Vor 70 Jahren - Stunde Null für die Justiz? - die Augsburger Justiz und das NS-Unrecht, hg. v. Koch, Arnd/Veh, Herbert (= Augsburger Rechtsstudien 84). Nomos, Baden-Baden 2017. 205 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach dem Vorwort der beiden Herausgeber wurde mit dem Einmarsch der Amerikaner in Augsburg an dem 28. April 1945 die Gerichte geschlossen, doch währte der Stillstand der Rechtspflege nur kurze Zeit, denn bereits an dem 9. Juli 1945 wurde wieder ein Präsident des Landgerichts Augsburg ernannt. Auf den Tag genau 70 Jahre später begann eine an den Neuanfang erinnernde öffentliche Vortragsreihe in der St.-Anna-Grundschule, in dem Kolpinghaus und in dem Saal 201 des Landgerichts. Ziel war es, den Umgang der Augsburger Justiz, deren Gebäude durch Bombentreffer zerstört und für die kaum unbelastete Richter zu finden waren, mit dem nationalsozialistischen Unrecht in den überregionalen Kontext zu stellen.
Unmittelbar nach dem Erscheinen der 2017 veröffentlichten Vorträge bekundete ein bestens ausgewiesener Sachkenner sein Interesse an einer Rezension. Deswegen genügen es an dieser Stelle einige allgemeine Hinweise. Enthalten sind insgesamt sechs gedankenreiche sorgfältige Studien.
Sie beginnen mit der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts durch die deutsche Nachkriegsjustiz und behandeln danach die Wiederöffnung der Gerichte in Bayern und insbesondere in Augsburg. Auf dieser breiten Grundlage werden der Prozess gegen die alle Anklagepunkte vehement zurückweisende, aber gleichwohl zu lebenslanger Haft verurteilte und sich nach dem Verlust jeder Hoffnung auf Begnadigung in Aichach an dem 2. September 1967 in dem Alter von 61 Jahren das Leben nehmende „Kommandeuse von Buchenwald“ und der Huppenkothen-Prozess detailreich und spannend nachgezeichnet, während zum Abschluss der Widerstandskämpfer und Rechtsanwalt Franz Reisert gewürdigt wird. Verdient hätte der schlanke gefällige Band über das Autorenverzeichnis hinaus noch ein Sachverzeichnis, doch werden sich auch so viele Interessenten an der Stunde Null finden.
Innsbruck Gerhard Köbler