Frasnelli, Johannes, Wir riechen besser als wir denken. Wie der Geruchssinn Erinnerungen prägt, Krankheiten voraussagt und unser Liebesleben steuert. Molden, Wien 2019. 176 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Als der Mensch irgendwo und irgendwann aus den Primaten entstand, hatte er verschiedene Sinne zu der physiologischen Wahrnehmung seiner Umwelt mittels besonderer Organe. Zwar ist bereits ihre Zahl bei den Sachkennern umstritten, doch werden meist fünf oder sechs Sinne überwiegend anerkannt. Zu ihnen zählen das Sehen mit den Augen, das Hören mit den Ohren, das Riechen mit der Nase, das Schmecken mit den Geschmacksorganen, das Tasten und das Gleichgewichtsorgan, denen gegenüber weitere bis zu sieben Sinne wie beispielsweise das Wahrnehmen von Bewegungen, das Temperaturempfinden oder die Selbstwahrnehmung von Körperbewegungen oder Lagen von Körperteilen in dem Raum in dem Hintergrund stehen.
Nach dem schlanken Werk des in Südtirol 1974 geborenen, in Meran aufgewachsenen, in der Medizin und der Neurowissenschaft in Wien ausgebildeten, nach der Promotion 2009 an der Technischen Universität in Dresden mit einer Schrift über das intranasale trigeminale System habilitierten, seit 2014 als Professor für Anatomie an der Universität Quebéc Trois-Rivières tätigen Verfassers wird dabei das Riechen bisher stark unterschätzt. Deswegen setzt er sich für das Riechen in zwölf Kapiteln besonders ein. Sie behandeln Bereiche wie den Weg des Verfassers zu der Riechforschung, das Wunderwerk Nase und Co., gute und schlechte Gerüche in der Luft, Körpergerüche, die Pheromone als Mythos oder Realität, das genuss-Dreamteam Riechen und Schmecken, das trigeminale System des unbekannten Sinnes, die Vorteile riechender Tiere, das durch Übung das Gehirn verändernde Riechtraining, das Stereo der beiden Nasenlöcher, den Nasenausfall der Anosmie sowie das Verhältnis des Geruchssinns zu der Zukunft der Erkrankung an Parkinson und Alzheimer.
In allen diesen Kapiteln bietet der Verfasser das aktuelle Wissen der Medizin beispielsweise über die Riechschleimhaut, der gesamten Nasenhöhle, die Reichrezeptorzellen, die Riechrezeptoren für Hunderttausende unterschiedlicher Duftstoffe, den Riechnerv, den Riechkolben oder die Riechbahn dem Leser in ansprechender und unterhaltsamer Art und Weise. An dem jeweiligen Ende zeigt er jeweils auf, wie sich der Geruchssinn des Menschen in der alltäglichen Wirklichkeit verwenden und verbessern lässt. Sein Gesamtergebnis lässt sich vielleicht in die einfachen Worte fassen, dass wer seine Nase in möglichst viele Angelegenheiten steckt, besser riechen lernt und damit zu einem erfüllteren Leben kommen kann, weil vielleicht neben Ordnung, Arbeit, Planung oder Chaos für manchen Sommelier auch Riechen das halbe Leben sein kann.
Innsbruck Gerhard Köbler