Stöckl, Alexandra, Der Principalkommissar – Formen und Bedeutung sozio-politischer Repräsentation im Hause Thurn und Taxis (= Thurn und Taxis Studien N. F. 10). Pustet, Regensburg 2018. 280 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Die im September 2017 an der Universität Regensburg abgeschlossene Dissertation betreuten die Historiker Albrecht P. Luttenberger, dessen Gebiet die frühneuzeitliche Reichsgeschichte war, und Jörg Oberste, ein Mittelalterhistoriker. Unter Beschränkung auf die Tätigkeit der drei Fürsten aus dem Hause Thurn und Taxis als Prinzipalkommissare will die Verfasserin den politisch-institutionsgeschichtlichen Ansatz mit dem kulturalistisch-zeremonial-geschichtlichen Ansatz verschränken (S. 17). Für sie eignete sich das Amt des Prinzipalkommissars für diesen Ansatz gut, denn sie sieht in dem Amt eine Synthese aus einem politischen Amt mit kultureller Inszenierung. Die Verfasserin legt ihrer Studie die Mikrofiche-Edition des Bestandes der Akten der Prinzipalkommission des Immerwährenden Reichstages von 1663 – 1806 zugrunde. Ergänzend zog sie Akten der Prinzipalkommission heran, die Personalsachen betrafen. Aus dem Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv wurden ergänzend Akten ausgewertet, insbesondere solche der Generalkasse. Die Zeremonialprotokollbücher zeigen ab 1773 die zeremoniellen Verfahrensweisen auf. Im folgenden Kapitel beschreibt sie die Einrichtung des Amtes eines kaiserlichen Prinzipalkommissars nach Einrichtung des immerwährenden Reichstags (1663). Der Prinzipalkommissar, der ‚Kaiserliche Höchstansehnliche Principal-Commissarius bei der allgemeinen Reichsversammlung‘, war der ständige Vertreter des Kaisers, der nicht mehr in Person an allen Sitzungen des Reichstages teilnehmen konnte. Kaiser Leopold I. erschien im Dezember 1663 in Regensburg und blieb bis zum 5. Mai des folgenden Jahres. Bei seiner Abreise nach Wien betraute er Guidobald Graf von Thun und Hohenstein, den Fürsterzbischof von Salzburg, mit der ‚hochansehnlichen Aufgabe‘ den Kaiser am Reichstag zu vertreten. Bis 1741 gab es neun Inhaber dieses Amtes, bevor 1741 das Amt erstmals Alexander Ferdinand Fürst von Thurn und Taxis übertragen wurde. Die Zeremonien, die sich während dieser nahezu achtzig Jahre um das Amt des Prinzipalkommissars als Bräuche eingeführt hatten, beschreibt die Verfasserin nicht, obwohl aus ihrer Kenntnis erst beurteilt werden kann, welche Veränderungen die Fürsten Thurn und Taxis bewirkt haben. Zwar behandelt sie die Bedeutung zeremonieller Abweichungen (S. 39) in einem Umfeld zahlreicher Gesandter der verschiedensten Territorialherren, die zu juristischen Konsequenzen führen konnten, doch lässt das Fehlen jeglicher Beispiele die Darstellung blutleer wirken. Das Kapitel zur ‚Repräsentation als konstitutive Ausdruckstechnik kaiserlicher Macht‘ zeigt die Beschränkung der Aufgaben des Prinzipalkommissars auf die Wahrnehmung der Repräsentativfunktion, was durch die Berichterstattung des österreichischen und des kurböhmischen Gesandten an den Kaiserhof verstärkt wurde. Bei der Schilderung des Prinzipalkommissariats innerhalb des Reichstages erörtert die Verfasserin die Personalausstattung, zu der als Vertreter des Amtsinhabers der Konkommissar und die Kommissionskanzlei mit einem Kanzleidirektor, zwei Kommissionssekretären und einem Kanzlisten gehörten. Akkurat schildert die Verfasserin die Positionen der Materialkosten (S. 67), zu der Kosten der Federkiele und des Siegellacks gehörten. In dem Kapitel zu der ökonomischen Entschädigung für das Personalsalär werden für die einzelnen Jahre im Detail die Einnahmen in Regensburg berichtet. Nach Darstellung der Zahlungen, die bis 1827 reichen, wird erläutert, dass das Haus Habsburg die Zahlungen an Karl Alexander Fürst von Thurn und Taxis als eine ‚Rente‘ ansah, die mit der Niederlegung der Kaiserkrone (1806) begonnen hatte. In dem Abschnitt ‚Monopol‘ auf Amt und Würden werden die Amtsperioden der drei Amtsinhaber des Hauses Thurn und Taxis beschrieben. Diese Beschreibungen können auf den ausführlichen und materialreichen Vorarbeiten von Rudolf Freytag und Max Piendl aufbauen. Bedauerlich ist es, dass die Spezialarbeit Piendls zum Prinzipalkommissar (1980 und 1994) nicht zitiert ist. Gleiches gilt für die sehr lesenswerte Untersuchung Ursula Dordas zu Reichsfreiherr von Hügel (Würzburg 1969). Diese Arbeiten belegen, dass das Amt und die