Zaugg, Franziska A., Albanische Muslime in der Waffen-SS. Von „Großalbanien“ zur Division „Skanderbeg“ (= Krieg in der Geschichte 96). Schöningh, Paderborn 2016. 346 S., 21 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Je länger sich der Zweite Weltkrieg hinzog, desto offensichtlicher wurde das Faktum, dass sein Ausgang weniger von genialer Feldherrnkunst als maßgeblich von der Verfügbarkeit personeller wie materieller Ressourcen abhängen würde. Die optimierte Ausbeutung seiner besetzten und kontrollierten Gebiete war somit vor allem für das Deutsche Reich ein Gebot der Stunde. Nach der deutschen Besetzung und Zerschlagung Jugoslawiens im April 1941 stellte die Waffen-SS im südosteuropäischen Raum nicht nur die aus der ortsansässigen volksdeutschen Bevölkerung rekrutierte 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ auf, sondern rief mit der 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Handschar“ (kroatische Nr. 1), der 21. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Skanderbeg“ (albanische Nr. 1) und der 23. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Kama“ (kroatische Nr. 2) auch drei muslimische Verbände ins Leben. Diese Truppen waren vorwiegend für die Partisanenbekämpfung auf dem Balkan vorgesehen und sollten die Sicherung von Marschwegen sowie wehrwirtschaftlich bedeutsamer Anlagen und Produktionsstätten gewährleisten.

 

Die vorliegende, von der Universität Bern approbierte und mit einem Förderpreis ausgezeichnete geschichtswissenschaftliche Dissertation Franziska A. Zauggs arbeitet die Geschichte der Division „Skanderbeg“ im Kontext der italienischen und deutschen Interessen im albanischen Raum auf. Geographisch ist konkret von „Großalbanien“ die Rede, womit der zwischen 1941 und 1944 bestehende, aus „Altalbanien“ und „Neualbanien“ (Mittelkosovo und Südkosovo, mazedonische und montenegrinische Grenzgebiete) zusammengesetzte albanische Staat bezeichnet wird. Bis zur Kapitulation Italiens im September 1943 italienisches Protektorat, figurierte dieses Gebiet fortan als ein von den Deutschen – die bereits Nordkosovo und den Sandžak als Teile Serbiens unter ihre Militärverwaltung gestellt hatten – de facto weitgehend abhängiger „neutraler Staat“. Doch, wie die Verfasserin ausdrücklich betont, waren die Albaner „nicht bloß eine formbare Masse in den Händen ihrer Besatzer“: Sie „(verfolgten) ihre Intentionen und (wussten) ihre Ressourcen einzusetzen. […] Den deutschen Vertretern zerrann [die Zeit] im Laufe des Jahres 1944 zwischen den Fingern. Das Projekt ‚Albanien‘ wie auch die Aufstellung der ‚Skanderbeg‘ galten im Spätsommer 1944 als gescheitert. Sämtliche in Südosteuropa stationierten Verbände der Wehrmacht und der Waffen-SS befanden sich in den Herbstmonaten auf dem Rückzug“ (S. 15).

 

Nachdem in der Einleitung die Fragestellungen der Arbeit, der aktuelle Forschungsstand im Hinblick auf die Waffen-SS, die deutsche und die italienische Besatzung Albaniens sowie die albanische Gesellschaft und ihre Wahrnehmung dargelegt, Forschungsdesiderate identifiziert und die Quellenlage erörtert worden sind, gliedert sich die Studie in drei thematische Blöcke. Der 100 Seiten starke erste Teil beschäftigt sich als Rahmen mit der Darstellung der italienischen und deutschen Besatzungspolitik inklusive der albanischen Interessen. Auf weiteren 150 Druckseiten folgt als zweiter Teil und Kern die Geschichte der Division „Skanderbeg“: die Ausgangslage und die Vorbereitungen für die Aufstellung, die Rekrutierung zwischen Freiwilligkeit und Zwang, Gliederung, Ausrüstung und Ausbildung, Desertionen und die Einsätze bis zur Auflösung des zur Kampfgruppe zusammengeschmolzenen Verbandes im Frühjahr 1945. Im Verhältnis zu diesen beiden umfangreichen Abschnitten kommt dem nur 15 Seiten umfassenden dritten Teil der Arbeit, der Betrachtungen zur Entstehung und zum Wandel des deutschen Albanerbildes anstellt, bestenfalls Skizzencharakter zu. Ein kurzes abschließendes Fazit regt unter anderem an, den Gegenwartsbezug zu vertiefen und wissenschaftlich der Frage nachzugehen, „ob die Gewalt Ende der 1990er Jahre im Kosovo und in seinen Grenzgebieten an denselben Orten eskalierte, die bereits unter deutscher Besatzung Brennpunkte innerethnischer Gewalt waren“ (S. 316).

