Wallwitz, Georg von, Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt. Wie ein Mathematiker das 20. Jahrhundert veränderte. Berenberg Verlag, 3. Aufl. Berlin 2017. 255 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
An dem Beginn des innerhalb des Erscheinungsjahrs drei Auflagen erfahrenden schlanken Bandes wird die Hilbert-Kurve graphisch dargestellt. Sie wird als eine Linie (mit sehr vielen Ecken) beschrieben, die eine zweidimensionale Fläche vollständig ausfüllt – und dadurch sozusagen ihre eigene (!) Dimensionen (!) hinter sich lässt. Das wird, wie die Mathematik insgesamt einigen sofort gefallen und sie unmittelbar interessieren, vielen aber als zu schwierig und damit als für das allgemeine Leben als solches unwichtig erscheinen.
Die Mathematik ist, ausgehend von der griechischen Philosophie, ein universitäres Wissenschaftsfach geworden, das sich von einer Badeanstalt durchaus grundsätzlich unterscheidet. Diesen Unterschied erklärt der in München 1968 geborene, in Mathematik und Philosophie in England und Deutschland ausgebildete, in Anwendung seiner mathematischen Studienerfahrungen als selbständiger Fondsmanager und Mitinhaber einer Vermögensverwaltung in München lebende und etwa durch eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte (2011) oder eine Untersuchung über die Erfindung des Wohlstands und damit das moderne Paradies (2013) hervorgetretene Verfasser an Hand einer Biographie des in Königsberg an dem 23. Januar 1862 als Sohn eines Amtsgerichtsrats geborenen und in Göttingen seit 1895 zu dem einflussreichsten Mathematikern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heranreifenden David Hilbert († 14. Februar 1943). Ihre von einem Vorwort und einem Nachwort eingerahmten 16 Sachkapitel betreffen den ungehaltenen Nekrolog, zwei Vögel, einen Frosch und den Erzengel des Fortschritts, einen geschärften Geist, den Gang Hilberts nach Göttingen (1895), 23 Probleme in Paris (1900), den Beginn der Kultur der Gegenwart, Hilberts Erlernen der Physik, zwei wirkliche Kerle, keine Badeanstalt, ein endliches Spiel, Neumann und Bologna, Wunderknaben in Göttingen, einen dämonischen Mangel an Plausibilität, katholische Demonstrationen, das Licht der Logik und die translatio imperii.
Bei seinem Bekanntwerden hat das Werk unmittelbar das Interesse eines vielseitigen Rezensenten erweckt, obwohl er nicht unmittelbar zu dem im Grunde liebenswürdigen Menschenschlag (der Mathematiker) gehört, der bei dem Nachdenken über die Welt bereit ist, über die Intuition hinauszugehen und sich allein von der Form und der inneren Logik der Phänomene leiten zu lassen. Möge ihn die Biographie in bester Weise anregen und begeistern, obwohl ihr Verfasser in seinem Mathematikstudium in der Vorlesung lineare Algebra bald nicht einmal mehr sagen konnte, was eigentlich das Thema war. Da er aber einem Rat seines Lehrers Otto Kegel, der akademisch in direkter Linie von David Hilbert abstammte, folgte und als Frosch in einem Milchglas solange strampelte, solange es ging, und auf diese Weise dann doch den Reiz der Mathematik entdeckte, ohne das Interesse, sie zu seinem Beruf zu machen, und ohne die Illusion, jemals einen ernsthaften Beitrag zu dieser Wissenschaft leisten zu können, wird er jeden interessierten Leser elegant David Hilbert und das Grundwesen der Mathematik als eines grenzenlosen Spielfelds, in dem ein Beweis die Suche nach dem nächsten Satz aufgibt, aufklärend näherbringen können.
Innsbruck Gerhard Köbler