Ohse, Tom Christian, Die Bedeutung der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts zur polizeilichen Verantwortlichkeit für unsere heutige Dogmatik. Driesen GmbH, Taunusstein 2017. XXIII, 609 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Innerhalb der Vielzahl der unterschiedlichen Gerichte des deutschen Sprachraums hat das Oberverwaltungsgericht Preußens eine hervorgehobene Stellung. Sie beruht nicht zuletzt darauf, dass das Verwaltungsrecht in dem Verhältnis zu Privatrecht, Strafrecht und Prozessrecht lange Zeit von der Gesetzgebung wie auch von der Rechtswissenschaft vernachlässigt wurde. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein gab es weder eine Verwaltungsrechtswissenschaft noch ein Verwaltungsgericht, weshalb die einem Gesetz Badens folgende Errichtung des Oberverwaltungsgerichts Preußens durch das Verwaltungsgerichtsgesetz Preußens von dem 5. Oktober 1875 einen Meilenstein in der Geschichte des Verwaltungsrechts bedeutete.

 

Mit einem besonderen Aspekt der damit verbundenen Entwicklung beschäftigt sich die von Thomas Mann angeregte und betreute, in dem Sommersemester 2014 von der juristischen Fakultät der Universität Göttingen angenommene gewichtige Dissertation des 1979 geborenen, zeitweise an dem Lehrstuhl für öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht seines Betreuers tätigen und 2012 in Bremen als Rechtsanwalt niedergelassenen Verfassers. Sie gliedert sich in insgesamt drei Teile. Diese betreffen das preußische Oberverwaltungsgericht und das Polizeirecht, die Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts zu der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit und ein Gesamtresümee.

 

In diesem weiten Rahmen behandelt der Verfasser innerhalb der Verantwortlichkeit bzw. Polizeipflicht an Hand zahlreicher teils in den 106 Bänden der amtlichen Sammlung, teils auch darüber hinaus veröffentlichter Urteile die Lehre der unmittelbaren Verursachung, die Rechtsfigur des Zweckveranlassers, die materielle Polizeipflicht, die Verantwortlichkeit von Hoheitsträgern und die Störerauswahl. Dabei stellt er die jeweils bedeutsamsten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts in chronologischer Abfolge vor und betrachtet ihre Aufnahme in der zeitgenössischen Literatur und ihre Nachwirkung bis zu der gegenwärtigen Dogmatik des Polizeirechts. In seinem Gesamtergebnis kann er ansprechend darlegen, dass die ausdifferenzierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Preußens in den 65 Jahren seines Wirkens zwischen 1895 und 1941 über die berühmten Kreuzbergurteile hinaus das Polizeirecht bezüglich der konkreten Gefahr, des Störerprinzips und der Verhältnismäßigkeit maßgeblich beeinflusst und geformt hat.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler