Dreier, Thomas, Bild und Recht. Versuch einer programmatischen Grundlegung. Nomos, Baden-Baden 2019. 377 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Thomas Dreier, Leiter des Karlsruher Zentrums für angewandte Rechtswissenschaft, stellt mit der Veröffentlichung den Beginn einer interdisziplinären Reihe vor: „Recht und Bild – Studien der Regulierung des Visuellen“. Sie vermittelt einen Abriss des bislang nur in Ansätzen ausgeformten Forschungsfeldes. Der Bildbegriff wird eingegrenzt, die einschlägigen Normen werden konkretisiert und Themenfelder künftiger Forschungsprogramme benannt. Schließlich veröffentlicht Dreier einige seiner bereits anderweitig erschienenen Beiträge, die damit zugleich als glänzende prototypische Beispiele späterer wissenschaftlicher Abhandlungen zum Thema dienen.
Im ersten Grundlagenteil werden die diversen Felder umrissen: Recht und Bild, Recht im Bild, Bilder im Recht, Recht als Bild und Bilder als Recht, im Kontext der nationalen und interkulturellen Differenzen und angesichts der globalen Bilderwanderung.
Teil 2 befasst sich im Einzelnen im Wiederabdruck früherer Publikationen Dreiers zunächst mit Bildern vom, im und für das Recht, mit Rechtssymbolik und Bilderordnungen wie Fotografie, Original und Kopie, Innovation und Recht, mit Bildgeboten und Bildverboten.
Die Fotografie im rechtlichen Diskurs wendet sich der Frage zu, ob hier von Kunst oder Ware gesprochen werden muss. Der historische Exkurs thematisiert den janusköpfigen Charakter der Fotografie als Verschränkung der beiden Aspekte mit seinen ökonomischen und urheberrechtlichen Problembereichen. Einige Beispielsfälle befassen sich vergleichsweise knapp mit dem Recht am eigenen Bild, mit seiner Kommerzialisierung, mit rechtlichen Regelungsansprüchen und künstlerischer Regelungsferne. Dass in diesem Feld allerdings Konflikte zwischen Kunstfreiheit und Fotografie selten seien, ist wegen der Fülle der persönlichkeitsrechtlichen Summierungen der Kasuistik doch grundsätzlich in Frage zu stellen (S. 187). Hier liegt vielmehr gerade ein Zentrum der jahrelangen Differenzen bis hin zum neuen Bilder-Schutzsystem des Bundesgerichtshofs, das vom Unionsrecht 2012 gnädig abgesegnet worden ist.
Im Abschnitt über Bilder im Zeitalter der vernetzten Kommunizierbarkeit geht es um Grundfragen wie das strittige Verhältnis von Eigentum und Urheberrecht, um sog. Schranken etwa des Zitats, um die Zirkulationsfähigkeit von Bildern in sozialen Medien und um die möglichen Freistellungen von Verbotsrechten de lege ferenda, etwa im digitalen Binnenmarkt der Europäischen Union.
Die mit reichem Bildbestand ausgestattete Sammlung greift die Bilder als Teil der Erinnerungskultur und die rechtlichen Fesseln der musealen Darbietungen auf. Dreiers subtile Darstellungen der Desiderata mündet in einen Gesetzesvorschlag, der digitale Sichtbarkeit ermöglicht (S. 268 ff.). Die Änderungen der Info-Soc-RL, von § 58 und 60 f UrhG wären in der Tat minimal.
Weitaus komplexer sieht de lege lata und rechtspolitisch die Lage bei der Reichweite von Fotografierverboten aus (S. 272 ff.). Der Verfasser plädiert für eine sinnvolle Fortschreibung der Theorie des Kunstmuseums im digitalen Zeitalter, für Online-Zugänglichkeit, Begrenzung von Leistungsschutz und Hausrecht – fromme Wünsche, welche Gesetzgebung und Rechtsprechung wenn je nur widerwillig zu erfüllen mögen. Das Eigentum scheint – trotz der Ausgleichs- und Rücksichtsformel des § 903 BGB – letztlich weiterhin das Urheberrecht, Bildrecht und Kunstrecht zu übertrumpfen.
Die Spannweite der Beiträge reicht von der Ortsbestimmung von Kunst und Recht bis hin zu Fragen der Ethik, der „Moral des Fälschers“ sowie zu den modernen Fragen des profitablen Handels mit Kunst und namentlich mit Falsifikaten. Der Band wird durch ein Literaturverzeichnis und Quellenverzeichnis abgeschlossen.
Während die „Law - and - Literature-Forschung“ auf längere Traditionen und entsprechende Ergebnisse zurückblickt, steht die rechtlich geprägte Forschung von Recht und Bild zwar nicht ganz am Anfang, bedarf aber doch künftig weiterer Ausformung. Dreier hat die Fragestellungen grundsätzlich skizziert: Wie wird Wirklichkeit durch technologiegesteuerte Bilder gestaltet und gesehen, welche Rolle spielt das an Sprache gebundene Recht bei dieser Konstruktion von Wirklichkeit und Menschenbild. Dabei wird auch thematisiert, dass einmal mehr die „Mittelsmänner“ von „Wertschöpfungsketten“ den größten Anteil an „Mehrwerterzeugung“ abschöpfen. Diese im Übrigen historisch gesehen gewissermaßen „ewige“ Frage des Urheberrechts und Copyrights nach dem justum pretium im Bildrecht und Schöpfungsrecht müsste über die vielseitigen Themenfelder dieses ungemein reichhaltigen und lehrreichen Bandes hinaus künftig verstärkt ins Zentrum von Rechtswelten und Bilderwelten gestellt werden. Dazu zählen des Weiteren die hier sehr fundiert gestellten Fragen nach der Neukonturierung und Neujustierung eines modernen und zukunftsfähigen Ansprüchen dienlichen Regimes von absoluten Monopolrechten und Schranken im Zeitalter der digitalen globalen Welten.
Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen