Martin Luther und die deutsche Sprache – damals und heute, hg. v. Wolf, Norbert Richard (= Schriften des europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften 7). Winter, Heidelberg 2017. 217 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der in Eisleben 1483 als Sohn eines Bergmanns geborene Martin Luther wurde nach kurzem Studium des Rechtes in Erfurt (1505) und danach der Theologie 1512 doctor theologiae in Wittenberg. Durch die Veröffentlichung von 95 Thesen, welche die Kirche reformieren sollten, stiftete er im Ergebnis den Protestantismus, der die Erlösung des Menschen auf die Gnade Gottes gründete. Sprachgeschichtlich ist seine mehr in der Mitte als in dem oberdeutschen Süden angesiedelte, das Neuhochdeutsche wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in das Deutsche zwischen 1522 und 1534 besonders bedeutsam.
Nach dem kurzen Vorwort des Herausgebers des vorliegenden Sammelbands wurde 500 Jahre nach dem religiösen Reformationsversuch des Jahres 1517 neben der theologischen Leistung und Wirkung Luthers auch seine sprachliche Wirkung besonders hervorgehoben, obwohl die Behauptung, dass der Reformator durch seine Bibelübersetzung die neuhochdeutsche Schriftsprache geschaffen habe, falsch ist. Auf der Suche nach einer sachgerechten Würdigung des Verhältnisses zwischen Martin Luther und der deutschen Sprache fand in dem Mai 2017 ein in dem Frühsommer 2016 von Ludwig M. Eichinger als dem Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim angeregtes vorbereitendes Kolloquium statt, dessen Vorträge nunmehr der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Es wäre nach den Worten des Herausgebers ohne die Ressourcen des Instituts nicht möglich gewesen.
Insgesamt enthält der schlanke Band neun Studien über Sprachwissen, Ideale, grammatisches Erbe, Luthers Pfingstgeschichte, Dialoge, Sprachwechsel, Luthers Antijudaismus, die Züricher Bearbeitung der Bibel Luthers und über Bibelrevisionen von 1522 bis 2017. Da das Werk unmittelbar nach seinem Bekanntwerden das besondere Interesse eines vielseitigen Rezensenten erweckt hat, genügt an dieser Stelle ein vorläufiger Hinweis. In diesem Sinne ist nach dem Herausgeber unstreitig, dass Martin Luther, bis zu dessen Tode in Eisleben an dem 18. Februar 1546 (trotz eines nur geringen Alphabetisierungsgrads der damaligen, schätzungsweise etwas mehr als zehn Millionen Menschen zählenden Bevölkerung von vielleicht 5 Prozent) möglicherweise rund vier Millionen Exemplare seiner Schriften hergestellt wurden, mit seinen Texten und einigen, eher verstreuten Überlegungen zu Übersetzung und Sprachgebrauch die Entwicklung des Deutschen zu einer weithin verständlichen Schriftsprache wesentlich gefördert hat.
Innsbruck Gerhard Köbler