Frieling, Tino, Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers. Fallgruppen verbindlicher Wissensäußerungen (= Grundlagen der Rechtswissenschaft 34). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XXIV, 250 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Mit dem bereits in dem Altertum bekannten und wichtigen Gesetz wird das Recht gesetzt, so dass es, selbst wenn es bereits früher entstanden ist, zumindest einen neuen wichtigen Geltungsgrund erhält. Dabei kann zwar der letztliche Setzungsakt in vielen Fällen von ausgesprochener Kürze sein, doch gehen ihm zumindest in den neueren Zeiten meist viele längere Überlegungen und Verhandlungen voraus. Sie können in Gesetzesmaterialien tatsächlich schriftlich festgehalten sein, ohne dass dies rechtlich in jedem Einzelfall erforderlich war oder ist.
Mit dem Verhältnis vorhandener Gesetzesmaterialien zu dem Willen des Gesetzgebers beschäftigt sich die von Matthias Jacobs bemerkenswert betreute, von der Studienstiftung des deutschen Volkes durch ein Promotionsstipendium geförderte, von der Bucerius Law School in dem Herbsttrimester 2016 angenommene Dissertation des 1985 geborenen, in Hamburg und Sydney ausgebildeten, seit 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter seines Betreuers tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einführung über praktische Willkür im Umgang mit dem gesetzgeberischen Willen, Relevanz des gesetzgeberischen Willens und der Gesetzesmaterialien in praktischer und theoretischer Hinsicht sowie fünf Prämissen in vier Teile. Sie betreffen Erkenntnisquellen, den Stand der Diskussion, Fallgruppen von Willensäußerungen in dem Gesetzgebungsverfahren und den Schluss von den Gesetzesmaterialien auf den Willen des Gesetzgebers.
Auf seiner vorsichtigen Suche nach überzeugender Gesetzesanwendung schließt der Verfasser aus der Gewaltenteilung auf die Maßgeblichkeit des gesetzgeberischen Willens für die Gesetzesauslegung, wobei die wertende Zurechnung des gesetzgeberischen Willens nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich das Gewollte auf die verfassungsrechtlichen Aufgaben der gesetzgebenden Gewalt bezieht. Auf dieser Grundlage sieht er in Verbindung von Gesetzeswortlaut, Gesetzesmaterialien, Vertrauensschutz und Methodenehrlichkeit als verbindlich an konkrete Normvorstellungen, die in dem Gesetzgebungsverfahren entwickelt werden und in den Gesetzesmateriealien dokumentiert sind, Ziele, die mit dem Gesetz verfolgt und in dem Gesetzgebungsverfahren dokumentiert werden, und Aufträge an Wissenschaft und Rechtsprechung, mit denen der Gesetzgeber bestimmte Fragestellungen ausdrücklich der Rechtsfortbildung durch die Gerichte überlässt. Unbeachtlich sind demgegenüber Subsumtionsvorgaben oder Entscheidungen einzelner Rechtsfälle als Beispiele, Rechtsauffassungen und alle anderen Ausführungen zu anderen Gesetzen sowie Äußerungen über tatsächliche Voraussetzungen, womit hoffentlich ein rationalerer Umgang mit den Gesetzesmaterialien bei der Gesetzesauslegung ermöglicht oder erleichtert wird, auch wenn dies kaum etwas daran ändern kann, dass in dem Ergebnis der Wille des letztinstanzlich zuständigen Entscheidungsträgers das Urteil mit oder ohne ausreichende Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien gestaltet.
Innsbruck Gerhard Köbler