Morris, Heather, Der Tätowierer von Auschwitz, aus dem Englischen von Ranke, Elsbeth. Piper, München 2018. 303 S., 3 Abb., 2 Kart. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Seit wohl weit mehr als hunderttausend Jahren leben Menschen auf der Erde. Auch wenn eine vollständige Digitalisierung ihres Werdens und Vergehens ausgeschlossen ist, lässt sich mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass ihr Erbgut und damit auch ihr Aussehen kaum verwechselbar gleich waren. In ähnlicher Weise ist auch ihr Leben individuell und nicht wirklich vorhersehbar verlaufen und in der Wirklichkeit kann sowohl den besten und glücklichsten Menschen überraschend der Tod entreißen wie auch das gefährdetste Individuum unvorhersehbar zu weltweitem Ruhm und Erfolg gelangen kann.
1942 wird ein 1916 geborener slowakischer Jude namens Ludwig „Lale“ Sokolov (Eisenberg) in das Konzentrationslager Auschwitz in dem Süden Polens deportiert, in dem mehr als eine Million Menschen aus Belgien, dem Deutschen Reich, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen, Rumänien, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Ungarn während der Herrschaft Adolf Hitlers über das Deutsche Reich vielfach durch Vergasung getötet wurden. Unter der Nummer 32407 wird Sokolov von der Lagerverwaltung dazu bestimmt, die der bürokratischen Verwaltung dienenden Nummern der Häftlinge auf den Unterarm seiner Mitgefangenen zu tätowieren, darunter in dem Juli 1942 die Nummer 34902 auf den linken Arm eines Mädchens mit dem Namen Gisela „Gita“ Furman (Fuhrmann), dem er dabei in die Augen sehen und sich in es lebenslänglich verlieben kann.
Er nutzte fortan seine verhältnismäßig günstige Stellung zum Schutz dieser jungen Frau, wurde aber an dem 25. Januar 1945 von ihr getrennt, fand sie nach Wochen der Suche in Preßburg wieder, heiratete sie und wanderte mit ihr nach Australien aus. Aus Angst vor Verfolgung wegen Kollaboration mit den nationalsozialistischen Deutschen sprach er erst nach ihrem Tode an dem 3. Oktober 2003 über seine schrecklichen und gleichwohl wundersamen Erlebnisse. Die aus Neuseeland stammende, an dem Te Awamutu College ausgebildete Drehbuchautorin Heather Morris gestaltete aus den langen, manchmal wirren Erzählungen mehrerer Jahre des an dem 31. Oktober 2006 gestorbenen Achtzigjährigen ein berührend spannendes, in 28 Kapitel gegliedertes Werk, in dessen mehr als einer Million verkauften Stücken das völlig unwahrscheinliche Glück zweier einfacher Menschen als Hoffnung für viele andere Opfer von Unmenschlichkeit, Gewalt und Vernichtung vielleicht dauerhaft ein wenig fortleben kann.
Innsbruck Gerhard Köbler