Hetterich, Hellen, Mensch und „Person“ – Probleme einer allgemeinen Rechtsfähigkeit. Eine rechtshistorisch-kritische Untersuchung zu § 1 BGB (= Schriften zur Rechtsgeschichte 174). Duncker & Humblot, Berlin 2016. 345 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Zwar kam der Mensch in der Entwicklung des Universums sehr spät, aber immerhin wohl noch kurz vor der Person. Abgeleitet ist seine deutsche Bezeichnung von einem für das Germanische und Indogermanische erschließbaren Ansatz für Mann oder Mensch, während die Person aus dem Lateinischen, zuerst belegt bei Plautus um 250-184 v. Chr., aufgenommen ist. In das Deutsche übernommen wurde die Person wohl in dem Mittelhochdeutschen (1348/1350), wobei inhaltlich die Person in der systematischen Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts entstanden zu sein scheint (Althusius, Dicaeologica 1,4 persona est homo, iuris commercium habens).
Mit einem Ausschnitt dieses Fragenkreises beschäftigt sich die von Martin Lipp betreute, 2015 von dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Gießen angenommene Dissertation der in Gießen ausgebildeten und nach der ersten juristischen Staatsprüfung an dem Lehrstuhl ihres Betreuers tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in fünf Kapitel. Diese betreffen Person und Rechtsfähigkeit in der aktuellen Diskussion – eine Bestandsaufnahme, Problemverdichtung und Erklärungsansätze, historische Modelle zu Persönlichkeit, Person und Rechtsfähigkeit, BGB und 20. Jahrhundert sowie eigene Perspektiven.
In ihrem Ergebnis gelangt die Verfasserin zu der Feststellung, dass Rechtsperson, Rechtsfähigkeit und Rechtssubjekt Elementarbegriffe des modernen Rechtsdenkens mit langer Tradition und Entwicklungsgeschichte sind, während an dem Anfang und Ende des Lebens die bisherige Konstante „Mensch“ auf Grund medizinischer Möglichkeiten in Verunsicherung gerät. Ihre historische Analyse zu Savigny und Puchta sowie die Betrachtung der Kodifikationsmaterialien zu § 1 BGB haben für sie ergeben, dass Rechtsfähigkeit vor allem als formal-rechtstechnische Ordnungsgröße in dem jeweiligen dogmatischen System verwendet wird, wobei auf dem Hintergrund des klassischen römischen Rechtes Rechtsfähigkeit eine in dem Einzelnen positiver Ausgestaltung unterliegende Rechtskonstruktion ist. Nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs setzte demgegenüber eine grundlegende Kritik an der allgemeinen Rechtsfähigkeit ein, wobei durch die Normierung der Menschenwürde in Art. 1 I, 79 III GG die materiell-ethische Aussage einen rechtlichen Gehalt auf höchster normativer Ebene erhielt.
Nach der Verfasserin ist jedoch Abstand zu nehmen von einer allgemeinen Rechtsfähigkeit als dogmatischem Zentralbegriff. An ihre Stelle sind eine Rechtsgutsfähigkeit einerseits und eine je und je aktualisierte Rechtsträgerschaft andererseits zu setzen. Der Wertebereich soll durch angeborene und unveräußerliche Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Unversehrtheit oder Freiheit den Mindeststandard rechtlich gesicherter Humanität gewährleisten, der Ordnungsbereich soll die Frage der Rechtsträgerschaft mit Blick auf die jeweils konkret betroffene Rechtsposition stellen und, soweit vorteilhaft und sachgerecht, stärker mit Aspekten der Rechtsausübungsfähigkeit (in der Fallgruppe des irreversibel Komatösen) verbinden, während der Mensch anscheinend mit der Menschenwürde verbunden bleibt.
Innsbruck Gerhard Köbler