Cancik-Kirschbaum, Eva/Kahl, Jochem unter Mitarbeit v. Wagensonner, Klaus, Erste Philologien. Archäologie einer Disziplin vom Tigris bis zum Nil. Mohr Siebeck, Tübingen 2018. 471 S., 49 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Gegenwart des heutigen Menschen ruht auf der Vergangenheit der geschichtlichen Dimension Zeit, in die alles Geschehen seit dem unerklärlichen, auf Grund der neueren Forschungen anzunehmenden Urknall eingebunden ist. Aus dem Nichts entstand eine Gaswolke, aus der sich allmählich das Universum bildete, in dem die Erde eine winzige Kleinigkeit bildet, die der Mensch als Mittelpunkt seiner Gedankenwelt erlebt und versteht. Ziemlich an dem Ende dieses langen Weges erwuchsen erste Philologien, die vorher fehlten und heute den Interessenmittelpunkt und die Lebensgrundlage zahlreicher unterschiedlicher Menschen weltweit bildet.

 

Von den beiden Verfassern des die Anfänge dieses Werdens beleuchtenden Grundlagenwerks wurde Eva Cancik in Tübingen 1965 geboren, in Tübingen, Berlin und Rom in Altorientalistik, Semitistik, klassischer Archäologie und vorderasiatischer Archäologie ausgebildet, 1994 mit einer Dissertation über die mittelassyrischen Briefe aus Dur-Katlimmu/Tall Schech Hamd promoviert, als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Projekt Bild, Schrift und Zahl im Kalender an dem Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität Berlin  mit der Schrift „Der König von Assur – Zur Organisation politischer Herrschaft in Assyrien vom 14. – 7. Jahrhundert v. Chr. habilitiert und wirkt seit 2003 als Professorin für altorientalische Philologie und Geschichte an dem Seminar für Altorientalistik der Freien Universität Berlin. Der in Ravensburg 1961 geborene, ab 1983 in empirischer Kulturwissenschaft, Geschichte und Griechisch in Tübingen und ab 1984 in Ägyptologie, klassischer Archäologie, Vorgeschichte und Frühgeschichte in Münster, Tübingen und Wien ausgebildete, 1992 mit einer Dissertation über das System der ägyptischen Hieroglyphenschrift in der 0. – 3. Dynastie promovierte, nach dem Studium der demotischen Schrift und Sprache in Köln 1998 mit der Schrift Siut – Theben – Eine Fallstudie zur Wertschätzung von Traditionen habilitierte Jochem Kahl ist seit Oktober 2008 ebenfalls an der Freien Universität Berlin tätig. Beide legen gemeinsam eine sachkundige, gründliche und verständliche Darstellung über die frühesten Anfänge der Philologie vor.

 

Gegliedert ist das sehr informative, von Klaus Wagensonner unterstützte Werk in sechs Kapitel, von denen fünf einzelnen, kleinteilig untergliederten Aspekten gewidmet sind. Sie betreffen das Schreiben als Kunst und Beruf und den Schreiber als Person, Orte des philologischen Wirkens, Techniken philologischer Tätigkeit und Aufgaben des Gelehrten, Umgang mit und Ausbildung von Tradition sowie die Ideologie hinter Schreibertum und Gelehrtentum. Kapitel sechs behandelt Exklusivität und Selbstverständnis der Gelehrtenkreise, so dass insgesamt ein vielfältiges, durch zahlreiche Abbildungen veranschaulichtes und durch Bibliographie, Chronologie, Glossar und Register abgerundetes Grundlagenwerk über die früheste erkennbare Phase der Sprachwissenschaft für alle Interessierten geboten wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler