Raum neu denken. Von der Digitalisierung zur Dezentralisierung, hg. v. Bußjäger, Peter/Keuschnigg, Georg/Schramek, Christoph. new academic press, Wien 2019. VIII, 274 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Seit der Entstehung des Menschen dürfte der gegenseitige Erfahrungsaustausch wesentlich zu der Weiterentwicklung beigetragen haben, wobei deren Geschwindigkeit durch die Häufigkeit der Wissensvermittlung und damit die Dichte des Zusammenlebens beeinflusst worden sein dürfte. Wohl aus diesem Grunde dürfte der dichter besiedelte Ort in dem Laufe der Zeit einen Wissensvorsprung gegenüber dünner besiedelten Gegenden gewonnen haben, wenn auch anfangs die Entscheidung für einen einzelnen Ort der Niederlassung vor allem von natürlichen Gegebenheiten wie Klima oder Bodenvorkommen, Nahrungsmittelvorkommen und Wasservorkommen bestimmt worden sein dürfte. Jedenfalls dürfte mit der Entstehung der Stadt deren Entwicklung schneller erfolgt sein als die des nichtstädtischen Gebiets.
Mit diesen allgemeinen Gegebenheiten beschäftigt sich für die Gegenwart Europas der vorliegende interessante Sammelband, dem es vor allem um die Vertiefung zweier Fragen geht. Sie betreffen die Auswirkung der Wissensgesellschaft auf die räumliche Entwicklung und den Beitrag der Digitalisierung zu diesem Geschehen. Zu der Gewinnung überzeugender Antworten wurden Autoren und Autorinnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz eingeladen.
Insgesamt versammelt der Band fünfzehn Beiträge von Autorinnen, Autoren und Herausgebern aus Innsbruck, Wien, Kufstein, Frankfurt an der Oder, Köln, Hannover, München, Lund, Zürich und Bern. Sie betreffen beispielsweise die Regionalentwicklung in der geopolitischen Dimension, Hochschulen als regionale Wirtschaftsfaktoren, Standortstrukturen wissensintensiver Unternehmensdienste, die Konzentration des Humankapitals Österreichs in dem Osten, Wissensintensität und Innovation in dem ländlichen Raum, den Landkreis Cham in dem Bayerischen Wald, Deutschlands Digital Divide, die Digitalisierung in dem ländlichen Raum, die Herausforderungen der digitalen Transformation in dem Raumkontext, das Digital Science Center der Universität Innsbruck, die territoriale Verlagerung von Verwaltungsapparaten als neuen möglichen Trend in Europa, die Ökonomie der Dezentralisierung, das vernetzte Pflegestudium an sechs Standorten, Erfahrungen mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung aus dem deutschen Raum und die Anfänge der digitalen Gesellschaft ohne Zentralen. In dem Ergebnis ziehen die Herausgeber daraus als wesentliche Schlüsse, dass die Wissensgesellschaft einer der wesentlichen „Treiber“ der ökonomischen Gesellschaft ist, dass ohne (politische) Stärkung der regionalen Wissensbasis über Einrichtungen von Wissenschaft und Forschung keine Umkehr der bisherigen Entwicklung erreicht werden kann sowie dass zwar die Digitalisierung vieles ermöglicht, dass aber hinsichtlich der Implementierung in Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Lande von selbst nichts läuft, weshalb das Fehlen der digitalen Infrastrukturen in vielen Regionen neue Strategien verhindert und es wohl offen ist, welche Politik sich auf der Grundlage der von dem Menschen in Gang gesetzten und kaum mehr abänderbaren Digitalisierung in dem Ergebnis weltweit durchsetzen wird.
Innsbruck Gerhard Köbler