Signa iuris Band 15 – Beiträge zur Rechtsikonographie, Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, Clausdieter Schott zum 80. Geburtstag am 1. November 2016, hg. v. Kocher, Gernot/Lück, Heiner/Schott, Clausdieter. Peter Junkermann Verlag, Halle an der Saale 2016. IX, 407 S., 358 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Der Mitherausgeber der Reihe ‚Signa Iuris‘, Clausdieter Schott, Emeritus der Universität Zürich, konnte am 1. November 2016 seinen 80. Geburtstag begehen. Die weiteren Herausgeber der Reihe nahmen dies zum Anlass, ihrem Kollegen einen bunten Strauß von Beiträgen zu widmen. Die Beiträge wurden 2013 und 2015 zum Teil bei verschiedenen Tagungen der 13. und 14. Rechtsikonographie-Konferenzen in Lemgo und auf Burg Rötelstein bei Admont (Steiermark) gehalten. Andere Beiträge sind Erträge der Tagung der Internationalen Gesellschaft für Rechtliche Volkskunde in Bern (2015).
Der kurze Beitrag ‚Maria Theresia: Beschützerin des Rechts‘ (S. 1-3) Wilhelm Brauneders korrigiert Bedeutungen, die einer Medaille von 1765 beigelegt wurden. Hatten frühere Beschreibungen versucht die Verbindung zu besonderen geschichtlichen Ereignissen herzustellen, so veranschaulicht nach Brauneder die Medaille Maria Theresia als Beschützerin des Rechts, auf der Basis der Gesetzgebung, jedoch ohne Verbindung zu einem bestimmten Gesetzgebungsakt. ‚Von der Schlange am Rathaus‘ (S. 5-28) gibt Andreas Deutsch, ausgehend von der Schlangendarstellung am Rathaus in Rostock, die Gelegenheit Schlangen an den Rathäusern in Saint-Antonin-Noble-Val, Esslingen und Tübingen mit den Darstellungen der Prudentia und der Justitia vergleichend zu beschreiben. Eine Abbildung der Rostocker Schlange wäre eine wünschenswerte Ergänzung des Artikels gewesen. Darstellungen des Sündenfalls in Handschriften des Sachsenspiegels und Schwabenspiegels mahnen die Einhaltung des göttlichen und des weltlichen Rechts an, um keine Strafe befürchten zu müssen. Einen weiten Bogen schlägt der Autor zur Darstellung der Tugenden an Rathäusern. Barbara Dölemeyer stellt in ‚Weg und Grenze - Zur Markierung von Rechtsräumen‘ (S. 29-55) Denkmale der Räumlichkeit des Rechts vor. Ihre Beispiele sind oft aus Hessen und Oberbayern genommen. Häufig werden Säulen an markanten Stellen errichtet, von denen viele Abbildungen dem Beitrag beigegeben sind. Grenzsäulen und Weichbildsäulen sind noch heute an vielen Orten erhalten. Als andere Beispiele sind die Kleindenkmäler der Grenzsteine zu sehen, die erfreulicherweise nun auch das Augenmerk des Denkmalschutzes erreicht haben. Die Waldmarkierung bei Bad Säckingen und die Grenzsteine im Gebiet der Gemeinde Ostrach, die auf den Grenzverlauf der ehemaligen Länder Baden, Hohenzollern und Württemberg im Gemeindegebiet hinweisen, sind Male, die an ältere Rechtszustände erinnern. Gerade dieser Beitrag lässt erkennen, dass die Rechtsarchäologie in diesem Bereich noch große Forschungsmöglichkeiten bietet. Clausdieter Schott zeigt in ‚Der zerbrochene Krug – Die Bildvorlage für Heinrich von Kleists Lustspiel‘ (S. 77–93) kenntnisreich den Weg von einer Grafik Jean Jacques Le Veaus zu dem Lustspiel und der Erzählung Heinrich Zschokkes. Interessant sind die Ausführungen Schotts zum Wechsel der Bewertung seit den späten 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, nach der das Lustspiel Justizkritik und Systemkritik war, während es heutigem Verständnis zufolge ein Spektakel darstellte, das aus Elementen niederländischer und französischer Vorbilder geschöpft war. Schott belohnt sich und seine Leser in der ihm gewidmeten Schrift mit einem Kabinettstückchen von Bildinterpretation. Dietlinde Munzel–Everlings ‚Die Darstellung der Seele ausgehend von Illustrationen der Sachsenspiegel-Bilderhandschriften‘ (S. 95-138) schlägt den Bogen von der entweichenden Seele des Hingerichteten, dessen Seele dem Teufel zufällt, wenn nicht vor seinem Tode der Bann aufgehoben wurde. Die Darstellung der Sachsenspiegel-Handschrift kann ihre Quelle in Bildern vom Tode Marias haben, die in der oströmischen Kirche Bedeutung hatten. Angesichts der weiten Verbreitung der entweichenden Seele auf Werken der Kunst ist es überraschend, dass Kunsthistoriker bislang der Darstellung und ihrem theologischen Hintergrund wenig Interesse entgegen gebracht haben. Dieter Pötschke ‚Van den gemenen Landtwegen im Lande Ruigen‘ (S. 139-155) berichtet über eine Wegeordnung Rügens von 1522, die sich im Rügischen Landrecht Matthäus Normanns findet. Herbert Schempf setzt in ‚Von Prag nach La Réunion. Die merkwürdige Reise des Heiligen Expeditus‘ (S. 157-176) seine