Personen des Prinzipalkommissariats schon lange Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses sind. Der Umgang der Verfasserin mit gedruckter Literatur erweckt Bedenken. Die Vielzahl der zitierten Werke erlaubt nur in Einzelfällen einen Vergleich mit dem Originaldruck, diese Ergebnisse sind jedoch äußerst zwiespältig. Es wurden Zitate aus Pütters ‚Staatsverfassung‘ verglichen, dessen 3. und letzter Teil in drei Auflagen 1787, 1788 und 1799 erschienen ist. Die Verfasserin nennt zu den Fußnoten 574, 576 und 584 die Seitenzahlen 29, 34 und 35f., in allen drei Auflagen, die insoweit satzgleich sind, befinden sich die Zitate jedoch auf den Seiten 8, 13, 14 und 15. Da die Verfasserin die Goldene Bulle von 1365 (S. 43) und den bislang unbekannten Fürsten von Passau-Usingen (S.95) in die Geschichte einführte, wurden auch die Fußnoten 611 und 613 verglichen. Hierbei zeigten sich zahlreiche Abweichungen ihrer Zitate zum gedruckten Text. Fußnote 1330 bezieht sich lediglich auf S. 4 des Originalabdrucks, die weitere Angabe einer Seitenzahl betrifft nicht diesen Zusammenhang. Das von ihr häufig herangezogene Werk Hellwisg ist schon im Titel unrichtig zitiert. Das erste Ernennungsdekret für Alexander Ferdinand (1743, S. 99) paraphrasiert die Verfasserin und unterlässt an dieser Stelle den Hinweis auf Freytag, der den Text mit Abweichungen zu Fußnote 641 vollständig wiedergibt (S. 271-273), diese Vorgehensweise hätte der Arbeit an dieser Stelle gedient. Zu Fußnote 1141 hätte es geholfen, wenn die Verfasserin in den Druck, in dessen Titel sie einen Lesefehler einbaut, geschaut hätte, denn dort (S. 9) steht, dass die ‚kostbarsten Meublen und Efekten, als die Fürstliche Garderobe [also Kleider, nicht ein Möbelstück], Silberzeug, Spiegel, Porcelain etc.‘ gerettet wurden. Bei der Vielzahl der Fußnoten mögen es Einzelfälle sein, für den Rezensenten stellt sich jedoch die Frage, wie genau er sich auf Zitate aus handschriftlichen Unterlagen der Archive verlassen kann, wenn die Verfasserin nicht geringe Probleme mit der korrekten Übernahme aus gedruckten Texten hat. In dem 5. Kapitel über das Amtsprofil des Principalkommssars (S. 173-261) beschreibt die Verfasserin Anlässe, bei den sich die Repräsentationsfunktion des Amtsinhabers besonders entfaltete. Die breit beschriebenen Festlichkeiten bei Huldigungen, Namenstagen und Geburtstagen des Kaisers und Trauerfestlichkeiten aus Anlass eines Todes stützen sich in großen Teilen auf die Zeremonialprotokollbücher, die jahrgangsweise geführt wurden. Allein die annotierte Edition eines dieser Bücher hätte über Protokollgewohnheiten und Bedeutung wohl mehr ausgesagt, als die Verbalisierung der Einträge. Die Verfasserin zeigt damit ein Forschungsdesiderat auf, das sich Regensburger Historikern und dem Zentralarchiv stellt. Den wiederkehrenden Festlichkeiten folgt eine Darstellung der besonderen Festlichkeiten wie die Legitimationsverfahren neuer Gesandter und die Entgegennahme von Glückwünschen, die der kaiserlichen Majestät und seiner Gattin galten. Zur Legitimation neuer Gesandter ist nicht auf die juristische Tragweite der ordentlichen Prüfung der Legitimationen eingegangen, die eine der staatsrechtlich bedeutenden Aufgaben des Prinzipalkommissars war. Durch ihre langjährige Tätigkeit gehörten die Prinzipalkommissare zu den besten Kennern des verästelten Reichsstaatsrechts am Reichstage. Diese Fähigkeiten wandten sie auch bei Ausübung ihrer Kommunikationsfunktion an, die sie gegenüber dem Kaiserhof, dem Reichserzkanzler, den Höfen im Reich und den Gesandten vor Ort wahrzunehmen hatten. Die gelegentlich zu beobachtende Geringschätzung des Amtes unter besonderer Betonung der Repräsentationsaufgaben trägt ihren staatsrechtlich bedeutsamen Aufgaben bei der Vermeidung von Konflikten zwischen den Reichsständen nicht Rechnung. Die Prinzipalkommissare waren nicht Vergnügungsorganisatoren, die auch verwalteten, sondern sie verwalteten einen höchst komplizierten Organismus, wobei sie auch feierten. Zum Resümee der Verfasserin ist daher festzustellen, dass mindestens die in der Studie behandelten Prinzipalkommissare ihre Aufgaben zum Wohle des Heiligen Römischen Reiches gut erfüllt haben. Die Vielzahl der Namen aus den verschiedenen Amtsperioden, die in den unterschiedlichsten Zusammenhängen genannt wurden, hätte ein Register erfordert, das nun fehlt.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz