Petersen, Jens, Recht bei Tacitus. De Gruyter, Berlin 2018. XX, 350 S.  Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Publius Cornelius Tacitus könnte um 58 n. Chr. in einer aus der Provinz stammenden Familie geboren worden sein. In dem Laufe seines Lebens hatte er verschiedene politische Ämter, auch wenn seine gesamte Ämterlaufbahn nicht sicher bekannt ist. Spätestens 98 v. Chr. begann er mit seiner auch seinem Nachruhm dienenden schriftstellerischen Tätigkeit und schuf nacheinander aus seiner Sicht sine ira et studio eine Biographie seines Schwiegervaters Gnaeus Iulius Agricola mit einer Beschreibung Britanniens, das Germanien betreffende Werk De origine et situ Germanorum, den Dialogus de oratoribus, Historien von Galba (69 n. Chr.) bis Domitian (96 n. Chr.) und zeitlich etwas weiter zurückführende Annalen von dem Tode des Augustus 14 n. Chr. bis Nero (68 n. Chr.).

 

Mit dem Recht bei Tacitus als bedeutendem Politiker und Schriftsteller beschäftigt sich das vorliegende Werk des in Kalkar 1969 geborenen, in Xanten geschulten, nach dem Abitur in Rechtswissenschaft in Berlin (FU), Genf und München ausgebildeten, nach der ersten juristischen Staatsprüfung ab 1994 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dieter Medicus tätigen und unter seiner Betreuung 1996 mit einer Dissertation über Duldungspflicht und Umwelthaftung – das Verhältnis von § 906 BGB zu dem Umwelthaftungsgesetz promovierten, nach der zweiten juristischen Staatsprüfung von 1997 als Assistent Gerhard Ries‘ wirkenden, 2001 bei Claus-Wilhelm Canaris für bürgerliches Recht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Methodenlehre und Umweltrecht habilitierten und umgehend an die Universität Potsdam auf den Lehrstuhl für bürgerliches Recht, deutsches und internationales Wirtschaftsrecht berufenen vielfältig (etwa über Fichte, Hayek, Weber, Montaigne, Nietzsche, Dante, Pascal, Schopenhauer, Smith, Jhering) erfolgreich wirkenden Verfassers. Er geht in seiner Einleitung zutreffend davon aus, dass seltsamerweise in der reichhaltigen Literatur eine umfassende Darstellung über das Recht bei Tacitus fehlt. Sie holt er umsichtig und weiterführend in seinem kompakten, in drei Kapitel über Anfänge und Verfall des Rechtes, Rechtlosigkeit, Macht und Willkür sowie Recht und Rhetorik nach.

 

In Ermangelung konkreter Kenntnisse über Tacitus‘ Wergegang (!) ist auch der Verfasser auf Hypothesen angewiesen, in deren Rahmen er Tacitus ansprechend weder als Rechtskundigen noch als Rechtsberater einstuft, sondern nur als advocatus in weiterem Sinne, als Redner mit durch Zuhören erlangten Rechtskenntnissen, der sich aber in seinen Werken überraschend häufig rechtlichen Fragen zuwendet. Das Recht hat zwar grundsätzlichen hohen Wert, aber der Mensch schwächt es durch Gewalt, Ehrgeiz und Korruption und lässt es von der Macht und der dem Menschen eingestifteten Herrschsucht abhängen. Insgesamt gelingt dem Verfasser in beindruckender Weise die Schaffung eines aus zahlreichen Belegen zusammengesetzten Mosaiks des Rechtes bei Tacitus, das die eigensüchtige Menschlichkeit des Rechtes auch in Rom einschließlich des Tacitus selbst erweist und ausgerechnet den bitterarmen Fennen an dem nördlichen Rande der bekannten Welt die Freiheit und Sicherheit zuweist, welche die reichen Römer selbst vernichteten, weshalb auch die Gegenwart noch aus dem Recht bei Tacitus über das Verhältnis des Menschen zu dem von ihm geschaffenen Recht viel lernen kann, wenn sie dazu bereit ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler