Thaler, Manfred Joseph, Die Domkapitel der Reichskirche vom Wiener Konkordat bis zur Säkularisation (1448-1803). Grundzüge ihrer Verfassung im Vergleich (= Rechtshistorische Reihe 468). Lang PL Academic Research, Frankfurt am Main 2017. 618 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Unter dem als Wort erst neuzeitlich belegten Domkapitel wird allgemein das seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts aus dem verpflichtend werdenden gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene, seit der Mitte des 9. Jahrhunderts gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium Geistlicher verstanden, das den Bischof unterstützt, nach seinem Tode das Bistum vorübergehend verwaltet und den neuen Bischof wählt. Es wird in dem 10. Jahrhundert lateinisch capitulum in domo episcopi genannt. Es erlangt seit dem 9. Jahrhundert Güter und wird in dem Hochmittelalter Verbandsperson.
Mit der späteren Entwicklung beschäftigt sich die von Peter Landau betreute, 2015 an der juristischen Fakultät der Universität München angenommene Dissertation des 1973 geborenen, in Salzburg und Innsbruck in Theologie und Religionspädagogik ausgebildeten, in Salzburg an dem Institut für Kirchengeschichte promovierten und neben seiner Tätigkeit als Priester und Katechet ein Studium mit einer geschichtswissenschaftlichen Promotion und ein juristische Promotionsstudium abschließenden Verfassers, dessen Untersuchung über das Salzburger Domkapitel von 1514 bis 1806 2011 und dessen Salzburger Dissertation über das Schneeherrenstift am Dom zu Salzburg (1622-1806) von 1997 2011 veröffentlicht wurde. Die auf dieser Grundlage geschaffene Untersuchung wurde angeregt von einem vermutlich aus den Sechzigerjahren oder Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts stammenden Aktenfund in dem Haus, Hof- und Staatsarchiv in Wien, der mit Hilfe ausgewählter Angaben einen Überblick für einige Domkapitel der Reichskirche bietet. Damit schließt der Verfasser eindrucksvoll eine bisher bestehende Lücke.
Gegliedert ist der neue Band nach einer kurzen Einleitung in vier Sachabschnitte. Sie betreffen einen geschichtlichen Überblick, die innere Organisation, die Kollation der Kanonikat und Ämter sowie die Idoneitätskriterien und Obliegenheiten. Am Ende fassen knappe Schlussbemerkungen die vielfältigen weiterführenden Ergebnisse kurz und klar zusammen, während umfangreiche Verzeichnisse Quelle und Literatur nachweisen und Personenregister, Ortsregister und Sachregister den Inhalt benutzerfreundlich aufschließen.
Im Ergebnis kann der Verfasser feststellen, dass die 74 Domkapitel seiner Untersuchungszeit (Augsburg, Bamberg, Basel, Brandenburg, Bremen, Breslau, Brixen, Brünn, Budweis, Cammin, Chiemsee, Chur, Corvey, Eichstätt, Ermland, Freising, Fulda, Görz, Gradisch, Graz, Gurk, Halberstadt, Hamburg, Havelberg, Hildesheim, Köln, Königgrätz, Konstanz, Kulm, Laibach, Lausanne, Lavant, Lebus, Leitmeritz, Leitomischl, Leoben, Linz, Lübeck, Lüttich, Magdeburg, Mainz, Meißen, Merseburg, Metz, Minden, Münster, Naumburg, Olmütz, Osnabrück, Paderborn, Passau, Pomesanien, Prag, Ratzeburg, Regensburg, Salzburg, Samland, Sankt Pölten, Schleswig, Schwerin, Seckau, Sitten, Speyer, Straßburg, Toul, Trient, Trier, Utrecht, Verden, Verdun, Wien, Wiener Neustadt, Worms und Würzburg, davon etwas mehr als die Hälfte aus dem Frühmittelalter) in geschichtlicher Entwicklung, in eigener Stellung in Reich und Kirche in Organisationsform und in der personellen Zusammensetzung keine einheitliche Größe waren. Dennoch kann er in diesem Weiten Rahmen auch gemeinsame Rechtstraditionen darlegen. Dementsprechend bildet sein Werk für alle weiteren Forschungen zu den Domkapiteln der Reichskirche eine verlässliche und nicht zu entbehrende Grundlage
Innsbruck Gerhard Köbler