Rupps, Martin, Kanzlerdämmerung. Wer zu spät kommt, darf regieren. Orell Füssli, Zürich 2017. 224 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wer der nächste Führer eines Staates der Erde sein wird, wird sich niemals mit vollkommener Sicherheit vorhersagen lassen. Demgegenüber lässt sich die Geschichte von Vergangenheiten bei ausreichender Quellenlage einigermaßen sicher ermitteln, so dass aus ihr auch mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit allgemeine Regeln für das Geschehene abgeleitet werden können. Eine von ihnen ist die Aussage, dass in dem Falle der Kanzlerdämmerung regieren darf, wer zu spät kommt.
Verwendet hat sie der 1964 geborene, nach einem Volontariat bei einer Tageszeitung und einer Tätigkeit als Lokalredakteur sowie dem Studium von Politikwissenschaft, neuester Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1996/1997 in Freiburg im Breisgau über Helmut Schmidt – Politikverständnis und geistige Grundlagen promovierte Verfasser, der neben seiner Tätigkeit bei dem Südwestrundfunk und 3sat durch eine Reihe von Werken über die jüngere deutsche Politikgeschichte hervorgetreten ist. Sein vorliegendes, durch Bilder und Fotos sechser bekannter deutscher Politiker von Adenauer bis Merkel veranschaulichtes Werk gliedert sich in vierzehn Sachabschnitte. Sie betreffen die Bedeutungslosigkeit von Bundestagswahlen, den Ehrgeiz politischer Generationen, die Bundeskanzler in ihrer Zeit, Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl, Strauß, Schröder, Fischer, (unter Betriebsunfall) Merkel und Schäuble sowie demente und monarchische Bundespräsidenten, das Parfüm des Karl-Theodor zu Guttenberg, das Scheitern von Seiteneinsteigern, den Tod der Volksparteien, die Unentbehrlichkeit und die Jugendquote mit Juniorabgeordneten.
Im Ergebnis führt der viele interessante Geschehnisse geschickt verknüpfende Band zu einer einheitlichen Begründung für das Scheitern deutscher Kanzlerschaften. Der Verfasser sieht ihn darin, dass alle deutschen Bundeskanzler verspätet an die Macht kamen und sie dann zu lange innehatten. Ebenso einleuchtend scheint es, dass die späteren Bundeskanzler in wesentlichen Zeiten ihres Lebens an der Macht wie andere besonders interessiert sind, für das glückliche Erreichen ihres Zieles viele Opfer bringen müssen und deswegen auch freiwillig grundsätzlich nicht zu einem Verzicht auf den lange ersehnten Genuss bereit sind, so dass für eine Änderung ausreichend politischer Druck aus unterschiedlichen politischen Gegebenheiten erforderlich ist, der sich im Einzelfall immer wieder anders gestaltet und auswirkt, wobei in der zeitlichen Dimension alles immer auch ein Ende hat und haben muss.
Innsbruck Gerhard Köbler