Müller, Sabine, Alexander der Große – Eroberungen – Politik – Rezeption (= Urban-Taschenbuch). Kohlhammer, Stuttgart 2018. 396 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Wie alle Lebewesen, so haben auch die Menschen eine von der Natur vorgegebene Größe in allen ihren Belangen, innerhalb deren nur eine begrenzte Abweichung von dem Durchschnitt möglich oder wahrscheinlich ist, so sehr zu jeder Regel auch immer Ausnahmen gehören können. Dementsprechend ist die Zahl der aus der Geschichte bekannten Menschen, denen ihre Umwelt oder ihre Nachwelt den Beinamen der Große verliehen hat, was als Kennzeichnung nur bei mehreren Trägern desselben Namens sinnvoll erscheint, ziemlich begrenzt. Nach Wikipedia sind dies in dem deutschen Sprachraum achtundsechzig Männer und zwei Frauen, unter die auch verschiedene, keineswegs jedermann, sondern nur wirklichen Sachkennern bekannte Menschen eingereiht sind.

 

Mit dem in diesem Zusammenhang ziemlich unstreitigen Alexander dem Großen, der als Alexander III. von Makedonien in Pella an dem 20. Juli 356 v. Chr. geboren wurde und fern der Heimat in Babylon an dem 10. Juni 323 v. Chr. mit noch nicht einmal 33 Jahren den frühen Tod fand, beschäftigt sich das vorliegende Werk der in Gießen 1972 geborenen, nach dem Studium der mittleren Geschichte, neueren Geschichte, Kunstgeschichte und alten Geschichte mit einer Arbeit über das Ketzerverständnis bei Sebastian Franck und Matthias Flacius Illiricus am Beispiel der Katharer bei Hans Heinrich Kaminsky graduierten, 2003  mit der Dissertation über Maßnahmen der Herrschaftssicherung gegenüber den makedonischen Opposition bei Alexander dem Großen promovierten und in Hannover 2007 mit einer Schrift über das hellenistische Königspaar in der medialen Repräsentation an dem Beispiel Ptolemaisos II. und Arsinoe II. habilitierten  und danach weitere Untersuchungen zu Alexander, Makedonien und Persien, den Argeaden und Perdikkas II. als Retter Makedoniens vorlegenden, 2015 nach Marburg berufenen Verfasserin. Es gliedert sich nach einer Einführung in fünf Sachkapitel. Sie betreffen Quellen zur Geschichte Alexanders, Alexanders background in der Dynastie der Argeaden nach seinem Vater Philipp, Alexanders Jugend und Regierungsanfänge ab etwa 335, die makedonische Invasion des Perserreichs zwischen 334 und 323, Schlaglichter auf ein Rezeptionsphänomen von dem Hellenismus über Rom und das Mittelalter bis zu der Moderne und Mythen um Alexander wie den fraglichen gordischen Knoten und anderes.

Das Hauptproblem der Forschung zu Alexander ist dabei der Verlust der literarischen Primärquellen aus Alexanders Lebensjahren oder den ersten Jahrzehnten nach seinem Tode, so dass die von Griechen und Römern tradierten Texte quellenkritisch analysiert werden müssen, was die Verfasserin vorsichtig in vier Schritten unternimmt. Auf dieser einleuchtenden Grundlage versucht sie keinen biographischen Ansatz, sondern versteht die Behandlung der Ereignisgeschichte als Betrachtung politischer Strukturen, argeadischer Traditionen und „Netzwerken“ an dem makedonischen Hof und in dem Heer unter Alexanders Herrschaft, die durch Krieg bestimmt war, aber aus wenigen Jahren weltberühmte Größe nach sich zog. Ihre sachkundige, sachliche Darstellung stützt sie durch umfangreiche Anmerkungen und rundet sie durch vier Anhänge, eine Bibliographie und ein Register von Abdalonymos bis Zeus Lykalos benutzerfreundlich ab.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler