Irmen, Helmut, Das Sondergericht Aachen 1941-1945 (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 2 Forum Juristische Zeitgeschichte, Band 21). De Gruyter, Berlin 2018. XII, 132 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Gerichtsbarkeit hat von ihren Anfängen an die Sicherung des Rechtes als vornehmste, wenn auch in dem Einzelfall nicht immer sehr einfache Aufgabe, weil Menschen stets unterschiedlicher Meinung sein können und der Einzelne aus Furcht vor den Folgen der Wahrheit sich oft in die Unwahrheit begibt. Weil auch Richter unterschiedliche Ansichten vertreten können, hat sich zwecks Sicherung der Gerechtigkeit die Einrichtung des gesetzlichen Richters durchgesetzt, mit deren Hilfe die Parteilichkeit durch vorherige Festlegung von Zuständigkeit unabhängig von einzelnen Menschen angestrebt wird. Umgekehrt kann auch der die Allgemeinheit widerspiegelnde Staat immer bestimmte Ergebnisse durch bewusste Gestaltungen von Gerichtsbarkeiten, Zuständigkeiten und Verfahrensabläufen zu erlangen versuchen.
Mit einem besonderen Aspekt dieser Problematik beschäftigt sich die vorliegende schlanke Veröffentlichung des 1949 geborenen Rechtsanwalts und 2012/2013 an der Fernuniversität Hagen promovierten Vorsitzenden des Dürener Geschichtsvereins, der bereits 2015 durch seine umfangreichere Dissertation über den Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit auf Strafverfahren und Strafvollzug in der Militärjustiz der Deutschen Demokratischen Republik hervorgetreten ist. Das jetzige Werk gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in fünf Sachkapitel. Sie betreffen den Forschungsstand mit Literaturbericht und Aktenlage, die Sondergerichte im nationalsozialistischen Deutschland, das Sondergericht Aachen 1941-1945, die Rechtsprechung des Sondergerichts Aachen und die Personalia der Aachener Sonderrichter und ihre Nachkriegskarrieren.
Der Verfasser zeigt bereits in seiner Einleitung, dass es Sondergerichte zwar schon gemäß einer Verordnung von dem 9. August 1932 gab, dass die nationalsozialistische Politik ihre damalige Ablehnung mit der Kritik, dass die Unanfechtbarkeit der Urteile den Angeklagten in seiner Verteidigung beschränke und ein ordentliches Rechtsverfahren zu bezweifeln sei, nach der Machtübernahme aufgab, um „in Zeiten politischer Hochspannung durch schnelle und nachdrückliche Ausübung darauf hinzuwirken, dass unruhige Geister gewarnt oder beseitigt werden und dass der reibungslose Gang der Staatsmaschine nicht gestört wird.“ Nach seinem Ergebnis gehören die Aachener Sondergerichtsbarkeit und seine Juristen (sieben Richter als Vorsitzende, 22 Beisitzer, sieben Staatsanwälte) während der nationalsozialistischen Herrschaft trotz Wahrung der formalen Ordnung und bürokratischer Verfahren zu den willfährigen Dienern und Stützen des Regimes, die aus Schwäche und Überzeugung massenhaft Unrechtspflege betrieben. Zwar fragt er sich auch, wie wir uns als heutige Juristen damals verhalten hätten, doch hält er am Ende einleuchtend fest, dass manche Aachener Richter und Staatsanwälte der insgesamt 680 durch Akten abgesicherten Fälle anderen Menschen Unrecht zugefügt und manche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Recht gebeugt haben, dass aber jedenfalls die an Todesurteilen beteiligten Juristen nach dem Krieg nicht wieder in der Justiz hätten tätig sein dürfen, so dass er die gegenteilige Wirklichkeit als folgenschweres Versagen der deutschen Justiz einordnet.
Innsbruck Gerhard Köbler