Lehmann, Jens, Zwischen Not und Gier. „Lombard-Schwindler“ Paul Bergmann und Staatsanwaltschaftsrat Dr. Walther Jacoby (= Schriften der Generalstaatsanwaltschaft Celle 2). Nomos, Baden-Baden 2018. 191 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das vorliegende, neue, in dem Eingang durch eine Skizze der beiden Hauptbeteiligten vor dem erweiterten Schöffengericht Berlin–Mitte durch den Gerichtszeichner Schleiffer des 8-Uhr-Abendblatts Nr. 255 von dem 25. September 1928 veranschaulichte Werk betrifft einen einzelnen strafrechtlichen Fall in Berlin der 1920er Jahre. Er handelt von dem Zusammenwirken zweier Menschen in schwierigen Zeiten zwecks gemeinschaftlichen Vorteils. Unter anderen Bedingungen hätten sie sich möglicherweise in diesen Rollen niemals getroffen.
Gegliedert ist die interessant dargelegte, mit verschiedenen Abbildungen (auch Paul Bergmanns und Dr. Walther Jacobys) an dem Ende abgerundete Studie nach einer kurzen Einleitung über die Quellenlage, nach der zwar die Akten des Ermittlungsverfahrens gegen Paul Bergmann, Dr. Walther Jacoby und andere Beschuldigte nicht erhalten sind, die Anklageschrift, das Urteil erster Instanz und weitere wichtige Dokumente sich jedoch in Vorgängen des Justizministeriums Preußens finden und eine ausführliche Darstellung des Geschehens abgesehen von den jeweiligen Berichten der seinerzeitigen Tageszeitungen von Friedrich Karl Kaul in der früheren Deutschen Demokratischen Republik als Lehrstück über die unvermeidlichen Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems verfasst wurde, in 45 Abschnitte. Sie beginnen mit der Verarmung des Mittelstands und den Vorbehalten gegen den Staat von Weimar. Sie enden mit dem den späteren Lebenswegen der Beteiligten.
Dabei betrachtet der Verfasser zunächst den in Berlin 1870 als Sohn eines Produktenhändlers geborenen Sally Bergmann, der nach der Reifeprüfung als Volontär in ein Bankhaus eintritt, aber bereits an dem 21. Mai 1892 erstmals wegen Betrugs zu sechs Monaten Gefängnis, 500 Mark Geldstrafe und zwei Jahren Ehrverlust verurteilt wird und nach seiner Eheschließung mit Grete Abraham in dem August 1912 das Schöneberger Lombardhaus Sally Bergmann eröffnete und sich 1913 gegenüber dem Pferdehändler Felix Salinger bereit erklärte, gegen Vergütung Blankounterschriften zu liefern und sich in diesem Rahmen immer weiter verstrickte. Danach wendet er sich dem in Königsberg 1883 als Sohn eines Professors der praktischen evangelischen Theologie geborenen Johannes Martin Walther Jacoby zu, der nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Staatswissenschaften in Königsberg und einer philosophischen Dissertation sowie der zweiten Staatsprüfung 1919 der Amtsanwaltschaft Berlin-Mitte zugeteilt wird. In der Folge untersucht der Verfasser die Zusammenarbeit beider aus Not und Gier, die in dem Ergebnis nach Friedrich Karl Kaul in der Geschichte der deutschen Justiz erstmals bewirkte, dass ein aktiver Staatsanwalt unmittelbar von dem Schreibtisch weg eingesperrt wurde, und bilanziert an dem Ende, dass die Strafjustiz der Deutschen Reiches in der Zeit der Weimarer Republik jedenfalls an dieser Stelle den damaligen Herausforderungen durchaus gewachsen war.
Innsbruck Gerhard Köbler