 

Unter Ahmet Zogu, der 1924 geputscht hatte und sich 1928 zum „König der Albaner“ krönte, war Albanien ab 1925 sukzessive in eine immer größere Abhängigkeit vom faschistischen Italien geraten. Im April 1939 wurde das Land ohne nennenswerten Widerstand besetzt, der italienische König in Personalunion zum König von Albanien ausgerufen, der bisherige italienische Botschafter in Albanien, Francesco Jacomoni di San Savino, als Generalstatthalter eingesetzt. Die Verfasserin analysiert die drei Eckpfeiler der italienischen Albanienpolitik, die auf politische Gleichschaltung, wirtschaftliche Ausbeutung und militärische Durchdringung hinauslief. Bereits im Sommer 1939 wurde mit der „Milizia Fascista Albanese“ (MFA) ein albanischer Ableger der italienischen Schwarzhemden ins Leben gerufen, eine Formation, die „strukturelle Ähnlichkeiten mit der Division ‚Skanderbeg‘“ aufgewiesen habe und deren Bataillone „auch bereits als ‚Gruppo Skanderbeg‘ in das italienische Heer integriert“ wurden (S. 60). Dabei „versuchten die Italiener wie später auch die Deutschen, albanische Soldaten im Sinne der faschistischen Ideologie und des italienischen Militärapparats zu instrumentalisieren, indem sie angaben, die Albaner bei der Realisierung eines ‚großalbanischen‘ Staates, eines ethnischen Albaniens, zu unterstützen. Folgerichtig wurden dann die Einheiten der MFA vor allem in den peripheren Regionen Albaniens, an den Grenzen zu Griechenland, Serbien, Montenegro und Bulgarien, eingesetzt“ (S. 62). Ernst zu nehmender Widerstand gegen die italienischen Besatzer organisierte sich in der Ende 1941 gegründeten Kommunistischen Partei Albaniens (KPA) unter Enver Hoxha, die vor allem in Süd- und Mittelalbanien Einfluss entfaltete, sowie ab 1942 im national, antikommunistisch und antimonarchistisch eingestellten Balli Kombëtar (Nationale Front). Der im Oktober 1940 beginnende italienische Griechenlandfeldzug, der das Leben albanischer Soldaten für italienische Interessen aufs Spiel setzte, die Zunahme des sozialen und wirtschaftlichen Elends sowie die allgemeine Ablehnung der angestrebten, als unehrenhaft wahrgenommenen Entwaffnung der albanischen Zivilbevölkerung seien wesentliche Motive für die Zunahme antiitalienischer Ressentiments unter den Albanern gewesen. Während und nach der Kapitulation Italiens im September 1943 „(eskalierte) die aufgestaute Abneigung der albanischen Bevölkerung […] in gewalttätigen Aktionen gegen italienische Militärs und Zivilisten“ (S. 91).

 

Die Deutschen legten ihre „oberste Piorität“ auf „die ‚Eigenstaatlichkeit‘ Albaniens, mit dem Ziel, politische Stabilität herbeizuführen und eigene Ressourcen zu sparen“. Denn sie verfügten „weder über die über lange Jahre gewachsene wirtschaftliche, noch über die politische und militärische Basis, um Albanien so zu übernehmen, wie Mussolini 1939 seine von langer Hand geplante Besetzung Albaniens umgesetzt hatte“, und darüber hinaus auch über keine „realistische( ) Vorstellung, was sie in Albanien erwarten würde“ (S. 93). Den sich ab November 1943 konstituierenden, rasch wechselnden albanischen Regierungen misstrauten sie, denn „(v)on Anfang an taten sich die Vertreter des ‚Dritten Reiches‘ mit den opportunistisch anmutenden Zweckbündnissen, die jederzeit aufgekündigt werden konnten und so die vielschichtigen Handlungsintentionen und –möglichkeiten albanischer Politiker offenbarten, schwer“ (S. 99). Offiziell war Albanien ein verbündeter Staat, weshalb die deutsche Militärpräsenz vornehmlich mit der Notwendigkeit der Abwehr einer womöglich bevorstehenden alliierten Landung begründet werden musste. Auf deutscher Seite dominierten neben Generalkonsul Martin Schliep „1943/44 drei Funktionsträger das Geschehen in Albanien: der Sonderbevollmächtigte des Auswärtigen Amtes für den Südosten [Hermann Neubacher], der Deutsche Bevollmächtigte General für Albanien [DGA] und der Höhere SS- und Polizeiführer Albanien [Josef Fitzthum, der in Personalunion Ende August 1944 auch die Funktion des DGA übernimmt]“ (S. 101); sich überschneidende Zuständigkeiten führten zu den typischen Kompetenzkonflikten, die man vor den albanischen Regierungsstellen zu verbergen trachtete. Das ökonomische Interesse der Deutschen war ausschließlich auf kriegswichtige Rohstoffe gerichtet, wobei die „Bergregionen ‚Neualbaniens‘ aufgrund ihres Chromerz-, Magnesit- und Lignitvorkommens als besonders wertvoll (galten)“ (S. 114).