Studien zu den Nothelfern als Prozesshelfern fort, die er mit dem Heiligen Ivo und der Heiligen Aya begonnen hat. Obwohl Expeditus schon im Spätmittelalter erwähnt wurde ist erst aus dem 18. Jahrhundert, als dem Heiligenkult große Aufmerksamkeit gewidmet wurde, ein Bildnis überliefert. Ihm wird noch heute, wie die Beispiele zeigen, Verehrung bezeugt. Die Bollandisten, die stets bestritten hatten, dass Expeditus eine reale Person sei, konnten sich gegen die Volksfrömmigkeit und ihre Erfahrungen mit einer fehlsamen Justiz nicht durchsetzen. Pierre Friedrich beschreibt in ‚Die Reiterstatuette aus dem Dom zu Metz als Bildfahrzeug der Reichsidee‘ (S. 177-205) den Weg der Karl den Großen darstellenden Reiterstatuette aus der Zeit seines Enkels Karl des Kahlen im Laufe der Zeit. Die Statuette befindet sich nach zahlreichen Besitzerwechseln heute im Louvre. Aby Warburgs Metapher des Bildfahrzeugs soll die historische Migration der Reichsidee begrifflich machen. Franz Gut wertet in ‚Schwiderus Schriber (1574 – 1639), seine Dienste und Erlebnisse als oberster Stadtknecht von Winterthur (1604 – 1625)‘ (S. 207 – 235) das Fragment einer Chronik aus, von der etwa ein Siebtel erhalten ist. Das Manuskript enthält Ratslisten der Kleinräte und Großräte, Vorschriften, welche im Auftrag von Schultheiss und Rat öffentlich verkündet wurden, Aufgaben beim Mitwirken bei Gerichten und verschiedene Erlebnisse. Zu Mathias Gingling, der sich auf dem Wege zur Richtstatt einer weiteren schweren Straftat bezichtigte, bringt der Artikel die interessante Beobachtung, dass nicht in einem neuen Gerichtsverfahren diese Sache geklärt wurde, sondern es wurde einfach das Urteil, das gerade vollstreckt werden sollte, zu einer schimpflicheren Bestattungsart, nämlich der Bestattung beim Galgen verändert. Sicher war dies eine spontane Änderung der Strafprozessregeln. Mit dem Verfasser ist der Text als eine Bereicherung der Rechtlichen Volkskunde anzusehen. Der Beitrag Hans Hattenhauers über ‚das kaiserliche Oktogon‘ (S. 237 – 256) ist die letzte wissenschaftliche Veröffentlichung des Kieler Emeritus, der seinen Lebensabend in Speyer verbrachte und dort 2015 verstarb. Am Speyerer Dom sind zwei oktogonale Dachaufbauten erhalten, die Hattenhauer überzeugend in Beziehung zum Westwerk des Domes und dem Platz des Kaisers bei seiner Anwesenheit in Speyer setzte. In ‚Die Gletscher des Berner Oberlandes in Recht und Sage‘ (S. 257 – 276) ehrt Mike Bacher Clausdieter Schott auf eine besondere Art, denn er schrieb 1998 und 2001 über die Bergkette der Churfirsten, nordöstlich des Berner Oberlandes. In Zeiten der Erderwärmung und dem Zurückdrängen der Alpengletscher führt das Alprecht zum Ausgleich von Schäden bei Bergbauern und das Bergrecht der Grindelwalder Alpengenossenschaften in Zeiten zurück, die andere klimatische Bedrängnisse erlebten. Interessant ist die Sage um die armen Seelen, die als Höllenstrafe im ewigen Eis ihre Sünden abzubüßen hatten. Einer Wandersage ähnlich wird über verschiedene Alpen eine Sage einer Vergletscherung als Strafe für frevelhaftes Verhalten berichtet. Diese Schilderungen gehen selten über den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Wilhelm Brauneder konnte ‚von der Hinweistafel zum internationalen Verkehrszeichen‘ (S. 277 – 300) bei einem Besuch der Tagungsteilnehmer in einem Automuseum berichten: die passenden Worte am richtigen Ort oder die subtile Art des Humors unter Juristen. Abgeschlossen wird die Veröffentlichung durch die Studie von Dietlinde Munzel-Everling über ‚der rechter sal syn eyn grymmender lewe - der Löwe als Rechtssymbol‘ (S. 301-400). Ausgehend von einem Rechtssatz im kleinen Kaiserrecht über den grimmenden Löwen zeigen mehr als achtzig Abbildungen den Wandel der Darstellung in den verschiedenen Jahrhunderten. Der Autorin ist darin beizupflichten, dass sich im Mittelalter Darstellungen einer Schematisierung entziehen; jede Darstellung ist sorgfältig auf den Zusammenhang ihrer Entstehung zu prüfen, während gerade die Löwen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im Historismus oft bedeutungsgleich als Symbol und Wächter der Gerechtigkeit an Neubauten von Gerichten angebracht wurden.
Der Materialreichtum dieses Bandes und mit ihm der vorangegangenen Bände der Reihe ‚Signa iuris‘ sollte durch die Herausgeber der Reihe mit einem Register der Darstellungen bzw. einem Sach- und Ortsregister über alle Bände wissenschaftlich nutzbar gemacht werden. Bisher gehen bedauerlicherweise zu viele wertvolle Informationen für die wissenschaftliche Arbeit verloren.
Neu-Ulm Ulrich-Dieter Oppitz