Eichmüller, Andreas, Die SS in der Bundesrepublik. Debatten und Diskurse über ehemalige SS-Angehörige 1949-1985 (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 117). De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2018. V, 320 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Schutzstaffel (SS) war eine von Adolf Hitler nach seiner Entlassung aus der Festungshaft in Landsberg am Lech in München an dem 4. April 1925 gegründete Organisation, die ab dem Reichsparteitag des Jahres 1926 der Sturmabteilung (SA) unterstand. Sie umfasste 1929 280, Ende 1930 3000-4000 und danach zeitweilig bis zu 400000 Mitglieder, die von ihrer Herkunft her etwa der Gesamtbevölkerung entsprachen. An dem 30. Juni 1934 beseitigte sie die Führung der SA und wurde zu einer eigenständigen Organisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei erhoben, die auf Wunsch Hitlers führend an der Durchsetzung seiner Politik mitwirkte, so dass sie nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf Hitlers als verbrecherische Organisation verboten wurde, von der nach dem Ende des zweiten Weltkriegs mehr als eine halbe Million früherer Angehöriger in dem Westen des Deutschen Reiches lebte.

 

Mit ihrer gedanklichen Einordnung in der 1949 aus den drei Besatzungszonen der westlichen Besatzungsmächte gebildeten Bundesrepublik Deutschland befasst sich das vorliegende Werk des 1961 geborenen, 1994 in München mit einer Dissertation mit dem Titel Strukturwandel der Landwirtschaft und Sozialgeschichte der bäuerlichen Bevölkerung in den 1950er und 1960er Jahren – dargestellt am Beispiel dreier bayerischer Landkreise-  promovierten und bereits 2012 mit einer Untersuchung über die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechen in der frühen Bundesrepublik Deutschland hervorgetretenen Mitarbeiters des Instituts für Zeitgeschichte. Gegliedert ist die jetzige Studie nach einem Prolog über das Erbe der SS (Die SS im Dritten Reich, Nürnberger Urteil und Entnazifizierung, Die Reorganisation ehemaliger SS-Angehöriger zu Beginn der 1950er Jahre) in drei Kapitel. Sie betreffen gesetzliche Integrationsregelungen und die öffentlichen Reaktionen darauf, öffentliche Treffen und Veranstaltungen von Organisationen ehemaliger SS-Angehöriger und Skandalisierung von individuellen SS-Vergangenheiten.

 

Die nach den abschließenden Dankesworten zum größten Teil in dem Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „Die SS in der deutschen Gesellschaft“ an dem Institut für Zeitgeschichte in München entstandene Untersuchung hat nach ihrem Bekanntwerden unmittelbar das Interesse eines besonderen Sachkenners erweckt. Deswegen genügt an dieser Stelle ein allgemeiner Hinweis auf sie. Die wissenschaftliche Betrachtung der ziemlich lautlos und problemfrei erfolgten Eingliederung der allermeisten Mitglieder einer nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft als verbrecherisch verbotenen Organisation in die demokratische Nachkriegsgesellschaft eines Rechtsstaats schließt in jedem Fall in verdienstvoller Weise eine bisher bestehende Forschungslücke.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler