Braun, Christine, Die Entstehung des Mythos vom Soldatenhandel 1776-1813. Europäische Öffentlichkeit und der „hessische Soldatenverkauf“ nach Amerika am Ende des 18. Jahrhunderts (= Hessische Historische Kommission Darmstadt und Historische Kommission für Hessen, Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 178). Selbstverlag de Hessischen Historischen Kommission Darmstadt und der Historischen Kommission für Hessen, Marburg 2018. 296 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Als die Kolonien europäischer Großmächte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts von ihren Mutterländern lossagten und unabhängig werden wollten, entstand eine allgemeinere Suche nach Unterstützung. In diesem Zusammenhang wurden mit Fürsten des heiligen römischen Reiches Subsidienverträge abgeschlossen. Gegen sie wandte sich der nationalliberale Politiker und Schriftsteller Friedrich Kapp (1824-1884) 1864 mit der Schrift Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika, der nach der Einleitung des vorliegenden Werkes der Existenz relativ unabhängiger kleiner deutscher Fürstentümer in dem Deutschen Bund (1815-1866) die Berechtigung mit der Überlegung abgesprochen werden, dass eine solche Kleinstaaterei Verbrechen und Schande ermögliche, wie sie ein vereintes deutsches Reich unter der Führung Preußen verhindern würde.
Mit diesem Thema beschäftigt sich das vorliegende, durch ein Personenregister abgerundete Werk, das unter Betreuung durch Christoph Kampmann in dem Sommersemester 2017 von dem Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der Universität Marburg an der Lahn als Dissertation angenommen wurde. Es gliedert sich nach einer Einleitung über Fragestellung, Methode, Quellen, Forschungsstand und Aufbau in drei Sachkapitel. Diese betreffen die historische Praxis der Truppenvermietungen in dem 18. Jahrhundert bzw. die Subsidienverträge deutscher Fürsten mit England während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs, die Öffentlichkeit in dem deutschsprachigen Raum und in England in dem 18. Jahrhundert und die Diskussion über die Truppenvermietungen und die Kritik an den Truppenvermietungen zwischen 1776 und 1813 in dem deutschsprachigen Raum und in England.
Dabei kann die Verfasserin ansprechend zeigen, dass bereits kurz nach Bekanntwerden der Subsidienverträge Braunschweigs, Hessen-Kassels und Hessen-Hanaus mit England zu Beginn des Jahres 1776 Kritik an den seit dem Ende des 17. Jahrhundert durchaus üblichen fürstlichen Truppenvermietungen einsetzte, weil das Streben nach Unabhängigkeit in Amerika als grundlegender Kampf der Freiheit gegen die Unterdrückung gesehen wurde. Hieraus erwuchs zwischen 1776 und 1813 ein Soldatenhandelsnarrativ. Diese bildet die Grundlage für einen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sichtbaren Mythos von dem Soldatenhandel, in dessen Rahmen auch Friedrich Kapp schrieb.
Innsbruck Gerhard Köbler