 

Es ist also kein Zufall, dass die Aufstellung und Dislokation der SS-Division „Skanderbeg“ gerade im kosovarischen Raum mit dem Divisionsstab in Prizren erfolgte (vgl. dazu die aussagekräftigen Karten, Abb. 19 und 20, S. 288f., sowie die Rekonstruktion der Gliederung der Division und ihrer Einheiten inklusive der Personalstruktur und der Ist-/Sollstärken, S. 212 – 218). Maßgeblichen Einfluss von albanischer Seite erlangte dabei die im September 1943 ins Leben gerufene „Zweite Liga“ von Prizren. Diese Kräfte verfolgten das Ziel, mit deutscher Hilfe Kosovo langfristig als Teil „Großalbaniens“ zu erhalten. Hinter ihrer Kollaborationsbereitschaft standen somit nationale Zielsetzungen; für den Aufbau der „Skanderbeg“ machten die Albaner „konkrete Angebote“, die mit „ebenso klare(n) Forderungen“ einhergingen (S. 145). Gewalt war in diesem Gebiet ein permanent gegenwärtiges Phänomen und Problem, das die Verfasserin im Detail expliziert. Sie fasst zusammen, „dass an den Grenzen ‚Neualbaniens‘ praktisch alle gegen alle kämpften und dadurch die Situation äußerst verworren und unübersichtlich war. Schon vor dem Balkanfeldzug waren das Konfliktpotential und die Gewaltbereitschaft in dieser Region enorm hoch. Diese Situation wurde durch die neue Grenzziehung noch verschärft. Andererseits versuchten die beiden Besatzungsmächte, Deutschland und Italien, die Gewalt für eigene Interessen zu instrumentalisieren, sahen sich aber zunehmend in einer ohnmächtigen Position, da sie feststellen mussten, dass diese Gewalt gar nicht kontrolliert werden konnte“ (S. 177). Nicht zuletzt war die an den von den einflussreichen Bajraktaren (Häuptlinge) streng hierarchisch geführten Stämmen orientierte, dem mündlich tradierten Gewohnheitsrecht des Kanun in seinen unterschiedlichen Ausprägungen verpflichtete Gesellschaftsstruktur, die ein „vom Staat oktroyiertes Recht“ für „überflüssig“ erachtete und es negierte (S. 206), im Norden „Großalbaniens“ ein gravierendes Hindernis der Befriedung.

 

Im Gegensatz zu der in ihrer Aufstellung zeitlich vorgestaffelten SS-Division „Handschar“, in der neben Bosniaken bereits eine albanische Freiwilligeneinheit kämpfte, sei für die „Skanderbeg“ der „Islam als Angelpunkt einer auf Muslime adaptierten ‚weltanschauliche[n] Erziehung‘ […] nicht belegt“, stattdessen wurde die „ethnische Zugehörigkeit bewusst instrumentalisiert“ und „bildeten nationale Symbole wichtige Anknüpfungspunkte“ (S. 195ff). So handle es sich beim Namensgeber der rein muslimisch geplanten Division, dem im 15. Jahrhundert lebenden Nationalhelden Georg Kastriota, genannt Skanderbeg, „um einen Katholiken, der über Jahrzehnte gegen die osmanische Herrschaft gekämpft hatte“ (S. 198). Dass die Rekrutierung von Albanern in die Waffen-SS insgesamt letztendlich als Misserfolg bewertet werden müsse, sei mehreren Umständen zuzuschreiben, vor allem der für die Deutschen zunehmend kritischen Kriegslage und ihrer mangelnden Kenntnis der albanischen gesellschaftlichen Verhältnisse in Verbindung mit realitätsfernen Vorurteilen über den Charakter „des Albaners“. Der Zustrom an Freiwilligen verebbte in dem Maß, in dem die Deutschen Vorteile wie Waffen, Ausrüstung, Lebensmittel und Bekleidung nicht mehr im ausreichenden Ausmaß zur Verfügung stellen konnten und „die Aussicht auf nationale Unabhängigkeit vor dem Hintergrund der drohenden deutschen Niederlage (schwand)“ (S. 201). Im Frühjahr 1944 erklärte die albanische Regierung den Dienst in der „Skanderbeg“ zum regulären Militärdienst für die Jahrgänge 1918 bis 1927, doch die Rekrutenzahlen blieben deutlich hinter den Versprechungen zurück, nicht zuletzt dank der Clanchefs, die ihre Gefolgschaft nur dann mobilisierten, wenn ihnen selbst „ein persönlicher, finanzieller, politischer oder gesellschaftlicher Vorteil erwuchs“ (S. 203).

