Als die Menschen vielleicht vor mindestens zehntausend Jahren sesshaft wurden, dürften ihre hierfür erforderlichen Gebäude jeweils von kleinen Gruppen für ihre jeweiligen Bedürfnisse errichtet worden sein, wobei jeder Beteiligte das leistete, wozu er imstande war. Erst danach kam es zu einer Arbeitsdifferenzierung, auf Grund deren Unternehmer mit besonderen Fertigkeiten auf Wunsch von Interessierten, denen diese besonderen Fertigkeiten nicht in gleicher Weise eigneten, für diese handelten. Sehr viel später griffen auch der Staat und politische Organisationen ein und betrieben aus sozialen Überlegungen und wegen der Notwendigkeit von Wählerstimmen in der Demokratie eine soziale Wohnungsbaupolitik, die in einem erheblichen Umfang von gewerkschaftsnahen Unternehmen umgesetzt wurde.
Die in diesem Rahmen entstandene Neue Heimat war ein gemeinnütziges, dem Deutschen Gewerkschaftsbund gehöriges, von 1926 bis 1990 bestehendes Bauunternehmen und Wohnungsunternehmen, das aus in den 1920er Jahren zwecks Bereitstellung von Kleinwohnungen für Arbeiter hervorgegangenen gewerkschaftseigenen Wohnungsunternehmen erwuchs und seinen Namen 1939 nach der 1933 erfolgten Enteignung der Gewerkschaften durch die nationalsozialistische Herrschaft unter Adolf Hitler und der Übertragung ihres Vermögens auf die Deutsche Arbeitsfront erhielt. Nach der Wiederbegründung des Deutschen Gewerkschaftsbunds in dem Jahre 1949 übergab die Besatzungsmacht Großbritannien diesem 1952 die Neue Heimat Hamburg, deren Vorsitzender für den Deutschen Gewerkschaftsbund bis 1954 alle gewerkschaftseigenen Baugesellschaften und Wohnungsgesellschaften in der Bundesrepublik vereinigte. Mit deren Geschichte befasst sich der vorliegende, von dem 1950 geborenen, in Hamburg in Germanistik und Soziologie ausgebildeten, als Geschäftsführer der Architektenkammer Hamburg tätigen Architekturtheoretiker Ullrich Schwarz herausgegebene umfangreiche und sehr informative Sammelband.
Er zeigt in seinen vielfältigen Einzelbeiträgen wie der größte Wohnungsbaukonzern Europas zwischen 1950 und 1982 rund 460000 Wohnungen und Eigenheime entsprechend seinen technischen und gesellschaftlichen Zielsetzungen zu erschwinglichen Preisen errichtete und dadurch die Wohnungsnot vor allem in den stark zerstörten Städten milderte. Allerdings entstanden bei diesem vielseitigen Geschäft bereits in den siebziger Jahren nach außen nicht sichtbar gemachte Verluste, die schließlich zu Schulden in Höhe von 17,1 Milliarden Deutsche Mark führten, so dass die Deutsche Heimat 1986 für eine symbolische Deutsche Mark abgewickelt werden musste. Trotz ihrer damit als verfehlt erwiesenen Baupolitik vertritt einer der Beiträger die Ansicht, dass es auch in der Gegenwart mit ihrem neuen Wohnbedarf Platz für Unternehmen mit gleichzeitig betriebswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Zielen nach dem Muster der an ihrem Verlust des Wirklichkeitsbezugs gescheiterten Deutschen Heimat gibt.
Innsbruck Gerhard Köbler