Religiöse Werte im Recht. Tradition, Rezeption, Transformation, hg. v. Grundmann, Stefan/Thiessen, Jan (= Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung 50). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XI, 113 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wann Religion und Recht von den Menschen geschaffen wurden, weiß niemand genau, doch dürften beide wohl die Entwicklung von Sprache voraussetzen. Seitdem hat sich die anfangs wohl ziemlich einheitliche menschliche Kultur mehr und mehr weiterentwickelt und haben sich die vermutlich ursprünglich eng verbundenen Bereiche Religion und Recht zunehmend voneinander getrennt. Insbesondere der seit der Aufklärung als solcher anerkannte Grundsatz der Religionsfreiheit hat die Bedeutung besonderer religiöser Werte in einem allgemeinen Recht eingeschränkt.
Der vorliegende schlanke Band vereint nach dem kurzen Vorwort der Herausgeber vier Vorträge, die in der Arbeitssitzung der Fachgruppe Grundlagen der Gesellschaft für Rechtsvergleichung auf deren 35. Tagung in Bayreuth an dem 10. September 2015 gehalten wurden. Ihnen wurde als fünfter Beitrag eine mit dem Nachwuchsförderungspreis der Gesellschaft ausgezeichnete Studie Elias Bornemanns hinzugefügt. Sachlich angeknüpft wird mit dem Werk an den Sammelband der Fachgruppe zu der in Marburg 2013 abgehaltenen Tagung über Recht und Sozialtheorie in dem Rechtsvergleich, der 2015 veröffentlicht werden konnte.
An den Beginn haben die beiden derzeit hauptsächlich in Berlin beheimateten Herausgeber ihre grundsätzlichen Überlegungen zu Tradition, Rezeption und Transformation religiöser Werte in dem Recht gestellt. Danach untersucht Wim Decock Recht und Finanzen in der Spätscholastik, Norbert Oberauer das islamische Zinsverbot, Joseph E. David das Verhältnis von Gesetzesreligion und Rechtspluralismus, Elias Bornemann die pluralistischen Demokratietheorien Robert A. Dahls und Ernst Fraenkel in dem aktuellen religionssoziologischen Kontext beleuchtet, während Joseph H. H. Weiler das europäische Modell der Freiheit zur und der Freiheit von der Religionsausübung betrachtet. Damit ist zwar der weite Bereich religiöser Werte in dem Recht keineswegs vollständig ausgelotet, was vielleicht niemandem wirklich ganz gelingen kann, doch sind beispielhaft grundlegende Fragen der Wirkung religiöser Werte auf die Gesamtheit des Rechtes und die Möglichkeiten eines der Religion an sich von neutral bis tolerant gegenüberstehenden aufgeklärten Rechtsstaats angesprochen und durch in Hamburg, Israel, Leuven, Münster und New York tätige Sachkenner auf dem Wege zu einer unbekannten Zukunft vorsichtig vermittelnden Vorschlägen zugeführt.
Innsbruck Gerhard Köbler