 

Trotz des großen persönlichen Engagements ihres von der „Prinz Eugen“ abgezogenen Kommandeurs August Schmidhuber erreichte die Division „Skanderbeg“ unter diesen Umständen weder ihre volle Stärke, noch verfügte sie jemals über eine adäquate militärische Ausbildung und die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Ausrüstung. Neben der Sicherung von Marschwegen und Anlagen von wehrwirtschaftlicher Bedeutung waren Teile des Verbandes auch für den Betrieb des Konzentrationslagers Priština zuständig. Gegenüber den von den Alliierten großzügig unterstützten Partisanen geriet man militärisch zunehmend ins Hintertreffen, den angesetzten Unternehmen mit den Tarnnamen „Junikäfer“, „Falkenauge“, „Draufgänger“, „Fuchsjagd“ und „Rübezahl“ blieb durchschlagender Erfolg versagt. Desertion war daher bereits im Sommer 1944 an der Tagesordnung, angedrohte deutsche Sanktionen waren zahnlos, denn „das Kriegsgericht der Division (blieb) unbesetzt und die deutschen Führer (konnten) zu diesem Zeitpunkt gegen zahlreiche disziplinarische Verstöße kaum mehr vorgehen“ (S. 208). Das bei den deutschen Dienststellen ursprünglich vorherrschende, von Karl Mays Skipetaren maßgeblich beeinflusste Klischeebild vom Albaner als dem geborenen Krieger mit rassischen Vorzügen schlug nun in das Gegenteil um. Jetzt galten die Albaner den Deutschen nur mehr „als betrügerische Taugenichtse und Drückeberger, die undiszipliniert und eigenmächtig plündernd durch die Lande zogen, stets darauf bedacht zu fliehen, wenn die Lage ernst wurde[,] und aus dem Hinterhalt die knappe deutsche Munition vergeudeten“ (S. 310). Die naheliegende Frage, was bei realistischer Abwägung der Interessen die Albaner noch motivieren hätte sollen, sich für die offensichtlich verlorene deutsche Sache ins Zeug zu legen, hat man sich offenbar nicht gestellt.

 

Somit liefert diese Dissertation deutlich mehr als eine klassische Divisionsgeschichte im herkömmlichen Sinn. Ohne den Blick auf die historische Entwicklung der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in der in Frage stehenden Region und die jeweiligen Interessen der involvierten Parteien wäre der Verlauf des Projekts 21. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Skanderbeg“ nicht adäquat zu erfassen und zu verstehen. Auch wenn Franziska A. Zaugg, wie sie ausführt, die schwer zugänglichen Gerichtsakten zum Verbleib der ehemaligen Divisionsangehörigen der „Skanderbeg“ nicht sichten und auswerten konnte, wurde sie in deutschen und italienischen Archiven reich fündig und  hat darüber hinaus auch das Militärarchiv in Belgrad und das Zentrale Staatsarchiv in Tirana mit Ertrag konsultiert. Im Freiburger Militärarchiv konnte sie die vom verstorbenen Archivar der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V.“ (HIAG) Wolfgang Vopersal zusammengetragenen Unterlagen einsehen und ergänzend einbeziehen. Ihre auf diesen Grundlagen erarbeitete Darstellung gibt im Ergebnis einen luziden Überblick über die treibenden Kräfte, welche die Geschichte Albaniens und insbesondere des Kosovo während des Zweiten Weltkrieges bestimmt und dabei auch der muslimischen SS-Division „Skanderbeg“ zu einem ebenso kurzlebigen wie letztlich wenig effizienten Auftritt verholfen haben. Die teils historisch-kulturell geprägte, teils interessensgeleitete Unfähigkeit und Unwilligkeit der Akteure, unter Verzicht auf Gewalt die ethnische Vielfalt des Raums zu akzeptieren und zu respektieren, tritt deutlich hervor.

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic