Staudigl-Ciechowicz, Kamila Maria, Das Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht der Universität Wien 1848-1938. Eine rechtshistorische Untersuchung zur Stellung des wissenschaftlichen Universitätspersonals (= Schriften des Archivs der Universität Wien 22). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017. 863 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die auf keltischer bzw. römischer Grundlage errichtete Siedlung am Einfluss der Wien in die Donau ist seit 12. 3. 1365 Sitz der ältesten Universität des deutschen Sprachraums, der nur das böhmische Prag unter Karl IV. um wenige Jahre voranging. Ihre alma mater mit Sitz zwischen Hofburg und Schottenstift war anfangs in dem Heiligen römischen Reich führend, fiel aber danach zurück. Das Studium des römischen Rechts wurde an ihr eigentlich erst an dem Ende des 15. Jahrhunderts möglich.

 

Mit der Geschichte der Universität Wien haben sich bereits viele Studien beschäftigt. Sie haben gleichwohl in der jüngsten Vergangenheit noch einen erfreulichen zusätzlichen Aufschwung erlebt. Zu ihm gehört auch die vorliegende grundlegende Studie der 1984 in Krakau geborenen, seit 1991 in Wien mit Reifeprüfung am Gymnasium und wirtschaftskundlichen Realgymnasium der Dominikanerinnen ausgebildeten, schon während des Studiums der Rechtswissenschaft bei Thomas Olechowski tätigen, seit 2008 neben dem Studium der Geschichte das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaft betreibenden Verfasserin.

 

Nach dem kurzen Vorwort ist die gegenständliche Monographie im Wesentlichen die im Januar 2017 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien eingereichte und im Februar 2017 angenommene Dissertation der Verfasse3rin, die nur an wenigen Stellen überarbeitet  bzw. ausgebessert wurde. Die Idee zu diesem Werk entstand während der Recherchen zu dem Projekt „die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien 1918-1938“, bei denen sich zeigte, das viele Bereiche des Dienstrechts und vor allem des universitären Disziplinarrechts bisher noch nicht aufgearbeitet wurden. Unter der Betreuung Thomas Olechowskis konnte diese bisherige Lücke während achter Jahre eindrucksvoll geschlossen werden.

 

Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einleitung über Fragestellung, Forschungsstand und Arbeitsmethode in insgesamt fünf Sachkapitel Diese beginnen mit der ausführlichen Schilderung der Rahmenbedingungen und des Umfelds mit den Organisationsgesetzen von 1849 und 1873 im Mittelpunkt. Auf dieser Grundlage werden das Dienstrecht samt den Bezügen, das Habilitationsrecht und - nach einer Betrachtung der Frauen im universitären Wissenschaftsbetrieb – das Disziplinarrecht eindringlich und ertragreich untersucht.

 

Ihre vielfältigen Einzelergebnisse fast Kamila Maria Staudigl-Ciechowicz am Ende zusammen und kann dabei viele Veränderungen während es neunzigjährigen Untersuchungszeitraums feststellen. Hierzu gehört etwa die Tatsache, dass man 1851 eine halbwegs demokratische Struktur hatte, während 1934/1935 den zahlenmäßig kleinsten Gruppen der ordentlichen (und zum Teil außerordentlichen) Professoren die fast uneingeschränkte Macht zukam.  Eine entscheidende Rolle bei antisemitischen Aktionen wie Habilitationen spielten Netzwerke (z. B. Bärenhöhle) und unter dem Deckmantel von Einsparungsmaßnahmen wurden während der Zeit des Austrofaschismus vor allem politische Gegner entfernt.

 

Während des Untersuchungszeitraums wurden nach Ausweis bisher wenig beachteter Quellen insgesamt 154 Disziplinaranzeigen erstattet. Die meisten von ihnen betrafen die medizinische Fakultät. Die Entlassung eines Professors wurde allerdings nur in einem einzigen Fall rechtswirksam verfügt.

 

An das umfangreiche Quellen- und Literaturverzeichnis ist eine Dokumentation der Wiener Disziplinarfälle gegen Lehrende angefügt Sie weist für die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät fünf Fälle in der Monarchie, elf Fälle in der ersten Republik (darunter Hans Kelsen) und sechs Fälle in den wenigen Jahren des Austrofaschismus (Hans Mayer, Alexander Mahr, unbekannte Täter, Fritz Schreier, Max Adler, Karl Gottfried Hugelmann und Max Adler) aus. Hier dürften nach Ansicht der Verfasserin noch bestehende Forschungslücken detailliertere Aufklärungsmöglichkeiten bieten.

 

Ein Personenregister von Abel bis Zweig rundet das Werk benutzerfreundlich ab. Insgesamt hat die Verfasserin einen festen Grund gelegt. Auf ihm werden alle weitere Einzeluntersuchungen sicher aufbauen können.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler