Hilpert, Horst, Sport- und Spielregeln von der Urzeit der Menschheit bis zur Gegenwart. Boorberg, Stuttgart 2019. 254 S. Besprochen von Reinhard Schartl.
Der kurz nach Erscheinen des Buches verstorbene Autor, ehemals Präsident des Landesarbeitsgerichts des Saarlandes, war lange Jahre Mitglied und später Vorsitzender des Kontrollausschusses des Deutschen Fußballbundes (DFB). Er hat nicht nur zum geltenden Sportrecht veröffentlicht, sondern sich auch mit der Geschichte des Sportrechts befasst. Hervorzuheben ist seine 2011 erschienene Dissertation „Geschichte des Sportrechts“. Die Schrift „Nationale und internationale Fußballrechtsprechung“ (2016) besprach Udo Steiner in Würdigung seines 80. Geburtstages zusammenfassend, der Autor habe „ein lebendiges, meinungsstarkes, über weite Strecken sehr persönliches Buch als Liebhaber des Fußballsports geschrieben, einen echten Horst Hilpert“ (Sport und Recht, 2016, 276). Das trifft in gleichem Maße für das nun zu rezensierende Buch zu. In einer umfangreichen Vorbemerkung (45 Seiten) erläutert Hilpert zum einen die rechtliche Stellung von Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und Zuschauern, zum anderen beschreibt er die Begriffe „Fairness“ und „Fairplay“ als Grundregeln des Sports. Bei Fairplay handelt es sich demnach um die oberste Maxime des Sports, die nach zutreffender Beobachtung des Autors auch in das staatliche Recht hineinwirkt. Bei den olympischen Spielen der Antike habe allerdings noch der Erfolg als alleiniges Ziel des sportlichen Wettkampfes im Vordergrund gestanden, was mit dem Geist der Fairness schwerlich zu vereinbaren sei. Der Autor weist darauf hin, dass das Fairplay-Prinzip in England entwickelt worden sei und gerade dort den nationalen Lebensstil stark beeinflusst habe. Aus den vielen neuzeitlichen Quellen, die sich mit dem Fairplay befassen, lassen sich Gesichtspunkte entnehmen wie Wahrung der Chancengleichheit, Achtung der Persönlichkeit und Würde aller Beteiligten sowie den Willen, sich nicht nur an die Regeln der Sportart zu halten, sondern auch die Fehler und Schwächen des Schiedsrichters hinzunehmen und gleichwohl mit Anstand zu verlieren. Hilpert sieht dabei schon in der Bibel das Fairplay-Prinzip als „goldene Regel“ aufgestellt („Alles was ihr wollt, dass Euch die Leute tun, sollt ihr auch ihnen tun“) sowie eine Verwandtschaft mit Kants kategorischem Imperativ. Deutlich weist er aber auch darauf hin, dass Doping und Korruption die Glaubwürdigkeit des Sports unterminieren. Im ersten Hauptteil über das Sportrecht von der Urzeit der Menschheit bis zur Zeitenwende beginnt er mit der Bibel als Quelle und der Vertreibung aus dem Paradies als erstem „Feldverweis“, was allerdings nicht ganz passend erscheint, weil die Ahndung in keiner Weise mit einer sportlichen Betätigung in Zusammenhang stand. Einschlägig ist allerdings das Zitat aus dem zweiten Paulusbrief an Timotheus (Kapitel 2 Vers 5): „Wer an einem Wettkampf teilnimmt, erhält den Siegeskranz nur, wenn er nach den Regeln kämpft“ als Grundregel des Sports und des Fairplay. In einem kurzen Kapitel über die Ethnologie des Sports streift Hilpert die Griechen, die ihr Bestreben, immer der Beste zu sein, im Wettkampf (Agon) praktizierten. Die Ägypter, Babylonier und Assyrer haben vorwiegend Kampf und Spiel ihrer Pharaonen und Könige überliefert. Der Autor erwähnt ferner, dass sich im Altertum bereits Sportrecht in Form eng verwandter Regeln findet. In Olympia wurden diese von Kampfrichtern (Hellanodiken) überwacht. In einer kurzen Übersicht über die Disziplinen der antiken olympischen Spiele (vom Stadionlauf über Weitsprung, Speerwurf, Ringkampf und Pentathlon bis zum Wagenrennen) benennt Hilpert auch einige Regeln: Der Fehlstart bei den Laufdisziplinen wurde mit einer leichten körperlichen Züchtigung geahndet, beim sehr detailliert geregelten Ringen gab es keine Gewichtsklassen, sondern drei Altersklassen, die zulässigen Griffe waren genau bestimmt. Ein frühes Regelbuch ist allerdings verschollen. Von den Römern ist der Gladiatorenkampf bekannt, von den Chinesen das Kong Fu genannte Gesundheitssystem. Der zweite Hauptteil reicht von der römischen Antike bis zur Renaissance. Einem knappen Bericht über die Einschränkungen des Sports durch frühchristliche Kaiser folgt hier die Erwähnung der mittelalterlichen Leibesübungen des Ritterstandes wie Reiten, Laufen, Ringen, Steinstoßen oder Fechten. Das Fechten wurde auch an den Universitäten praktiziert, für das breite Volk erwähnt Hilpert lediglich die Schützenfeste. Hinzuzufügen ist, dass dort beispielsweise Wettläufe ebenfalls gesichert sind. Aus dem Sport Mittel- und Südamerikas der präkolumbianischen Periode hebt der Verfasser die