Waigel, Theo, Ehrlichkeit ist eine Währung – Erinnerungen. Econ, Berlin 2019 344 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Wie alle Lebewesen weltweit ist auch der Mensch seit seiner Entstehung durch ihm vorgegebene Anlagen bestimmt, die aber durch Umwelt und eigene Erfahrungen abgeändert werden können. In diesem Rahmen hat er an vielen Stellen seines in die vorgegebene Zeit eingebetteten Lebensverlaufs unterschiedliche Verhaltensmöglichkeiten, unter denen er anscheinend zumindest manchmal wählen kann. Er kann sich beispielsweise für eine Tätigkeit als Maurer entscheiden oder für ein Studium einer Wissenschaft und beispielsweise für eine Tätigkeit als Unrecht ermittelnder und anklagender Staatsanwalt oder für ein Wirken in der gemeinhin als schmutziges Geschäft eingeordneten Politik, wobei die Möglichkeiten und Gründe der jeweiligen individuellem Entscheidung außerordentlich unterschiedlich sein können und Erfolg oder Misserfolg nicht sicher vorhersehbar sind.

 

Theo Waigel wurde in Oberrohr bei Krumbach in Schwaben an dem 22. April 1939 als Sohn des Maurerpoliers und Nebenerwerbslandwirts August Waigel geboren, studierte nach dem Abitur in München und Würzburg Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft, trat mit 21 Jahren der CSU bei, wurde nach den beiden juristischen Staatsprüfungen  mit einer Dissertation über die verfassungsmäßige Ordnung der deutschen, insbesondere der bayerischen Landwirtschaft promoviert, entschied sich für die ihm eröffnete Möglichkeit  einer Tätigkeit als Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I, wechselte 1969 in die ihm eröffnete Tätigkeit eines persönlichen Referenten des Staatssekretärs Anton Jaumann in das Staatsministerium der Finanzen Bayerns und wurde schließlich von 1988 bis 1999 Vorsitzender der Christlich Sozialen Union (Bayerns) und von 1989 bis 1998 Bundesminister der Finanzen. Von 1999 bis 2002 hatte er einen Beratungsvertrag mit dem Medienunternehmer Leo Kirch, beriet die Risikokapitalgesellschaft Texas Pacific Group und die Public Relations Beratung Brunswick Group und wurde 2004 Vorsitzender des Aufsichtsrats des Geldspielautomatenherstellers Löwen Entertainment. Als Rechtsanwalt (Of Counsel) ist er in der in dem Januar 2016 gegründeten Rechtsanwaltskanzlei Waigel Rechtsanwälte tätig, in der sein Sohn Christian Partner ist, der zusätzlich als Honorarkonsul des Fürstentums Liechtenstein wirkt.

 

Nach dem mit „Die Augenbraue“ überschriebenen Prolog von dem Februar 2019 fand er es an der Zeit zu fragen, was war denn neben neuneinhalb Jahren als Bundesfinanzminister und als Mitgestalter der deutschen Einheit und der europäischen Währungsunion noch? Als Antwort wollte er persönlich erzählen, ohne Privates preiszugeben, und dabei seine ehrliche Überzeugung zu dem Ausdruck bringen. Danach schildert er in vier Teilen mit 20 Kapiteln Bayern, Deutschland, Europa und die Welt sowie unvergessliche Begegnungen mit Joseph Bernhart, Anton Jaumann, Hermann Höcherl, Peter Schmidhuber, Alois Glück, Franz Josef Strauß, Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble als Strategen und Taktiker sowie mit internationalen Partnern und kann dabei das persönliche Geschehen unter dem beeindruckenden Titel zusammenfassen, dass Ehrlichkeit eine Währung ist, die bekanntlich am längsten währt, wozu man jeden erfolgreichen, Geld, Gier und Geschäft mutig und standhaft trotzenden Menschen nur bewundernd beglückwünschen kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler