dargelegt.
Bei der abschließenden Gesamtbeurteilung der Bundesrepublik und ihres juristischen Fundaments sieht der Verfasser die Gemeinsamkeiten mit der Republik von Weimar fast schon darin erschöpft, dass beide Ergebnis eines jeweils verlorenen Krieges waren und danach Demokratien wurden. Sie unterscheiden sich nach seiner Ansicht vor allem darin, dass die Weimarer Republik eine Gründung von innen, die Bundesrepublik eine Gründung von außen durch die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien und geduldet von Frankreich (und wegen der Gefahr eines dritten Weltkriegs vielleicht auch von der Sowjetunion) waren. Die zweite deutsche Republik, für die nach dem Verfasser erfahrene Politiker der Weimarer Republik eine sehr gute Verfassung beschlossen hatten, stand in Gegensatz zu der Weimarer Republik auch deshalb unter einem guten Stern, weil der militärisch-adlige Komplex von damals zerschlagen war und die Westalliierten den Fehler eines Versailler Vertrags in diesem Zeitpunkt vermieden.
Insgesamt bietet der Verfasser in dem ihm eigenen, auf den Leser zugreifenden Stil eine selbstbewusste, klare, auf die ihm besonders wichtig erscheinenden Gegebenheiten konzentrierte, vielfach sehr detaillierte und sachkundige sowie oft auch sehr kritische Darstellung von 70 Jahren Bundesrepublik. Gegenüber dieser beeindruckenden gedanklichen Leistung haben einige, durch Rechtschreibprogramme kaum aufspürbare Kleinigkeiten (des gemeinsam gewonnen Kriegs 3, zurück zu fordern 7, ihre jeweils südliche Gebiete 10, das Schwurgericht des Würzburger Landgerichts fand am 20. November 1949 Dr. Koop wegen vorsätzlicher Rechtsbeugung nach § 336 StGB zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt 33, Hier konnte sich der Parlamentarische Rat nach langen internen Auseinandersetzungen und schwierigen Verhandlungen mit den Militärgouverneuren letztlich auf ein Übergewicht zu Gunsten des Bundes durchsetzen 45, Du bist nichts, Dein Staat ist alles 45, im Gebäude des alten Preußischen Oberverwaltungsgericht 50, Hin und Wieder 65, Matrikelbeitrag statt Matrikularbeitrag 81, Aber § 951 ist keine Rechtsfolge[verweisung], sondern Rechtsgrundverweisung 89, lände-rübergreifender 93, gegen die gewerkschaftsfeindliche Politik des Wirtschaftsrats unter ihrem/seinem Direktor 93, Hamburger Max-Plank-Instituts 98, des Hamburger Max-Plank-Instituts 117, wenn sei mit Zahlungen in Verzug waren 143, kam es sogar in die Glossa Ordinaria, dem gesetzesgleichen Erklärungswerk zum Corpus Iuris Civilis 159, Grunddelikt des Mords ist der Todschlag 164, dadurch indem 172, dass die Unternehmer neue Hindernisse dieser Art Schaffen 173, Die Zusammenschlusskontrolle gibt es in Deutschland seit 1973 und wurde der wichtigste Teil des GWB 173, Am 11. September 1989 erklärte die ungarische Staatsführung, dass Flüchtlinge aus der DDR nicht mehr in ihr Heimatland zurückgeführt würden, nachdem sie schon am 2. Mai begonnen hatten, die Grenzanlagen zu Österreich zurückzubauen 179, die Währungsunion 1990 hatte die nicht die Folge der Währungsreform 1948 181, das trotz großer Staatsverschuldung der Eurozone 2002 beigetreten war, was es verschwiegen hatte 183, Nicht nur Einzelpersonen seinen „beleidigungsfähig“, auch Personengruppen 189, mit mehreren von Ihnen begann er sofort 193, Die Mitgliedsstaaten 204, konnte die Körperschaftsteuer nur für die Hälfte der Ausschüttung verlang werden 211, Vermögenssteuergesetz 212, Erbschaftssteuer 212, Beides wurde jetzt behoben und der Reformprozess des Gesetzes deutliche in § 111 FamFG 220, zuständig für Staats- Verwaltungsrecht 232, Willi Stroph 236, Willi Stroph 237, Willi Stroph 237 - anders in dem Register - , wird Empfangen von seiner „Frau und tapferen Genossin“ 237, Mitgliedsstaaten 242, und danach entsprechen des Bundesrats 256) keinerlei Gewicht. Gleichwohl wären sie für weitere zu erwartende Auflagen des künftigen Standardwerks vielleicht zu überprüfen.
Innsbruck Gerhard Köbler