Extremismusforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, hg. v. Jesse, Eckhard/Mannewitz, Tom. Nomos, Baden-Baden 2018. 672 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 81. IT
In einer mit Hilfe der Vernunft geordneten Reihe von Gegebenheiten gibt es für den Menschen regelmäßig eine Mitte und Ränder. Dabei bedeutet das aus dem lateinischen exter, exterus mit der Bedeutung außen befindlich, äußerlich und seinem Superlativ extremus mit der Bedeutung äußerste abgeleitete deutsche Wort extrem die Stellung an einem äußersten Rand in Bezug auf eine tatsächliche oder zumindest theoretisch angenommene Mitte. Als Extremismus werden in diesem Zusammenhang seit etwa 1973 politische Vorstellungen und Bestrebungen an den äußersten Rändern des politischen Spektrums jenseits der freiheitlich demokratischen Grundordnung bezeichnet, die noch über den einfacheren Radikalismus hinausreichen und sowohl links der Mitte wie auch rechts der Mitte stehen können.
Mit der Forschung über und zu diesem Extremismus beschäftigt sich das gewichtige Handbuch, dessen Herausgeber der in Wurzen bei Leipzig 1948 geborene, als Professor der Politikwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz emeritierte Eckhard Jessen und der 1987 in Wurzen bei Leipzig geborene, als Juniorprofessor der Technischen Universität Chemnitz für Politikwissenschaft tätige Tom Mannewitz sind. Ihr gemeinsames, durch acht Abbildungen veranschaulichtes Werk gliedert sich in insgesamt siebzehn Kapitel. Dabei folgen konzeptionellen Überlegungen der Herausgeber und Grundlagen Eckhard Jesses Studien über den demokratischen Verfassungsstaat als Widerpart des Extremismus, über extremistische Ideologien, extremistische Einstellungen und empirische Befunde, Ursachen für politischen Extremismus, Erfolgsbedingungen und Misserfolgsbedingungen extremistischer Parteien, Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Islamismus in der Bundesrepublik Deutschland, Linksterrorismus und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland, Extremismus in westeuropäischen und osteuropäischen Demokratien, Systemtransformation und Extremismus, politischer Extremismus in der Weimarer Republik, Rechtsextremismus (in der Form des Nationalsozialismus) an der Macht und Linksextremismus (in der Form des Kommunismus) an der Macht.
Voraussetzung für die Bildung unterschiedlicher politischer Ansichten ist die Meinungsfreiheit, die bereits in Artikel 11 der Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte in Frankreich hervorgehoben wurde, wobei Beschränkungen in den meisten gegenwärtigen Demokratien nur zu dem Schutz höherrangiger Güter zulässig sind. Davon abgesehen muss grundsätzlich der politische Wettbewerb der politischen Ideen über den Vorrang entscheiden, wobei bei Wahlen grundsätzlich der Wähler die Entscheidung treffen darf. Das vorliegende Werk sechzehner Sachkenner behandelt die dabei auftretenden Gegebenheiten und Fragen sowohl in theoretischen Konzepten wie auch in empirischen Analysen der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, so dass sich jeder Leser bestmöglich über die Arten und Gefahren des Extremismus für den demokratischen Verfassungsstaat unterrichten kann.
Innsbruck Gerhard Köbler