Nicolaus Hieronymus Gundling (1671-1729) im Kontext der Frühauflärung, hg. v. Häfner, Ralph/Multhammer, Michael (= Myosotis – Forschungen zur europäischen Traditionsgeschichte 4). Winter, Heidelberg 2018. XIII, 259 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nicolaus Hieronymus Gundling wurde in Kirchensittenbach bei Hersbruck bei Nürnberg an dem 25. Februar 1671 geboren. Da sein Vater verhältnismäßig früh starb, sandte ihn sein Vormund nach dem Besuch des Egidiengymnasiums in Nürnberg zwecks Studiums der Theologie und Philosophie an die nahe Universität Altdorf, von wo aus er nach Jena wechselte und Rechtswissenschaft studierte. Nach Aufenthalten in Leipzig und Altdorf gelangte er mit einer Gruppe Adeliger an die 1694 neu gegründete Reformuniversität Halle, an der auf Christian Thomasius traf und nach dem Lizentiat und dem Doktorat von 1703 unter Ablehnung eines Rufes nach Altdorf auf den Lehrstuhl seines früheren Lehrers außerordentlicher Professor der Philosophie und 1707 ordentlicher Professor für Geschichte und Beredsamkeit an der philosophischen Fakultät wurde, 1712 zu Naturrecht und Völkerrecht sowie öffentlichem Recht wechselte und 1729 starb.
Mit seinem vielseitigen, bedeutsamen Werk befasst sich der vorliegende Sammelband. Er enthält nach einer Einführung der in Freiburg im Breisgau und in Siegen wirkenden Herausgeber in Gundlings Wirken zwischen Esoterik und Exoterik als Freiräume des Denkens genutzten Mußestunden insgesamt neun Einzelstudien. Sie beginnen mit Sascha Salatowskys Betrachtung des Verhältnisses Gundlings zu dem Sozinianismus und enden mit Christine Haugs Untersuchung der Positionierung Gundlings in der Debatte über den Nachdruck und das geistige Eigentum in dem frühen 18. Jahrhundert.
Dazwischen widmet sich Dirk Werle den Gundlingiana als einer gelehrten Textsorte, während Martin Mulsow an Hand des Atheismus des Hippokrates der zeitgenössischen Frage nachgeht, ob ein Mediziner Schrist zu sein hat. Klaus Birnstiel beleuchtet die Programmatik der Praxis kritischer Bücherdiskurse in Gundlings publizistischen Unternehmungen, Michael Mutlhammer Gundlings Wissen um die Fruchtbarkeit der gelehrten Muße, Olaf Simons Gundlings vollständige Historie der Gelahrtheit von 1734-1736, Sebastian Kaufmann Gundlings älteren kurtzen Entwurf eines Collegii über die historia literaria für Rechtsstudenten sowie Oliver Bach Gundlings Vorstellungen zu Imagination und Recht. Insgesamt entsteht auf diese Weise ein vielseitiges, durch eine Bibliographie, ein Personenregister, ein Sachregister sowie ein Abkürzungsverzeichnis abgerundetes Bild des in den Nebenstunden verfassten Werkes des frühen Aufklärers, das vorzüglich in das vielfältige Wissen eines führenden Gelehrten dieser wichtigen Epoche der Rechtswissenschaft einführt.
Innsbruck Gerhard Köbler