Ballspiele hervor, wobei sich bei den Mayas Spielregeln bruchstückhaft rekonstruieren lassen. Der dritte Hauptteil behandelt die folgenden Jahrhunderte bis zur Einführung der Fußball-Bundesliga. In der frühen Neuzeit tritt bereits eine Verrechtlichung des Sports ein, wobei – wie der Verfasser mit Recht feststellt – die „Judikatur“ mit der Entscheidung auf dem Spielfeld beginnt. Am Beispiel des Fußballs zeigt sich aber, dass in Deutschland der Schiedsrichter erst 1887 eingeführt wurde, der anfangs nur zur Entscheidung berufen war, wenn er von den Mannschaftskapitänen dazu aufgefordert wurde. Die beiden ersten Endspiele um die Deutsche Meisterschaft trug man noch ohne Schiedsrichter aus. Hilpert beschließt dieses Kapitel mit der Aufgabe, die Hintergründe der Spielregeln und deren Änderungen herauszuarbeiten und herauszufinden, was bisher in der Wissenschaft noch wenig geschehen sei und deshalb nun teilweise nachgeholt werden soll. Dem folgt der vierte Hauptteil über die Olympischen Spiele der Neuzeit. Hier verdient aus der Vielzahl der berichteten Details Erwähnung, dass bei den Spielen in Saint Louis (1904) ein Fehlstart beim 100 m-Lauf mit einer Rückversetzung des Athleten um einen Meter geahndet wurde. Bei den Winterspielen in Grenoble (1968) kam es zur Aberkennung der von den Rodlerinnen der DDR gewonnenen Medaillen, weil sie die Kufen ihrer Schlitten unerlaubterweise erhitzt hätten, was allerdings nie vollkommen aufgeklärt wurde. Im fünften Hauptteil befasst sich der Autor mit den Sport- und Spielregeln von der Urzeit bis zur Gegenwart, dem eigentlichen Hauptthema des Buches. Er beginnt in der Gegenwart mit zehn höchstgerichtlichen bzw. obergerichtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts, des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main, des Court of Arbitration for Sport (CAS) als höchstem Schiedsgericht der Sportverbände und des DFB-Bundesgerichts. Interessant ist dabei die Rechtsprechung des CAS zum Beweismaß in Dopingfällen. Danach muss die Überzeugung des Schiedsgerichts umso höher sein, je schwerer der Vorwurf und seine Folgen wiegen. Erforderlich ist es dagegen nicht, dass das Schiedsgericht von der Schuld des Athleten unter Ausschluss jeden vernünftigen Zweifels zwingend überzeugt ist. Im anschließenden und umfangreichsten Abschnitt stellt Hilpert 98 Sportarten in alphabetischer Reihenfolge vor, darunter auch den aus dem Mittelalter stammenden und heute weitgehend vergessenen Bruchenball, ein dem Rugby ähnelndes Mannschaftsspiel. Beim bereits 1786 von Goethe beschriebenen Faustball zeigt der Verfasser die Entwicklung vom ritterlichen feinen Spiel zum Kampfspiel nach dem Ersten Weltkrieg auf. Den breitesten Raum widmet Hilpert verständlicherweise dem Fußball (28 Seiten), wobei er sich für die Beibehaltung der Abseitsregel ausspricht, die verhindere, dass sich das Spiel – wie beim Handball – allein vor den Toren konzentriert und das Mittelfeld „verwaist“. Sehr eingehend beschreibt er auch die jüngste Reform der Handspielregelung, die das Tatbestandsmerkmal der Absicht fallen lässt, wenn das Handspiel bei der Erzielung oder Vorbereitung eines Tores begangen wird. Zu Recht bezeichnet Hilpert den Fußball als Motor des Weltsportrechts, was für die Mannschaftssportarten noch mehr als für Einzeldisziplinen (wie etwa Leichtathletik, Radsport, Schwimmen, Skilauf, Tennis oder Turnen) gilt. Auf alle anderen Sportarten geht der Verfasser nur kurz ein, immerhin auf die Leichtathletik über vier und auf Tennis über drei Seiten. Schließlich bringt der Verfasser die Diskussion um das Geschlecht als Zugangsregelung zum Sport zur Sprache, insbesondere die Probleme von Frauen mit natürlich erhöhtem Testosteronwert. Insgesamt bietet das Buch einen sehr interessanten Überblick über alle Bereiche des Sports, wenn man sich auch eine noch größere historische Orientierung gewünscht hätte. Leider haben sich einige sachliche Fehler eingeschlichen. So waren für das Endturnier der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland nicht 24 (so aber Seite 37), sondern 32 Mannschaften qualifiziert. Armin Hary war nicht der erste Mensch, der 100 m unter 10,0 Sekunden lief (so Seite 118, tatsächlich Jim Hines 1968, richtig dann Seite 206). Im deutschen Fußball wurde die Regel „drei Punkte für einen Sieg“ nicht bereits in der Saison 1963/1964 eingeführt (Seite 48), sondern erst 1995/1996. Feldhockey wird nicht mit einer Scheibe gespielt (Seite 166). Auch wurde der 110 m-Hürdenlauf der Männer nicht auf 100 m verkürzt (Seiten 50 und 206). Diese Versehen schmälern den Wert des Buches allerdings nicht wesentlich, zumal der sportinteressierte Leser sie selbst korrigieren kann.
Bad Nauheim Reinhard Schartl