Zwischen Konflikt und Kooperation. Praktiken der europäischen Gelehrtenkultur (12.-17. Jahrhundert), hg. v. Boer, Jan-Hendryk de/Füssel, Marian/Schütte, Jana Madlen (= Historische Forschungen 114). Duncker & Humblot, Berlin 2016. 443 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch ist ein egoistisches Lebewesen, das sich aber nur zusammen mit Mitmenschen als Einzelner wie auch als Gattung erhalten kann. Von daher sind die beiden Möglichkeiten von Konflikt und Kooperation gewissermaßen vorgegeben. Es kann deshalb kaum überraschen, dass sie auch in dem weiten Feld der europäischen Gelehrtenkultur zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert wiederfinden.

 

Das vorliegende, finanziell vielseitig geförderte Sammelwerk legt die Beiträge zu der Tagung über europäische Gelehrtenkultur (1100-1750) – Praktiken, Positionen, Periodisierungen der Öffentlichkeit vor, die von dem 12. bis zu dem 15. November 2014 als Abschlusstagung des Netzwerks Institutionen, Praktiken und Positionen der Gelehrtenkultur von dem 13. bis zu dem 16. Jahrhundert an der Universität Göttingen stattfand. Es enthält nach einer Einführung der Herausgeber insgesamt 16 Studien. Sie gliedern sich in vier Abschnitte über Organisieren, Streiten, Disputieren und Repräsentieren.

 

Den Beginn macht Florian Hartmann mit den Anfängen der Universität Bologna in der Form von Rhetoriklehre und studium in artibus in dem 12. und 13. Jahrhundert. Danach werden etwa die institutionelle Arbeitsweise der Universitäten von dem Pariser Typus, die Vorstellungen und Wirklichkeiten der europäischen Einrichtungen höherer Bildung, die Vorlesungszettel des Helmstedter Rhetorikprofessors Christoph Schrader (1635-680), der Judenhass, Konflikte und Konkurrenzen der Mediziner des 15. und 16. Jahrhunderts, die Magersucht in dem 17. Jahrhundert, die Streitkultur der Humanisten an dem Hofe der Aragonesen in Neapel, die Politikberatung aus dem Hörsaal, Disputationen in philosophischen Promotionsakten in Dillingen, die frühneuzeitliche Schuldisputation, die Sozialisation und Gruppenbildung an der Artistenfakultät in Paris in dem 13. Jahrhundert, angewandtes Wissen zum Handeln, Wissenskulturen in dem spätmittelalterlichen Nürnberg und Johannes Fuchsmagen (um 1450-1510) behandelt. Den Beschluss des von dem Hochmittelalter bis zu der frühen Neuzeit reichenden, vielfältige Einzeleinsichten bietenden Bandes bildet Yann Dahhaouis „Saying almost the same thing many times“ an Hand der Geschichtsschreibung des feast of fools zwischen 1600 und 1900, womit der ohnehin an verschiedenen Stellen bereits unterschiedlich abgegrenzte Untersuchungszeitraum nochmals deutlich erweitert wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler