Die Nürnberger Gesetze – 80 Jahre danach – Vorgeschichte, Entstehung, Auswirkungen, hg. v. Brechtken, Magnus/Jasch, Hans-Christian/Kreutzmüller, Christoph u. a. Wallstein, Göttingen 2017. VI, 311 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das Recht als eine Vielzahl von einzelnen Rechtssätzen wird von dem Menschen in dem Rahmen seiner Möglichkeiten geschaffen. Wie alle seine Handlungen kann es trotz seiner grundsätzlichen Ausrichtung auch andere Rechte verletzen. Deswegen kann es, selbst wenn es von einem Gesetzgeber in dem Rahmen seiner Zuständigkeiten in einem grundsätzlich als rechtmäßig angesehenen Verfahren erlassen wurde, seinerseits rechtswidrig sein, weil es in Widerspruch zu höherrangigen Gegebenheiten steht.
Nach dem von Heiko Maas und Thomas de Maizière verfassten Geleitwort des vorliegenden Sammelbands beseitigte das Deutsche Reich unter nationalsozialistischer Herrschaft mit den knappen Nürnberger Gesetzen von dem 15. September 1935 (die) Individualrechtsgrundsätze der Weimarer Reichsverfassung und zementierte den kollektiven Sonderstatus von Deutschen jüdischen Glaubens. Zum Gedenken an dieses Vorgehen fand in dem Kammergericht Berlin anlässlich seines 80. Jahrestags eine internationale Tagung statt, die von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz, dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin in Kooperation mit dem Kammergericht Berlin, dem brandenburgischen Verfassungsgerichtshof und der Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam unter der Schirmherrschaft der beiden Bundesministerien durchgeführt wurde. Die dortigen 15 Referate stellt das Werk nunmehr der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Am Beginn steht die Rede Heiko Maas‘ über Unrecht, Aufarbeitung und Erinnerung, mit der die Tagung eröffnet wurde. Danach werden etwa die Nürnberger Gesetze, die koloniale Kontinuität, der Antisemitismus in Bädern und Kurorten um 1933, die nationalsozialistische Sterilisationsgesetzgebung, Gewalt gegen Juden in dem Sommer 1935, „Rassenschande“ vor nationalsozialistischen Gerichten, die Wahrnehmung der Nürnberger Gesetze in Polen, Ostmitteleuropa sowie Italien, Nürnberg in Vichy bzw. Frankreich, die Rassengesetzgebung, jüdische Mischlinge, das Staatsangehörigkeitsrecht und das Reichsbürgerrecht, die Nürnberger Gesetze in dem alliierten Kontrollrat und der Fall Hans Globke als Nachgeschichte und Historiografie untersucht. Ein Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis und ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Personenregister von Abetz über Hitler, Lösener und Stuckart bis Woller und ein Autorenregister von Bajohr bis Woller schließen die vielfältigen Einsichten des dunkel gewandeten Gedenkbandes für die Leser in einigen Hinsichten auf.
Innsbruck Gerhard Köbler