Breit, Johannes, Das Gestapo-Lager Innsbruck-Reichenau – Geschichte – Aufarbeitung – Erinnerung. Tyrolia, Innsbruck 2017. 200 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das Verhältnis des Menschen zu seinen Mitmenschen kann ganz unterschiedlich gestaltet sein und von der Verzehrung in Hingabe bis zu der Vernichtung in Hinrichtung reichen. Zwecks Wahrung einzelner, vielfach als allgemein dargestellter Interessen kann in diesem weiten Rahmen eine geheime Staatspolizei aus vielfach fähigen und harten, dem Staat oder seinem jeweiligen Führer aus Überzeugung dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Bediensteten zusammengesetzte (geheime) politische Polizei geschaffen werden. Sie bekämpft die tatsächlichen oder behaupteten Gegner des Staates auch mit an beliebigen Orten eingerichteten Lagern.
Mit einem besonderen Aspekt dieser Gegebenheiten beschäftigt sich in Erinnerung an seinen 2004 verstorbenen Großvater die vorliegende Untersuchung des Filmemachers und für die Dissertation Serbien zwischen 1941 und 1944 betrachtenden Historikers Johannes Breit, der 2008 mit einem Film über das Lager Reichenau in Innsbruck mit dem Titel „Es ist besser, nicht zu viel um sich zu schauen – Das Arbeitserziehungslager Innsbruck-Reichenau 1941-1945“ hervortrat. Sein schlankes, um viele Abbildungen bereichertes Werk gliedert sich nach einer Einleitung in sieben Abschnitte. Sie betreffen die Zwangsarbeit in der Wirtschaftspolitik der 1930er-Jahre und nach 1941, Arbeitserziehungslager, das Lager Reichenau, Häftlinge und Lageralltag, das Lagerpersonal, die Befreiung und anschließende Prozesse sowie die Nachkriegsgeschichte und das Gedenken.
Sorgfältig legt der Verfasser dar, dass das in dem August 1941 in dem Auftrag des Reichssicherheitsahauptamts Berlin in Zusammenarbeit mit dem Landesarbeitsamt Innsbruck errichtete Lager nacheinander als Auffanglager für italienische Zivilarbeiter, als Arbeitserziehungslager und Durchgangslager für Juden aus Italien oder Nordafrika auf ihrem Weg nach Auscchwitz und in die Vernichtung sowie schließlich vor allem als Gefängnis für politische Häftlinge diente. Von seinen insgesamt 8500 Häftlingen wurden mindestens 130 ermordet oder fanden auf Grund der schwierigen Lebensbedingungen den Tod. Nicht zuletzt auch auf Grund der Aufnahme bisher unveröffentlichter Interviews mit Zeitzeugen kann sich jeder interessierte Leser ein unmittelbares eigenes Bild von den damaligen menschenrechtswidrigen Zuständen machen.
Innsbruck Gerhard Köbler